Die schöne neue Welt wird's erstmal nicht geben: Im Stundentakt mit dem Bus bis ins hinterste Eck des Landkreises Schweinfurt fahren, das wäre eine Revolution im Öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) gewesen. Ab August 2024 hätte das möglich sein sollen. Doch jetzt bleibt alles beim Alten.
Der Kreistag hatte im Juli 2022 einen neuen Nahverkehrsplan mit einheitlichem Ticket auf allen Strecken und Stundentakt zumindest auf den Hauptlinien ab Sommer 2024 beschlossen. Der Weg war damit frei, um die von Privatunternehmen betriebenen Buslinien neu auszuschreiben, was Ende 2023 geschehen sollte. Doch der Plan ging nicht auf. Für den Linienverkehr im Landkreis Schweinfurt konnte keine Vergabereife erreicht werden.
Was ist geschehen? Nahverkehrsbeauftragter Michael Graber erklärt es in einem Gespräch mit dieser Redaktion.
Vereinfacht gesagt: Die Corona-Pandemie, der Ukrainekrieg, die allgemeine Weltlage haben die Pläne des Landkreises zunichtegemacht. Die Energiekosten sind explodiert, die Inflation ist gestiegen, alles ist viel teurer geworden. Bei seiner ursprünglichen Kostenschätzung war der Nahverkehrsexperte des Landratsamtes von 10,1 Millionen Euro im Jahr für die rund 2,9 Millionen Fahrplankilometer ausgegangen. Nach aktuellem Stand muss diese Zahl nun auf 15,2 Millionen Euro berichtigt werden.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Ticketerlöse nicht gegengerechnet werden können, weil es zu viele "Unbekannte" gibt. Zum Beispiel die Höhe der Fahrgastzahlen. Die aktuelle Kostenrechnung basiert auf Zahlen aus dem Jahr 2019, wo man einen Höchststand an Fahrgästen hatte. Oder der künftige Tarif im Verkehrsverbund Mainfranken, der noch nicht feststeht. Oder das Deutschlandticket, dessen Zukunft über 2024 hinaus zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch noch nicht gesichert ist.
Apropos Deutschlandticket: Graber appelliert an die Nutzerinnen und Nutzer, das Ticket lokal zu kaufen. "Nur so bleiben die Einnahmen in der Region." Der Landkreis hat eine eigene Vertriebslösung aufgebaut. Gemeinsam mit dem Kommunalunternehmen des Landkreises Würzburg und den Stadtwerken Schweinfurt verkauft die Nahverkehrs Mainfranken GmbH das bundesweit gültige Deutschlandticket für ihre Partner in der Region Mainfranken. Die Verkaufserlöse kommen dann den Verkehrsunternehmen der Region zugute, die den öffentlichen Nahverkehr anbieten.
Ein weiterer Punkt, der eine Prognose für die Erlöse im Moment schwierig macht, ist die Reformierung der ÖPNV-Förderung durch den Freistaat Bayern. Aktuell weiß man nicht, wie hoch der Zuschuss ausfallen wird. Damit bleibt unklar, in welcher Höhe der ÖPNV den Kreishaushalt künftig in Anspruch nehmen wird. Grabers Fazit: "Zum gegenwärtigen Zeitpunkt lassen sich die voraussichtlichen Erlöse im Linienverkehr einfach nicht seriös angeben."
Die Landkreisverwaltung hat aufgrund der vielen Unwägbarkeiten deshalb mit Zustimmung des Ausschusses für Kreisentwicklung die Vergabe der Linien für den Regionalbusverkehr erst einmal gestoppt. Das Fahrplankonzept soll überprüft und eventuell ein alternatives Konzept ausgearbeitet werden. Bis dahin fahren die Busse im alten Fahrplan. Es folgt nun eine Interimsvergabe des Regionalbusverkehrs für den Zeitraum August 2024 bis Dezember 2025. Konkret heißt das: Bis Ende 2025 wird es also keine Verbesserungen im Linienverkehr geben.
"Callheinz" wird auf den Osten und Westen des Landkreises ausgedehnt
Weil das Leben nicht immer nach Fahrplan läuft, hat der Landkreis aber schon im Mai 2023 "Callheinz" ins Spiel gebracht. Die gute Nachricht: Der flexible Mobilitätsservice, der in Kooperation mit dem Landkreis Kitzingen als Pilotprojekt im südlichen Landkreis Schweinfurt eingeführt wurde, bleibt von all dem Vorgenannten unberührt. Er wird nicht nur weitergeführt, sondern ab 2024 auch auf den Westen und Osten des Landkreises ausgeweitet.
"Callheinz läuft sehr gut", sagt Graber, "die Benutzerzahlen steigen monatlich." Die Kleinbusse und Autos fahren günstig bis in den letzten Landkreiswinkel, wenn sie gebucht werden. Per App oder über eine Hotline kann man Fahrten bis 31 Tage im Voraus oder auch kurzfristig mit 30 Minuten Vorlaufzeit bestellen. Die Fahrzeuge warten dann an den jeweiligen Haltepunkten.
Bei dem Ganzen handelt es sich um ein Modellprojekt, das die beiden benachbarten Landkreise finanzieren und der Freistaat Bayern bezuschusst. Es soll bis 2028 laufen. Ziel ist es, die oft schlecht an das Netz des Öffentlichen Personennahverkehrs angebundenen kleinen Dörfer und Orte besser erreichbar zu machen.
Callheinz sei bewusst als Ergänzung zum Linienverkehr in der Fläche konzipiert, um Mobilität zu gewähren, wenn der Bus nicht oder nur selten fährt. "Er ist nicht für den Schülerverkehr gedacht", stellt Graber klar. Wenn's entsprechende Linienverkehre gibt, wird eine Beförderung deshalb abgelehnt. In naher Zukunft soll Callheinz auch klimaneutral fahren.
In der Landkreisgemeinde Üchtelhausen wurde dagegen für das Gewerbegebiet "Zeller Berg" gestimmt. Ein Argument der Befürworter u. der Mehrheit des Gemeinderats: Der Bus fährt mit dem neuen ÖPNV-Konzept ab 2024 ansonsten an Üchtelhausen vorbei, wenn der vorgesehene Knotenpunkt nicht gebaut wird. Jetzt soll trotzdem gebaut werden, trotz der oben genannten Vorzeichen ... u. jetzt auch ohne Notwendigkeit für das neue ÖPNV-Konzept. Aber für: NORMA ...