Wehmütig läuft Philipp Riedl durch die Lagerhalle in Sennfeld. Der Schweinfurter Beleuchtungsmeister und Toningenieur blickt in volle Regale. Rund 400 Scheinwerfer, zahlreiche Lautsprecher, Kabel mit einer Gesamtlänge von über zehn Kilometern. Nur ein Teil dessen, was hier lagert und eigentlich gar nicht da sein sollte. Denn für das Equipment gibt es derzeit schlicht keine Verwendung. Die Coronapandemie hat die Veranstaltungsbranche komplett still gelegt. Keine Konzerte, keine Tagungen, keine Tanzshows. Und damit auch keine Beschäftigung für den 39-jährigen Familienvater, der normalerweise Technik verleiht, Veranstaltungen betreut und Events plant. "Es ist als hätte jemand auf Stopp gedrückt und vergessen, die Play-Taste wieder zu betätigen", sagt Riedl.
Der Schweinfurter gründete 2003 seine Firma "Pase" und gilt seitdem als wichtiger Ansprechpartner für die Planung und Durchführung von Veranstaltungen im Bezug auf die erforderliche Technik. Dabei betreut seine Firma nicht nur lokale Events, Pase-Equipment findet auch bei internationalen Künstlern Verwendung. Auch mit der Schweinfurter Breakdancegruppe DDC arbeitet Pase seit Jahren zusammen. "Wir gehören zur unsichtbaren Branche", sagt Riedl und fügt an: "Die Technik, das Licht und der Sound fallen den Menschen immer erst dann auf, wenn etwas nicht funktioniert." Knapp 600 Aufträge brachten der Firma im Vorjahr einen Netto-Umsatz von 650 000 Euro ein. "In diesem Jahr sind es knapp zehn Prozent des Vorjahresumsatzes und ich bin ein glücklicher Mann, wenn es bis zum Jahresende 20 Prozent werden", sagt Riedl trocken.
"Verschoben heißt verloren, die Veranstaltungen finden nächstes Jahr ja nicht alle doppelt statt"
Derzeit beschäftigt der Unternehmer nur eine 450 Euro-Kraft. Corona habe der geplanten Einstellung zweier neuer Mitarbeiter einen Strich durch die Rechnung gemacht. Arbeit gebe es für diese aktuell ohnehin nicht. Nach dem Lockdown, erinnert sich Riedl, habe er fast zwei Wochen ausschließlich mit Telefonieren verbracht. "Fast alle Aufträge für das ganze Jahr wurden damals abgesagt." Innerhalb kürzester Zeit habe der gesamte Markt stillgestanden. Und das, obwohl die Veranstaltungsbranche laut Riedl zum sechstgrößten Wirtschaftszweig Deutschlands zähle. "Das war schon eine komische Situation, gerade weil die Sommerzeit die Hauptsaison für Events ist", so Riedl.
Das Argument, wonach die ausgefallenen Veranstaltungen später nachgeholt würden, ist laut Riedl falsch. "Verschoben heißt für uns verloren, die Veranstaltungen finden nächstes Jahr ja nicht alle doppelt statt." Aus diesem Grund könne man die finanziellen Einbußen nicht ohne weiteres später wieder reinholen. "Glücklicherweise haben wir gut gewirtschaftet und können derzeit noch von unseren Rücklagen leben", erklärt Riedl. Doch die Zeit läuft langsam ab. Laut seiner Rechnung kann Riedls Unternehmen noch bis August durchhalten. "Sollte sich bis dahin nichts grundlegendes ändern, müssen wir im September Konsequenzen ziehen", betont der 39-Jährige.
Riedl: Politik hat uns im Stich gelassen
Diese könnten Kredite sein oder aber auch der Verkauf von Transportern. Denn: "Equipment will mir keiner abkaufen, da es keiner braucht, wenn es keine Veranstaltungen gibt." Philipp Riedl wirkt nicht verbissen, bezeichnet sich selbst als Optimist und ist davon überzeugt, mit einem blauen Auge durch die Phase zu kommen. "Ich kenne aber auch Kollegen, die kurz vor der Depression stehen", betont Riedl. Zwar habe es staatliche Soforthilfen gegeben, das größte Problem sei jedoch die Perspektivlosigkeit. Und genau dafür macht er die Politik verantwortlich.
Während riesige Konzerne gerettet würden, habe die Politik den gesamten Veranstaltungsbereich im Stich gelassen. "Bisher schweigt die Politik und keiner sagt uns, wie es längerfristig weitergehen könnte", sagt Riedl. Dabei stehe seine Branche zwar weitestgehend hinter den meisten Maßnahmen, jedoch fehle jegliche Planungssicherheit. Hauptkritikpunkt sei die ausbleibende Definition von Großveranstaltungen. "Seit dem Verbot hat einfach niemand klar definiert, was eine Großveranstaltung ist", bedauert Riedl. Dadurch traue sich auch niemand, Events zu genehmigen.
Außerdem messe die Politik mit zweierlei Maß. "Wenn ich mich mit vielen Leuten in ein Flugzeug setzen oder in den Biergarten gehen darf, wieso kann ich dann nicht beispielsweise auf ein Open-Air-Konzert mit 1,5 Metern Abstand gehen?" Denn nicht bei jedem Event lägen sich die Menschen betrunken in den Armen. "Keiner will einen zweiten Lockdown riskieren, aber die Vorgaben sind hier einfach widersprüchlich", erklärt Riedl.
- Lesen Sie auch: Region Schweinfurt: Wie Biergärten mit den Auflagen kämpfen
Mehr Wertschätzung für die Veranstaltungsbranche
Trotz der angespannten Situation hat der verheiratete Familienvater seinen Optimismus nicht verloren. Auch deshalb, weil Riedl der Coronazeit etwas Positives abgewinnen möchte. "Ich wünsche mir sehr, dass diese Phase dazu führt, dass unsere Branche noch mehr zusammenrückt", sagt Riedl. Durch den monatelangen Verzicht könnten die Menschen wieder mehr schätzen, was es heißt, auf Konzerte zu gehen oder im Theater zu sitzen. "Der Bedarf in der Bevölkerung ist klar zu spüren und vielleicht erlangt der Veranstaltungs- und Kulturbereich dadurch eine höhere Wertschätzung als zuvor."