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Schweinfurt
Naturhühner-Projekt: Wer Pate werden will, muss warten
115 kleine Hühnchen und Hähnchen sind inzwischen geschlüpft. Wie geht es dem Projekt "Solidarische Naturhühner", und warum steht demnächst ein Umzug an? Ein Besuch vor Ort.
Aufzucht, Haltung und Nutzung von Hühnern in ursprünglicher Form erlebbar machen, das ist Markus Löffler-Willner wichtig. Der Landwirt und Gärtner hat zur Zeit weit mehr als 100 Kükenzu beaufsichtigen. Sie wachsen in einem Gewächshaus in Sennfeld auf. Dieses hier ist schon im Alter von zwei Wochen recht 'flugtauglich' und flattert neugierig auf den Rand der Behausung.
Foto: Helmut Glauch | Aufzucht, Haltung und Nutzung von Hühnern in ursprünglicher Form erlebbar machen, das ist Markus Löffler-Willner wichtig. Der Landwirt und Gärtner hat zur Zeit weit mehr als 100 Kükenzu beaufsichtigen.
Helmut Glauch
Helmut Glauch
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:16 Uhr

In einem Kindergarten ist immer was los, besonders wenn es sich wie in diesem Fall um 115 kleine Hühnchen und Hähnchen handelt. "Halbstarke" nennt Markus Löffler-Willner seine Rasselbande, die in ihrer, einem riesigen Hochbeet nicht unähnlichen Behausung, von einer Ecke in die andere jagt und dabei ein fröhliches und lautstarkes "Tschilp-Konzert" veranstaltet. Diese erste Wohnstatt für den fidelen Federvieh-Nachwuchs nimmt beinahe die ganze Breite eines Gewächshauses in der Sennfelder Mollengasse ein.       

Da ist es schön warm, die Hühner sind geschützt und haben Licht, ideal für die ersten Lebenswochen der Küken, die schon im Herbst die ersten Eier für Löffler-Willners Projekt "SoNahu" (Solidarisches Naturhuhn) legen sollen. Der gelernte Landwirt und Gärtner hat sich zum Ziel gesetzt die Hühnerhaltung ein Stück zurück zu den Ursprüngen zu führen. Ähnlich wie man bei der Schweinfurter "Solawi" (Solidarische Landwirtschaft), Anteilnehmer für vor allem Gemüse werden kann, erhalten die Hühnerpaten gemäß ihres erworbenen Anteils jede Woche eine bestimmte Anzahl Eier.         

Ans Eierlegen verschwenden die gut zwei Wochen alten etwa 115 Küken im Moment noch keine Gedanken. Ihnen ist wichtiger, an herabhängenden Brennnessel-Löwenzahn-Büscheln zu knabbern oder im Sandbad zu picken. Erste spielerische "Hahnenkämpfe" gehören auch zum Programm im Kinderzimmer, der Begriff "Hackordnung" kommt eben nicht von ungefähr. Die Bande will beschäftigt werden. Dafür sorgt Markus Löffler-Willner mit Hingabe, der mindestens dreimal am Tag nach den Küken schaut.

Sehr zufrieden ist er mit dem, was seinen Brutapparaten im wahrsten Sinn des Wortes entschlüpft ist. 210 Eier gingen darin an den Start "153 waren befruchtet, 120 Küken sind geschlüpft, nur fünf davon haben die ersten Tage nicht überlebt", so Löffler-Willner. Das sei, bis auf die Befruchtungsquote, ein sehr guter Schnitt. Es sei völlig normal, dass bei Küken eine gewisse Sterblichkeit eingerechnet werden müsse, weil zum Beispiel etwas mit dem Dottersack nicht stimmt.

So ein flauschiges Federbündel einmal vorsichtig in die Hände nehmen zu dürfen, macht vor allem den Kindern der 'Hühnerpaten' Spaß. Carlotta und Patrice halten hier Hühnerkinder in den Händen, die gerade mal einen Tag alt sind.
Foto: Helmut Glauch | So ein flauschiges Federbündel einmal vorsichtig in die Hände nehmen zu dürfen, macht vor allem den Kindern der "Hühnerpaten" Spaß.

Das Problem, dass nur etwa 75 Prozent der Eier befruchtet waren, erklärt Markus Löffler-Willner mit der Vogelgrippe. Die meisten Eier, die in den Brutapparat wanderten, kommen von Hühnern der Rassen "Coffee" und "Cream", einer Zweinutzungs-Hühnerart, die von der gemeinnützigen Organisation "Ökologische Tierzucht" relativ neu für ökologische Betriebe auf den Markt gebracht wurde. Robuste und natürliche Hühner, die dennoch für ordentliche Legeleistung und gute Fleischausbeute stehen.

Stallpflicht purer Stress für die Hühner 

Doch der Stress, unter dem Hühner aller Rassen in den vergangenen Monaten wegen der Vogelgrippe und der damit verbundenen Einstallung standen, hat sich vor allem bei "Cream" in Form gesunkener Befruchtungsraten bemerkbar gemacht. Dass neben  "Coffee" und "Cream" auch eine Schar quirliger schwarzer Küken dabei ist, liegt an den Eiern, die Markus Löffler-Willner von Benedikt Böhm aus Niederwerrn bekommen hat, der die Rasse "Vorwerk" hält, die so nun auch ins Hühnerpatenschafts-Angebot einfließt. Eine willkommene Bereicherung, nicht nur für die Farbpalette im Küken-Kindergarten. 

Egal ob 'Cream' oder 'Coffee', alle brauchen Wasser. An der Geflügeltränke findet hier, ganz ohne Abstand, ein großes Küken-Gelage statt.
Foto: Helmut Glauch | Egal ob "Cream" oder "Coffee", alle brauchen Wasser. An der Geflügeltränke findet hier, ganz ohne Abstand, ein großes Küken-Gelage statt.

Und wie haben sich die Patenschaften entwickelt? Während vor gut drei Monaten zum Auftakt des Projekts, als Markus Löffler-Willner mit einem Hahn und einem halben Dutzend Hennen startete, noch "Hühnerpaten gesucht" wurden, ist nun alles voll. "70 Patenschaften sind abgeschlossen, es gibt eine Warteliste", so Löffler-Willner. Ein zweiter Schwung Küken verlässt gerade den Brutapparat. "Ab dem 160. Küken können dann wieder Patenschaften vergeben werden".

Patenschaften, die übrigens je nach Gusto der Paten auch auch über das Ende der Legeleistung hinaus aufrecht erhalten werden können. Das Schicksal als Suppenhuhn ist abwendbar, wenn der oder die Patin sich dafür entscheidet, seinem liebgewordenen Federvieh ein Dasein als Gnadenhuhn zu ermöglichen. 

Im Küken-Kindergarten ist immer was los. Dieses Trio scheint sich gerade über die künftige Hackordnung zu 'unterhalten'.
Foto: Helmut Glauch | Im Küken-Kindergarten ist immer was los. Dieses Trio scheint sich gerade über die künftige Hackordnung zu "unterhalten".

Wobei die Frage "was wird Henne, was wird Gockel?", sich erst in einem etwas späteren Entwicklungsstadium definitiv beantworten lässt. "Bei 160 Küken bin ich mir sicher, dass es 70 Hennen werden", schätzt er, denn schließlich sollen bei allen Patinnen und Paten auch Eier im Korb landen. Im Gegensatz zur konventionell/industriellen Hühnerzucht, werden beim SoNahu-Projekt auch die Hähnchen großgezogen und irgendwann als ökologisch erzeugtes Brathähnchen genutzt. Und das sind dann tatsächlich Hähnchen, denn fast immer sind die in den Geschäften angebotenen Hähnchen in Wirklichkeit Hühnchen.

Vogelgrippe und Stallpflicht haben den Zeitplan kaum durcheinander gebracht

Die inzwischen wieder aufgehobene Stallpflicht wegen der Vogelgrippe hat den Zeitplan kaum durcheinandergebracht. Markus Löffler-Willner hat allerdings die Zeit genutzt, um vorsorglich zwei Ställe zu bauen, in die er die Hühner sperren könnte, falls wieder die Vogelgrippe auftritt und Stallpflicht ist. Auch ohne Vogelgrippe werden die Ställe gute Dienste leisten, denn "so klein, sind sie auf der Wiese nur besseres Raubvogelfutter".

So nach den Pfingstferien schätzt Markus Löffler-Willner, ziehen die jungen Hühner auf eine Obstbaumwiese in Schonungen um und werden Teil eines bereits bestehenden Landschaftspflegeprojekts. Die Wiese teilen sich dann im Wechsel mit Schafen. Ökologisch ergänzen sie sich: So fressen die Hühner die Parasiten, die die Schafe hinterlassen, was für Hühner eine natürliche Eiweißquelle ist.   

Der Umzug auf die Wiese ist nicht nur für das Federvieh eine spannende Sache, sondern auch für "Hühnervater" Markus Löffler-Willner. "Ich denke ich werde dort mal eins, zwei Tage Zelten, um zu schauen, dass alles gut läuft". Über das erfolgreich angelaufene Hühnerpaten-Projekt hinaus hat er schon wieder eine neue Idee, will künftig nicht nur Hühner, sondern auch Puten großziehen. Einerseits um des Fleisches Willen, vor allem aber auch, um "ein große Tiere mit im Gehege zu haben, die die Greifvögel abschrecken". Entschieden hat er sich für Puten der Rasse "Robust", die knapp zehn Kilogramm schwer werden. Da dürfte der Name schon Programm sein, wenn ein Greifvogel sich in den Hühnerstall verirrt. 

Wer kennt ihn noch, den alten Schlager 'Komm auf die Schaukel Luise'?  Dieses Küken scheint ihn schon einmal gehört zu haben und nutzt eine der Beschäftigungsmöglichkeiten, die Markus Löffler-Willner für seine 'Bande' bereithält.
Foto: Helmut Glauch | Wer kennt ihn noch, den alten Schlager "Komm auf die Schaukel Luise"?  Dieses Küken scheint ihn schon einmal gehört zu haben und nutzt eine der Beschäftigungsmöglichkeiten, die Markus Löffler-Willner für seine ...

Die Hühnerhaltung in ihren Ursprüngen erleben, den Kindern  zeigen, wo eigentlich die Eier herkommen. Dieser pädagogische Nebeneffekt kommt beim SoNahu-Projekt von Markus Löffler-Willner auch nicht zu kurz. Immer wieder kommen Hühnerpaten, ja ganze Familien vorbei, beobachten das Gewimmel im Gehege, dürfen auch mal so ein flauschiges Bündel in die Hand nehmen.

"Als die Küken geschlüpft sind, war es fast schon eine logistische Herausforderung dafür zu sorgen, dass jeder, der möchte, mal gucken kann", freut sich Löffler-Willner. "Mal sehen wie sich alles entwickelt, vielleicht klappt es nach dem Umzug noch mit einem Hühner-Wiesenfest."  

Das Anmeldeformular findet sich auf der Homepage www.sonahu.de. Interessenten, die bereits Mitglied der Solidarischen Landwirtschaft sind, werden über ihre gewohnten Depotgemeinschaften mit den Eiern versorgt.

 
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