Der Stadtrat wird am kommenden Montag zwar nicht über das Wohl und Wehe der Bahnlinie Schweinfurt-Gerolzhofen-Kitzingen entscheiden, aber er könnte als erstes Kommunalparlament längs der Strecke ein Signal für die Reaktivierung der Strecke senden. Dazu liegt ein fraktionsübergreifender Antrag vor. Die Alternative wäre das Festhalten am Antrag auf Entwidmung (das heißt Freistellung von Bahnbetriebszwecken), der bereits bei der Regierung von Mittelfranken eingereicht wurde.
Motor für den Antrag auf Aufhebung des Stadtratsbeschlusses vom 13. Juni 2016 ist Thomas Vizl (Geo-net). Er hat sich bei der Stadt Weißenhorn im schwäbischen Landkreis Neu-Ulm erkundigt, welche Auswirkungen die Wiederinbetriebnahme der knapp zehn Kilometer langen Strecke Weißenhorn- Senden vor fünf Jahren gehabt hat. Die Kernstadt Weißenhorn hat knapp 9000 Einwohner, mit Eingemeindungen kommen rund 13 000 Einwohner zusammen, also vergleichbar mit Gerolzhofen und Verwaltungsgemeinschaft.
Parallelen zu Gerolzhofen
Der Weißenhorner Bürgermeister Wolfgang Fendt zeigt in seinem Antwortschreiben an Thomas Vizl Parallelen zur Entwicklung in Gerolzhofen. So habe es anfangs nur einige Bürger gegeben, die die Bahnstrecke im Bewusstsein der Menschen gehalten haben. Letztlich haben dann der Landkreis Neu-Ulm und die Stadtwerke Ulm die Reaktivierung angepackt. Die ursprünglich prognostizierten Fahrgastzahlen wurden von Anfang an überschritten. Fendt sagt auch, die Bahnlinie habe die Attraktivität seiner Stadt deutlich gesteigert und sei ein wichtiger Standortfaktor. Auch in Weißenhorn sei die Bevölkerung erst recht skeptisch gegenüber dem Verkehrsmittel Bahn gewesen. "Dieses Bild hat sich aber in der Zwischenzeit vollkommen geändert", schreibt der parteilose Bürgermeister an Vizl.
Die Stadt Weißenhorn hat für die Reaktivierung der Strecke kräftig investiert, indem sie einen neuen zentralen Busbahnhof baute (in Gerolzhofen wäre das nicht nötig, weil der Busbahnhof direkt an der Schiene liegt). Aus Weißenhorn können die Menschen jetzt in 20 Minuten das Zentrum von Ulm erreichen. Aus Gründen des Klimaschutzes würde Fendt eine Reaktivierung der Steigerwaldbahn empfehlen. Mangels Kenntnis der Rahmenbedingungen in Gerolzhofen möchte er aber keine weiteren Empfehlungen aussprechen. Für seine Stadt jedenfalls sei die Wiederbelebung des Schienenverkehrs ein "großer" Erfolg" gewesen.
Mehr Busse in kleinen Orten
Keimzelle der Reaktivierung sei der Ausbau eines Regio-S-Bahnnetzes um das Oberzentrum Ulm/Neu-Ulm gewesen, schreibt Herbert Richter, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Weißenhorner Stadtrat. Als Ersatz für die eingestellte Buslinie längs der Schiene konnte für die Ortsteile von Weißenhorn und weitere kleine Ortschaften ein Bus-Zubringerverkehr im Stundentakt eingerichtet werden.
Antwort bekam Vizl auch vom ÖDP-Fraktionsvorsitzenden Ulrich Hoffmann. Er ergänzt, dass sich auch die Wirtschaft für die Strecke eingesetzt habe. Dass die Stadt Weißenhorn mittlerweile die pro Kopf wirtschaftsstärkste Kommune im Landkreis Neu-Ulm geworden ist, führt Hoffmann auch auf die Reaktivierung der Bahnlinie zurück.
Der Weißenhorner Bernhard Jüstel hat die Geschichte der Wiederbelebung in einer Chronik zusammengefasst. Er berichtet darin auch über eine Bürgerinitiative gegen den Ausbau der Strecke, die aus Anliegern einer Wohnsiedlung an der Strecke bestand. Ihre Argumente: Die Reaktivierung sei Steuergeldverschwendung, die Züge seien zu laut und umweltschädigend wegen der Belastung durch Feinstaub.. Sogar die Pfarrkirche sei durch Erschütterungen gefährdet. Bei einem Erörterungstermin, den die Regierung von Schwaben einberief, wurde den Bedenkenträgern vermittelt, dass eine noch nicht entwidmete Bahn Bestandsrecht hat. Heute gebe es nur wenige Menschen, die sagen, sie hätten die reaktivierte Bahn noch nie genutzt.
Auto kostet "Zeit, Geld und Nerven"
Erstmals kommt auch eine Stimme aus der Stadt Schweinfurt, die davor warnt, die Chance auf eine Wiederbelebung der Steigerwaldbahn zu vertun. Florian Kohl, Inhaber des Revista-Verlags und Mitglied im Landes- und Bundesvorstand der Wirtschaftsjunioren, bedauert in einem Blog, dass ihm im Schweinfurter Land praktisch nur das Auto als Verkehrsmittel zur Verfügung steht. Das aber fresse viel Zeit, Geld und Nerven (Staus, Baustellen, Parkplatzsuche, Fixkosten fürs Auto).
Deswegen freue es ihn, dass der Landkreis Schweinfurt gerade ein Mobilitätskonzept erstellt, in dem der moderne Nahverkehr eine Rolle spielt. "Wenn ich mir dann aber die Diskussion um die Eisenbahnlinie Schweinfurt – Gerolzhofen anschaue, wird mir angst und bange", schreibt Kohl in einem Blog. Für ihn ist offensichtlich, dass der Freistaat Bayern bereit wäre, auf seine Kosten einen Zugverkehr nach Gerolzhofen einzurichten, stündlich zwischen 5 Uhr früh und 23 Uhr nachts. In diesem Fall müsste der Landkreis die stauanfällige Omnibusroute zwischen Schweinfurt und Gerolzhofen nicht mehr bedienen und könnte die frei werden Mittel für andere Linien einsetzen.
Kohl versteht nicht, warum sich die Gemeinden an der Strecke gegen eine Revitalisierung aussprechen, nur, weil angeblich die schon ewig bestehende, schmale Trasse die Ortsentwicklung störe. Den bestehenden Gutachten von anerkannten Experten, die ein hohes Fahrgastpotenzial ermittelt haben, glaube man nicht. Es sei zu hören, auch die Fachleute von der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG) kämen zu ähnlichen Ergebnissen wie die Gutachter, seien aber noch nicht offiziell angefragt worden. In München bestehe die Haltung: "Wir würden euch das Geld schon geben, ihr müsstet halt fragen."
Respekt vor Wozniak
Größe beweise der Gerolzhöfer Bürgermeister Thorsten Wozniak. Er habe bei genauer Betrachtung der Sachlage das hohe Potenzial für die Region erkannt und seine bisherige Anti-Bahn-Position überdacht. Er unterstütze nun die Revidierung eines bisher ablehnenden Stadtratsbeschlusses. "Man kann nur hoffen, dass er sich mit diesem vernünftigen Ansatz durchsetzt", schreibt Kohl abschließend.
Sollte es zu einer Entwidmung kommen, ist der Zug im wahrsten Sinn des Wortes "abgefahren". Es gibt kein Zurück mehr, auch wenn dies spätere Generationen revidieren wollten. Sieht man sich die CSU-Pläne an: der Bahnübergang Richtung Frankenwinheim soll mit einem Kreisel überbaut werden, der nur den einzigen Zweck hat, angrenzende Supermärkte und Parkplätze "leichter" erreichbar zu machen. Die Bahninfrastruktur wäre für immer sinnlos zerstört.
Der CSU-Antrag fordert heraus, noch andere Punkte anzusprechen:
1. Der Landrat und seine Fachleute, die sich der Neuordnung des ÖPNV annehmen, werden regelrecht düpert.
2. Dies gilt auch für den Gutachter Dr. Schliephage, der ein mehr als ausreichendes Fahrgastaufkommen prognostiziert.
3. Die IHK schließlich befürwortet deutlich die Reaktivierung.
4. Die Teilnehmer der Unterschriftenaktion im Jahr 2016 wurden an der Nase herumgeführt.
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