
Eigentlich wäre Jennifer Rasch viel lieber als Sprinterin unterwegs und längst am Ziel. Doch aus verschiedenen Gründen hat sich ihr Vorhaben, in Gerolzhofen einen Naturkindergarten zu eröffnen, eher zu einem Ausdauer-Hindernislauf entwickelt. Lange hat es gedauert, bis ein geeigneter Platz für den Kindergarten in freier Natur gefunden war. Dann fehlten Erlaubnisse von Behörden. Akut hängt es vor allem am Personal, ob der Naturkindergarten öffnen kann, sagt Rasch.
Mitte Dezember 2023 ist sie noch davon ausgegangen, dass sie in Kürze, bestenfalls schon im Januar 2024, loslegen kann. Wenige Tage zuvor war der großzügig dimensionierte Bauwagen im Mahlholz bei Gerolzhofen aufgestellt worden, auf einer von der Stadt gepachteten Fläche. Doch dann verkomplizierte sich die Sache unerwarteterweise erneut, aus Gründen, über die sie öffentlich nicht sprechen möchte.
Zwei Erzieherinnen, die Rasch bereits gewonnen hatte, sind zwischenzeitlich wieder abgesprungen. Die sich eintrübenden Aussichten, wann der Naturkindergarten tatsächlich öffnen könnte, hatten sie bewogen, sich anderweitig beruflich zu binden. Rasch kann das gut nachvollziehen. Ihr wäre es auch tausendmal lieber, wenn sie sichere Aussagen zum Starttermin treffen könnte.
Personalsorgen trotz laufender Bewerbungen
Zwischenzeitlich hat sich eine Erzieherin beworben. Diese habe ihre jetzige Arbeitsstelle Ende Juni gekündigt und würde dann gerne im Naturkindergarten starten, berichtet Rasch. Weitere Stellenausschreibungen hat sie noch laufen. Denn mit einer Erzieherin allein kann sie ihren Kindergarten nicht eröffnen. Das ist klar.
Vorgeschrieben ist, dass mindestens die Hälfte der Betreuerinnen und Betreuer einer Kindergartengruppe Fachkräfte sein müssen, also etwa Erzieherinnen oder Pädagogen. Kinderpflegerinnen und -pfleger zählen nicht zu der geforderten Quote. Um die vorgesehene Regelgruppe mit 20 Kindern im Naturkindergarten zu führen, bräuchte es laut Rasch demzufolge zwei Erzieherinnen oder Erzieher und eine weitere Kraft, beispielsweise eine Kinderpflegerin.
Um die geplanten Öffnungszeiten von 7.30 bis 15 Uhr zu realisieren, müssten bei diesem Personalstand alle Angestellten bereit sein, Vollzeit, also 40 Stunden pro Woche zu arbeiten. Dass dies heutzutage längst keine Regel mehr ist – in Kindergärten wie in fast allen anderen Branchen – ist Rasch natürlich bekannt. Es macht ihre Suche nach Personal nicht leichter, wobei sie immer wieder Bewerbungen erhält, immerhin. Die Aussicht, in einem Naturkindergarten zu arbeiten, etwas abseits des Gewohnten, sorge dafür, dass sich Erzieherinnen, die ihren Berufsalltag ändern möchten, aktiv dafür interessierten, berichtet Rasch. "Das macht die Sache leichter."
Zuschüsse decken Betriebskosten nur zum Teil
Worüber sich Rasch keine Illusion macht, sind die Kosten, die sie zu stemmen hat. Das Personal wird ab dem ersten Tag des Kindergartenbetriebs zu Buche schlagen – in erheblicher Höhe, wie Rasch vorrechnet. Zur Veranschaulichung lässt sich folgende Beispielrechnung anführen: Auf Grundlage der Tarifentgelte des öffentlichen Dienstes erhalten Erzieherinnen mit einigen Jahren Berufserfahrung und entsprechender Einstufung annähernd 50.000 Euro brutto pro Jahr, Kinderpflegerinnen verdienen weniger. Grob gerechnet kommt man so auf etwa 130.000 Euro Gehalt fürs Personal des Naturkindergartens pro Jahr, ohne Lohnnebenkosten.
Betreiber eines Kindergartens erhalten Betriebszuschüsse. Laut Rasch richte sich die Förderung nach dem Alter und den Buchungszeiten. Den Zuschuss zahlen jeweils die zuständige Gemeinde und der Freistaat in gleicher Höhe. Wer für eine vereinfachte Beispielrechnung eine Regelgruppe mit 20 Kinder ab einem Alter von drei Jahren annimmt, kommt auf etwa 87.000 Euro Betriebskostenzuschuss im Jahr.
Jennifer Raschs Ziel ist die schwarze Null
Die Differenz zu den Lohn- und sonstigen Kosten eines Kindergartens muss über die Kindergartenbeiträge der Eltern ausgeglichen werden. Wer dann noch weiß, dass die Zuschüsse immer quartalsweise ausgezahlt werden, glaubt Rasch gerne, dass sie für ihren geplanten Naturkindergarten nicht nur zum Start einiges Geld vorstrecken muss, sondern dass sie auch für den laufenden Betrieb hofft, mit einer schwarzen Null herauszukommen. Geld werde sie damit kaum verdienen, sagt sie. Zumal der Betrieb anfangs mit nur sieben Kindern – und entsprechend weniger Zuschüssen – starten soll. Der Personalstand und die damit verbundenen Kosten würden aber von Beginn an 100 Prozent betragen.

Bisher hat Rasch eigenen Angaben nach bereits 40.000 Euro an privatem Vermögen in ihr Projekt investiert. Die Anschaffung des Bauwagens hat ihr zufolge die Stadt Gerolzhofen übernommen. Dessen Umbau und Ausstattung konnte sie dank eingegangener Spenden von circa 15.000 Euro zahlen, wobei allein Geli und Benno Trabert 10.000 Euro gegeben haben. Diesen ist Rasch ebenso dankbar wie ihrem Mann Reinhold Wilfling, der sie bei ihrem Herzensanliegen immer unterstützt hat.
Entscheidung bis spätestens September
Dennoch seien ihre Geldreserven jetzt erschöpft, genauso wie ihre Nerven. "Irgendwann kommst du an den Punkt, wo's nicht mehr weitergeht", sagt Rasch. Sie hat sich eine Deadline gesetzt: Spätestens bis September dieses Jahres muss feststehen, ob ihr Naturkindergarten in Betrieb gehen kann, oder nicht. Die Hängepartie müsse irgendwann enden.
Ein möglicher, jedoch für sie nur schwer vorstellbarer Schritt, um ihre Idee vom Naturkindergarten zu retten, wäre es, dass sie selbst als Erzieherin dort arbeitet. Dies würde für sie aber nur dann Sinn machen, wenn ihre Arbeitskraft auch ausreicht, um die Personallücke zu schließen. Und es hätte die Konsequenz, dass Rasch ihre Arbeit als Tagesmutter einstellen müsste. Dies möchte die 36-Jährige vermeiden, auch deshalb, weil sie ihre Plätze für Tageskinder unbedingt erhalten möchte. Solche werden in Gerolzhofen ebenso dringend benötigt wie Betreuungsplätze in Kindergärten.