Derzeit werden auf dem Gelände des künftigen Norma-Logistikzentrums die großen Betonstützen für die Hallengebäude errichtet und die Wandelemente eingehängt. Ein Spötter aus Donnersdorf hat im Internet die Baustelle deshalb als "Gerolzhöfer Stonehenge" bezeichnet. Was als kleiner Gag gedacht war, hat aber durchaus etwas mit der Realität zu tun. Denn wie bei dem in der Jungsteinzeit errichteten und mindestens bis in die Bronzezeit genutzten Bauwerk in England hat auch das Norma-Areal eine uralte Vorgeschichte, die mehrere Tausend Jahre zurückreicht. Archäologen haben nun die Belege dafür ans Licht geholt.
Zu Beginn der vom Landesamt für Denkmalpflege angeordneten archäologischen Untersuchungen im September 2021, die jetzt ausgewertet sind, wurde auf dem Baugelände mit einem Bagger in mehreren Streifen der Mutterboden sauber abgezogen. In diesen Sondierungsgräben zeigten sich zahlreiche auffällige Bodenverfärbungen, wobei es aber auf dem ersten Blick nicht klar war, ob es sich hier nur um geologisch bedingte Verfärbungen handelt oder um die Reste menschlicher Bau- und Besiedelungstätigkeit. Dort, wo die Unregelmäßigkeiten im Erdreich auftraten, wurde in der Folge der Humus auf der kompletten Fläche abgetragen und das Team des Archäologie-Büros Oliver Specht aus Schwebheim begann mit einer wochenlangen akribischen Arbeit.
35 relevante Stellen
Insgesamt konnten auf dem Areal 35 archäologisch relevante Bodenverfärbungen erkannt und dokumentiert werden, teilt Oliver Specht auf Anfrage dieser Redaktion mit. Die Verfärbungen im Boden belegen eine menschliche Besiedelung des Gebiets in der Mittel- bis Spätbronzezeit, also um 1600 bis 800 vor Christus. Gefunden wurden die Pfostenreste von Gebäuden und die Reste von Gruben, die einst der Vorratshaltung dienten. Es dürfte sich laut Specht dabei um einen einzelnen Hof gehandelt haben, der den "seltenen Nachweis einer spätbronzezeitlichen Hausstelle" darstellt.
Die Menschen in der Bronzezeit errichteten ihre Wohn- und Vorratsgebäude aus Holz. Dazu wurden als Grundkonstruktion große Stämme in zuvor ausgehobenen Löchern senkrecht aufgestellt und mit großen Steinen verkeilt. Diese Pfosten trugen dann auch das Dach. Die Zwischenräume zwischen den einzelnen Pfosten wurden mit Flechtwerk geschlossen. Bis zum heutigen Tag kann man deshalb an den Stellen, wo früher die Gebäude standen, noch kreisrunde dunkle Bereiche im Erdreich erkennen, die von den verrotteten Resten der Holzsäulen stammen.
Der Grundriss wird rekonstruiert
Es kam aber auch vor, dass die Holzpfosten der Häuser und Scheunen damals wieder herausgezogen und mitgenommen wurden, wenn die Sippe weiterzog, um sie am nächsten Standort wiederzuverwenden. Zurück blieben in den Pfostenlöchern aber die großen Steine. In so einem Fall kann der Archäologe heutzutage zwar keine dunkle Ablagerung entdecken, aber die Stein-Ansammlungen weisen ihm doch den Weg. Aufgrund der Lage der Pfostenlöcher kann der Wissenschaftler dann auch den früheren Grundriss des Gebäudes konstruieren.
Neben den so rekonstruierten Gebäuden – Oliver Specht spricht von "Speicherbauten" – zeichneten sich im Erdboden auch die Umrisse von Gruben ab, die die Menschen in der Bronzezeit dort ausgehoben hatten. In manchen Gruben lagen noch die Reste von zerbrochenen Gefäßen. "Die bronzezeitlichen Scherbenfunde lagen in den Gruben direkt neben den Hausstellen und sind augenscheinlich diesen zuzurechnen", berichtet Specht. Die Gruben dienten damals der Bevorratung mit Getreide und Eicheln.
Mulden wurden aufgefüllt
Interessanterweise haben die Archäologen aus Schwebheim aber auch in einer natürlich entstandenen geologischen Mulde Scherbenfunde gemacht, die dem älteren Abschnitt der Eisenzeit – der sogenannten Hallstattzeit von 800 bis 500 vor Christus – zuzurechnen sind. Diese Funde sind also jünger als die Hinterlassenschaften aus der Spätbronzezeit. "Offensichtlich war die Verfüllung der natürlichen Depressionen in der Eisenzeit noch nicht abgeschlossen", erklärt Oliver Specht.
Gebäude der Jungsteinzeit
Der Bereich am nördlichen Stadtrand von Gerolzhofen war also bereits vor Jahrtausenden ein beliebter Siedlungsplatz. Nun hat man auf dem Norma-Gelände Nachweise aus der späten Bronzezeit (1600 bis 800 v. Chr.) und aus der Hallstattzeit (800 bis 500 v. Chr.) gefunden. Doch schon zuvor, zur Jungsteinzeit (1800 v. Chr.), lebten dort Menschen. Dies hat der damalige Gerolzhöfer Museumsleiter Hans Koppelt bereits im Jahr 1990 ermittelt, als er auf der Baustelle des neuen Betriebsgeländes der Firma Döpfner – nur einen Steinwurf weit vom heutigen Norma-Bauplatz entfernt – anhand von sechs Pfostenlöchern und Bodenfunden ein jungsteinzeitliches Gebäude nachweisen konnte.
Hinweise auf Neandertaler
Das Büro Specht hat bei seinen Untersuchungen auf dem Norma-Areal allerdings noch weitere Funde gemacht, die "lediglich als Einzelfunde ohne weiteren Befundzusammenhang" zu bewerten, aber deutlich älter sind. Es handelt sich um bearbeitete Steinreste, die von den Experten in das Mittelpaläolithikum aus der letzten Eiszeit (120.000 bis 12.000 v. Chr.) zugeordnet werden können. "Entsprechende Stücke, die sonst überwiegend nur in Höhlenfundstellen ausgegraben werden konnten, können dem Neandertaler zugerechnet werden", berichtet Oliver Specht.