Knisternde Spannung herrschte am Montagabend im Sitzungssaal des Alten Rathauses bereits vor der Sitzung mit dem Hauptthema Steigerwaldbahn. Bereits eine Viertelstunde vor Beginn war der Raum mit rund 40 Zuhörern gefüllt, bevor die Stadträte nach und nach eintrudelten. Die Kardinalfrage war erst einmal: Wer von den Entscheidungsträgern kommt überhaupt? Als Bürgermeister Thorsten Wozniak die Sitzung eröffnete, fehlten Markus Reuß, Christine Dittmeier (beide CSU), Susanne Wilfling (SPD), Christoph Rosentritt (Die Jungen) und Toni Niedermeier (Geo-net).
Ein Durchzählen der Räte, die nach aktuellem Stand für oder gegen den Antrag auf Aufhebung des Entwidmungsbeschlusses für die Bahnlinie Schweinfurt-Gerolzhofen-Kitzingen vom 13. Juni 2016 waren, ergab ein Patt von 8:8. Damit wäre der interfraktionelle Antrag, der auf Initiative von Thomas Vizl (Geo-net) zustande kam, gescheitert.
Drei Räte änderten die Richtung
Doch es kam anders. Mit einer deutlichen Mehrheit von 11:5 stimmte die Runde nach intensiver Diskussion für eine Aufhebung des Antrags auf Freistellung der Bahnlinie von Bahnbetriebszwecken. Für diese Aufhebung waren alle anwesenden Fraktionsmitglieder von Geo-net, Freien Wählern und SPD (die einst den Antrag auf Entwidmung gestellt hatte) sowie Einzelkämpfer Heinz Lorz (Bürger für Gerolzhofen), dagegen stimmten einzig die Vertreter der CSU. Bei Zweitem Bürgermeister Erich Servatius, Burkhard Tebbe (beide SPD) sowie Hubert Zink (Freie Wähler) war im Vorfeld der Sitzung ein Anti-Bahn-Votum erwartet worden.
Mit ein Grund für die Richtungsänderung dieser drei Stadträte war, dass die Antragsteller ihr Anliegen auf Rücknahme des genannten Stadtratsbeschlusses auf drei Punkte reduzierten: Neben der Aufhebung des Beschlusses von 2016 wird die Stadt jetzt eine Potenzialanalyse der staatlichen Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG) für die Steigerwaldbahn von Schweinfurt nach Kitzingen befürworten. Dabei wird der Bedarf für diese Strecke ermittelt. Gleichzeitig ist die Stadt an einer ökologisch und ökonomisch sinnvollen Einbindung des Schienenverkehrs in den Öffentlichen Personennahverkehr interessiert.
Der Beschluss zieht keine weiteren Rechtspflichten für die Stadt nach sich und verpflichtet auch nicht zur Umsetzung des Bahnprojekts. Vielmehr wird eine mögliche Potenzialanalyse der BEG dem Stadtrat erneut zur Beratung vorgelegt.
"Bahn gehört in Mittelzentrum"
Über 50 Kommentare zu den neuesten Artikeln der Main-Post und Hunderte auf Facebook würden dokumentieren, dass das Thema Bahn die Menschen interessiert, leitete Thomas Vizl seine Antragsbegründung ein. Vizl erinnerte daran, dass von zwölf ehemaligen Kreisstädten in Unterfranken acht noch einen Bahnanschluss haben und ein solcher auch zu den erhöhten Anforderungen an die Infrastruktur eines Mittelzentrums gehöre.
Vizl beschrieb noch einmal die Erfolgsgeschichte der reaktivierten Bahnlinie Weißenhorn-Senden. Wie fast alle anderen Sprecher betonte auch er, dass die Stadt nicht die Kompetenz habe, über das Wohl und Wehe der Strecke zu entscheiden. Im weiteren Verfahren müsste nun der Landkreis eine Potenzialanalyse durch die BEG befürworten. Bei einem positiven Ausgang dieser Analyse liegt die Entscheidung zur Reaktivierung dann bei der bayerischen Staatsregierung.
Für die Stadt entstehen bei diesem Verfahren keine Kosten. Erst bei einer tatsächlichen Reaktivierung müsste sie ein Drittel der Kosten für den Ausbau des Übergangs an der Weißen Marter zahlen (beim Übergang Frankenwinheimer Straße handelt es sich um eine Staatsstraße, so dass die Stadt nur für die Gehsteige herangezogen werden würde.).
Vizl weiter: Die fast 50 Kilometer lange Trasse von Schweinfurt nach Kitzingen sei ein Grundstück von hohem Wert. Es wäre nicht verantwortbar, dieses Grundstück zu zerteilen und in kleinen Portionen zu verkaufen. Die Strecke könne auch für die Verlegung von schnellen Datenleitungen genutzt werden. "Lassen Sie es uns versuchen. Es kostet uns praktisch nichts und wir verbauen uns keine Chance", appellierte Vizl schließlich an die Kollegen.
Kochs leidenschaftliche Gegenrede
Dann setzte Arnulf Koch (CSU) zu einer rund 40-minütigen, leidenschaftlichen Gegenrede an. Er räumte anfangs ein, dass auch Mitarbeiter seines Unternehmens gerne mit der Bahn zu ihrer Arbeitsstelle kommen würden. Geo-net warf er vor, bei Facebook Geld auszugeben, um in der Bevölkerung mit seinen Positionen Stimmung zu machen. Koch sah in der Bahndiskussion auch den Auftakt zum Kommunalwahlkampf 2020.
In der Zeit der rot-grünen Regierung unter Kanzler Gerhard Schröder sei nichts an der Bahnstrecke passiert. "Vieles sind am Ende auch bei den Grünen doch nur Lippenbekenntnisse, die sofort enden, wenn der Geldbeutel geöffnet werden muss." Die CSU dagegen verbaue keine Chancen, sondern nehme sie aktiv wahr.
Koch warb eindeutig für die Straße: Anstatt für die Bahn gelte es für einen durchgängigen vierspurigen Ausbau der B 286 zu kämpfen. Das Auto und der Straßenverkehr werden stetig umweltfreundlicher, das müssten auch die Grünen akzeptieren.
Der angedachte 60-Minuten-Takt ist nach Koch eine Akzeptanz-Bremse. Erst ab einem 15- bis 20-Minuten-Takt dürfte in Kochs Augen ein öffentliches Verkehrsmittel Akzeptanz finden. Der Sprecher stellte die Frage, ob es die beste Lösung sei, Geld für kaputte, alte Bahnstrecken auszugeben und stellte als die bessere Alternative die Straße mit besseren Bussen, E-Bikes, Autos und Lkw vor.
"Kein Vorteil für Schulen"
Durch eine Bahn sei zwar ein besserer Anschluss Gerolzhofens nach Norden möglich, nicht aber in die Metropolregion Nürnberg und auch nicht in die Hochschulstädte Bamberg und Würzburg. Auch für die Gerolzhöfer Schulen wäre die Bahn kein Vorteil, denn die meisten auswärtigen Schüler kommen aus Orten ohne Bahnanschluss. Koch zur Kostenfrage: Es sei gar nicht vorstellbar, was man mit den 25 Millionen für den Ausbau der Bahnlinie zwischen Gerolzhofen und Schweinfurt alles im straßengebundenen ÖPNV machen könnte. Insgesamt sah Koch in der ganzen Diskussion nur ein Am-Kochen-Halten eines grünen Lieblingsthemas.
Bürgermeister Thorsten Wozniak (CSU), der im Vorfeld der Sitzung bereits seine Unterstützung für den Pro-Bahn-Antrag signalisiert hatte, verwehrt sich allerdings gegen die Behauptung, das Thema treibe einen Keil zwischen ihn und die CSU-Fraktion. Es gebe keinen Konflikt zwischen ihm und Arnulf Koch. Auch in anderen Fraktionen gebe es immer wieder unterschiedliches Abstimmungsverhalten.
Bei dem Antrag gehe es nicht um Bauchgefühl, sondern um die Befürwortung einer Potenzialanalyse. Erst wenn diese einen sinnvollen und machbaren Schienenverkehr ergibt, werde das Thema erneut im Stadtrat behandelt. Wozniak zur Wirtschaftlichkeit von Bahnverkehr: "Kein Verkehr ist wirtschaftlich, wen man eine Vollkostenrechnung ansetzt." Auch der ÖPNV in großen Städten sei subventioniert.
Wozniaks Bekenntnis zum Koalitionsvertrag
Dem Antrag könne er getrost zustimmen, weil auch im Kreistag einstimmig ein Gutachten zur Steigerwaldbahn beschlossen wurde, mit den Stimmen der CSU und Kollegen wie Hubert Zink (Freie Wähler) oder Erich Servatius (SPD). Als stellvertretender CSU-Kreisvorsitzender und Delegierter beim Landesparteitag handle er wie die CSU, die im Koalitionsvertrag mit den Freien Wählern festgeschrieben habe, dass sich in Bayern "die Stärken der einzelnen Fortbewegungsmittel ergänzen sollen." Vielleicht ergebe sich für die Steigerwaldbahn sogar die Chance für eine Modellstrecke für Züge mit Wasserstoff- oder Hybrid-Antrieben. Der Koalitionsvertrag sei insgesamt wie geschaffen für die Stadt Gerolzhofen mit ihrer peripheren Lage.
Wozniak hält es außerdem für richtig, dass nicht nur die Ballungszentren von öffentlichem Geld profitieren, sondern auch Gerolzhofen, die ehemalige Kreisstadt und einzige Stadt im Landkreis Schweinfurt. Im Gegensatz zu Arnulf Koch sah der Bürgermeister sehr wohl Veränderungen zur Situation von 2016: "Es werden Gutachten auf den Weg gebracht, der Landkreis hat ein Mobilitätskonzept erstellt, die neue Staatsregierung fördert explizit die Reaktivierung von Bahntrassen."
Die beiden Anträge der CSU, nämlich zur Entwicklung des ehemaligen Bahngeländes und zur Verbesserung der ÖPNV-Anbindung an die umgebenden Regional-, Ober- und Mittelzentren, wurden bereits vor der Diskussion auf Initiative von Hubert Zink von der Tagesordnung genommen.
Natürlich muss viel in die (dank des nicht tätigen Langzeitbesitzer) investiert werden.
Aber - sollte es zu einer Reaktivierung kommen, wäre die Region um ein gutes Stück Infrastruktur reicher. Und Gerolzhofen wäre als Mittelstandszentrum wirklich genau in der Mitte mit Verbindung an Metropolregionen wie Nürnberg und Würzburg oder auch Bamberg. Neben den "normalen" Möglichkeiten sollte man auch sehen, dass touristisch hin und wieder (bewusst schreibe ich hin und wieder!) auch mal eine Dampflok fahren könnte.
Es gibt auch bei uns viele Pendler, die täglich nach Wü oder Nbg fahren - die hätten dann so ne echte Alternative
Nachzulesen in der heutigen (10.01.2019) Ausgabe des Schweinfurter Tagblatt. Diese Zeitung, wer es nachlesen will, gehört auch zur Main-Post-Gruppe. Der Artikel soll mE auch eine Anregung für die Gemeinderäte in den Anrainergemeinden sein, über ihre Beschlüsse zu bald als möglich nachzudenken und nach dem Gerolzhöfer Vorbild zu handeln.
Simplicissimus: Warum die Deutsche Bahn so schlecht ist
https://www.youtube.com/watch?v=jMNuuFijlMU
aber trotzdem, wenn man die Sache einfach mal aus dem Blickwinkel betrachtet, dass die Autoindustrie eine der Schlüsselindustrien Deutschlands ist (wenn nicht: die) und man sich gar keine gute Bahn leisten kann, wenn man nicht will, dass es bei der Autoindustrie rumpelt, drängt sich die Erkenntnis geradezu auf, dass diese Misere "von ganz oben" gewollt ist. Gegenbeispiel: die Schweiz - keine Autoindustrie, aber dafür ein ÖP(N)V-System, das weltweit seinesgleichen sucht.
Allerdings hat sich bislang noch keine (deutsche) Bundesregierung ernsthaft mit der Frage befasst, was passiert, wenn das Ende der Fahnenstange für das ständige (ungesunde) Weiterwachsen des Straßenverkehrs erreicht ist. Da könnte jetzt ein ganz böses Erwachen bevorstehen. Wie gut das Land damit klarkommen wird, ist mMn schwer vorauszusagen, sicher ist nur, wer auch dieses Umsteuern bezahlen wird müssen...
Speziell auch was Integrierte Mobilität (Umsetzung von Konzepten, die mehrere Verkehrsmittel integrieren, möglichst über Grenzen von Gebietseinheiten wie Landkreisen und Kommunen hinweg) und auch den Bewusstseinswandel (z.B. auch Mobilitätsmanagement), bzw. der Verbesserung der Anschlussmobilität (Anbindung der Dörfer an Verkehrsmagistralen/Hauptlinien) und Elternunabhängige Mobilität (neue Mobilitätslösungen für Kinder, Jugendliche, Auszubildende im ländlichen Raum).
Berechtigt sind Kommunen unter 35.000 Einwohner, es kann sich also wohl auch die VG Geo als solche bewerben... evtl. ja zeitlich gut passend für die ganze Region.
Die maximale Zuwendungssumme liegt bei 180.000 Euro für bis zu 36 Monate Laufzeit. Mit solchen Summen und Zeiträumen kann man durchaus auch was qualitativ anspruchsvolles in die Wege leite
vgl. https://www.ble.de/DE/Projektfoerderung/Foerderungen-Auftraege/Kompetenzzentrum-Laendliche-Entwicklung/LandMobil.html
Das Geld liegt auf der Straße, und niemand hebt es auf.
Die Bezuschussung betrifft ja Gerolzhofen nicht allein. Die "Ablehnungsfront" links und rechts entlang der Strecke sollte ihr Verhalten so schnell als möglich überdenken. Zum ersten wird ihnen der Bahnanschluss mit Nebeneinrichtungen wie beispielsweise die Bahnsteige quasi geschenkt, zum zweiten gibt es dieses "Zubrot", mit dem nicht nur die Errichtung von Bahnübergängen (soweit sie in die Zuständigkeit der Gemeinden fallen) finanziert werden könnte, sondern auch das optische Umfeld der Behnhöfe bzw. Haltepunkte.
Jede Kommune, die hier nicht zugreift, gehört, so würde es der Volksmund sagen, mit dem Klammerbeutel gepudert.
der mit Sicherheit nicht ausbleiben wird, wenn man allerorten Gewerbegebiete aus dem Boden stampft, ohne eine vernünftige Verkehrsanbindung zu gewährleisten (s. auch Problematik Volkach/ Gaibach).
Wahrscheinlich hätte die CSU auch kein Problem damit, dass die Bundesregierung auch 2030 undundund wieder zugeben muss, dass Deutschland seine CO2-Einsparziele leider nicht erreichen wird. Naja, vielleicht hat sich ja bis dahin Markus Söder zum Bundeskanzler wählen lassen und sorgt für den Shutdown der öffentlichen Verwaltung, bis er die Mittel für einen Anti-Flüchtlings-Wall bewilligt bekommt (was dann wiederum als hervorragendes Argument passt, warum man die Eisenbahn weiter hinten runterfallen lassen kann, ja muss)...
(Vorsicht - schwarzer Humor)
Unter anderem kann ich Arnulf Kochs Argument, das Auto und der Straßenverkehr würden stetig umweltfreundlicher überhaupt nicht nachvollziehen. Schon mal vom Dieselskandal gehört, von der Feinstaub und Stickoxid-Problematik? Wie viele "naturverträgliche" Straßen würde die unterfränkische CSU denn noch so bauen wollen (autobahnähnliche B 286, B26n, …)?
Lieber Herr Rebnik,
scheinbar wissen Sie nicht, dass Feinstaub und Stickoxid nicht der Umwelt schaden.
Naja, kann schon mal passieren.
Machen Sie sich zukünftig erst Gedanken bevor Sie sich bei der Diskussion beteiligen.
Gruß
Stickoxide und Feinstaub sind sehr wohl umweltschädlich - erstere auch gerne bei Reaktion mit Wasser, wobei (z. B.) Salpeter- und salpetrige Säure rauskommen, und wenn einem das auf den Schleimhäuten in Richtung Lunge passiert, kommt das nicht so richtig gut.
Der Feinstaub wiederum setzt sich nicht nur beim Menschen, sondern auch bei Tieren in den Atemwegen fest und kann dort Entzündungen oder auf Umwegen noch heftigere Probleme bewirken.
Also wie Sie auf die Idee kommen, Stickoxide und Feinstaub würden keine Umweltgefahr bedeuten, kann ich nicht nachvollziehen. Vielleicht gucken Sie ja mal auf die einschlägigen Seiten vom Umweltbundesamt: https://www.umweltbundesamt.de/daten/luft/stickstoffdioxid-belastung#textpart-1 bzw. https://www.umweltbundesamt.de/daten/luft/feinstaub-belastung#textpart-5
Aber vielleicht ist ja auch der Laden schon linksgrün versifft bzw. verbreitet Fake News, gg...
Problematisch ist die Angelegenheit wegen der Entwidmung der letzten Kilometer bei Etwashausen. Eine Kurskorrektur hier anzustreben wäre wichtig. Vielleicht besinnen sich die Stadt Kitzingen und der Landkreis eines Besseren! In den Chefetagen des Automobilzulieferers Schaeffler in Herzogenaurach sollte man sich Gedanken machen, ob es doch nicht besser wäre, die Güter auf die Schiene zu bringen. Diese Frage sollte in erster Linie vor dem Hintergrund der Umweltverträglichkeit gesehen werden. Etwas öffentlicher Druck könnte da nicht verkehrt sein.