Hahn Caruso schaut skeptisch und wirft sich in Pose. Wer ist der fremde Mann mit dem schwarzen Kästlein vor den Augen, das manchmal "Klick" macht? Das er gerade fotografiert wird, weiß er wohl nicht, dennoch gackert er seine fünf Hennen herbei. Die "Damen" sind zutraulich oder neugierig oder beides und stolzieren vor der Kamera wie auf dem Laufsteg, während sich Caruso als "Hahn im Korb" eher im Hintergrund hält. Wahrscheinlich hat das auch damit zu tun, dass sich zwischenzeitlich Markus Löffler-Willner dazugesellt hat. Den kennen sie schon, der bringt das Futter und öffnet die Stalltür.
Caruso und seine noch überschaubare Hühnerschar sind Teil eines Pilotprojekts des gelernten Landwirts und Gärtners Markus Löffler-Willner, das in den kommenden Monaten groß und größer werden könnte. Er hat sich vorgenommen, die Hühnerhaltung so naturnah wie möglich zu betreiben und dabei dennoch den Mehrwert, Fleisch und Eier, den der Mensch aus der Hühnerhaltung zieht, nicht aus den Augen zu verlieren. Das tut er nicht nur für sich, sondern perspektivisch auch für ökologisch bewusste Menschen, die das Konsumgut Ei nicht gerne in der Schmuddelecke von Käfighaltung und Tierausbeutung sehen wollen.
Im ersten Jahr lernen und Erfahrungen sammeln
"2020 war für mich die Zeit des Lernens und Sammelns an Erfahrung", so Löffler-Willner, der befruchtete Hühnereier mit einem Brutapparat selber ausgebrütet hat, also sozusagen schon beim Schlüpfen seiner Hühnerschar (neun Hähne und fünf Hennen) dabei war. Seit sie der Kinderstube entwachsen sind, scharren und kratzen sie sich in einem gut 1000 Quadratmeter großen naturnahen Privatgarten im Schweinfurter Höllental mit schier unendlich viel Platz durchs Leben. Die überzähligen Hähnchen sind bis auf Caruso inzwischen mit der Vorsilbe "Brat" in die Geschichte eingegangen.
Ganz nach dem erfolgreichen Rezept der Solidarischen Landwirtschaft (SoLaWi), bei der man als Mitglied Ernteteil-Nehmer werden kann, was bedeutet, dass man jede Woche anteilsmäßig einen Gemüsekorb bekommt, in dem sich findet, was gerade auf dem SoLaWi-Gelände in Bergrheinfeld gewachsen ist, will er sein Projekt "SoNaHu" (Solidarisches Naturhuhn) an den Start bringen. Vereinfacht heißt dies: Die Hühnerpaten finanzieren die Haltung, die gesammelten Eier der "glücklichen Hennen" werden geteilt.
Gut ein Dutzend Anmeldungen hat er schon für seine Hühner-Patenschaften, in deren Rahmen auch die Hähne ein schönes Leben haben sollen – zumindest bis sie reif für ein finales Dasein als Brathähnchen sind. Anders als in der industriellen Hühnerzucht, in der männliche Küken meist sofort nach dem Schlüpfen getötet werden, sieht seine naturnahe Hühnerhaltung vor, auch die Gockel aufzuziehen. All dies passiert ab diesem Jahr nicht mehr in dem Privatgarten im Höllental, sondern auf einer Obstwiese im Rahmen eines bestehenden Landschaftspflegeprojekts in Schonungen. Dort weiden schon die Schafe von Fritz Schumm. Zweibeiner und Vierbeiner werden im Wechsel die Flächen nutzen und ökologisch voneinander profitieren, ist sich Markus Löffler-Willner sicher. Das sei gesund für den Boden, sorge für Flächendüngung, verringere den Schädlingsdruck und fördere den Humusaufbau.
"Ökologisch gesehen ist es eine ganz tolle Situation, wenn man Hühner und Wiederkäuer abwechselnd auf einer Wiese hat." Der Wiederkäuer frisst das Gras, die Hühner kommen vier Tage später dahin und fressen die Parasiten, die die Wiederkäuer dort hinterlassen haben, was für die Hühner eine gesunde Eiweißquelle ist. Kommt das Schaf etwa einen Monat später wieder dorthin, sind viel weniger Schädlinge zu finden, die es ärgern und quälen würden. Sozusagen eine echte Win-Win-Situation.
Wie das Zweinutzungshuhn seinem Namen alle Ehre macht
Um das Gelände so gut wie möglich nutzen und der Hühnerschar alle paar Tage wechselnde Flächen mit frischen Gräsern, Kräutern und Insekten bieten zu können, hat Löffler-Willner bereits die Pläne für einen mobilen Hühnerstall in der Schublade. Entschieden hat er sich für eine spezielle, neu entwickelte Rasse, das Zweinutzungshuhn. Dafür wurden die zwei bestehenden Hühnerrassen Coffee und Cream von der gemeinnützigen GmbH "Ökologische Tierzucht" zusammengeführt. Dabei handelt es sich nicht um Hybriden, sondern um robuste Hühner, die in zweifacher Hinsicht – ordentliche Eierleistung und Fleisch – genutzt werden, und die auch selber gut weitergezüchtet werden können.
Zur Idee der naturnahen und wesensgerechten Hühnerhaltung gehören nicht nur Auslauf und frische Luft, sondern auch die Zufütterung mit biologisch angebautem Futter. Mindestens genauso wichtig ist Löffler-Willner, ein Stück weit wegzukommen vom "Höher, Schneller,Weiter", das industrielle Lebensmittelproduktion zunehmend präge. Er will Bewusstsein und Bezug zu einem Lebensmittel schaffen. Die Hühnerpaten – gerne auch Familien mit Kindern – können jederzeit zu Besuch kommen und erleben, wie ihre Küken schlüpfen und erste Schritte auf der Wiese machen. Wer selbst Hühner versorgen will, erhält fachliche Anleitung. Geplant ist ein Picknickplatz am Hühnermobil. Natürlich werden die Paten regelmäßig mit Neuigkeiten versorgt, was ihre Hühner betrifft.
Wer Hühnerpate werden will, kann sich noch bis Ende Februar melden. Anfang März will Markus Löffler-Willner dann entscheiden, ob genug Interessenten da sind, die das Projekt mittragen. Wenn ja, dann sieht der Plan für 2021 folgendermaßen aus: Im April wird die Brutmaschine im Anzuchts-Gewächshaus der SoLaWi bestückt. Die Küken schlüpfen dann im Mai. Nach einigen Wochen kommen sie nach Schonungen auf die Streuobstwiese und in ihren mobilen Stall, September bis Oktober liegen die ersten Eier im Nest. "Drei Eier pro Pate" ist die Zielgröße, 35 Patinnen und Paten sollen für die erste SoNaHu-Saison mindestens zusammenkommen, was gut 100 zu bebrütende und zugekaufte Eier bedeutet. In der Saison 2022 würden dann schon eigene Eier für die Zucht genutzt.
Gnadenhuhn – so wird das Ende als Suppenhuhn vermieden
Paten, denen ihre Hühner so ans Herz wachsen, dass ihnen das Suppenhuhn, das nach Ende der Legeperiode daraus wird, garantiert nicht schmecken würde, können sich trösten. Markus Löffler-Willner: "Am Ende entscheiden die Paten, ob das Huhn in Gnadenhaltung bis zum natürlichen Ableben betreut wird oder als Suppenhuhn im Topf landet." Da könnten leicht Freundschaften fürs Leben entstehen, denn so ein Huhn kann gerne zehn Jahre und älter werden. Hahn Caruso und seine Damen hätten sicher auch nichts einzuwenden gegen so ein langes und glückliches Hühnerleben.
Hinweis: Das Anmeldeformular findet sich auf der Homepage www.sonahu.de. Einmalig werden zum 1. April für das Ausbrüten und die Aufzucht von Hahn und Henne 60 Euro fällig. Die Patenschaft für eine Henne kostet ab Oktober monatlich 14 Euro. Interessenten, die bereits Mitglied der Solidarischen Landwirtschaft sind, werden über ihre gewohnten Depotgemeinschaften mit den Eiern versorgt.
Wahrscheinlicher ist aber, dass die Hühnerpaten mit dem SUV vorfahren.
Ist da die Voliere groß genug?
(Sind sehr selten geworden)
Es ist unfair, in Ihrem Bericht die seit 10 Jahren verbotene Käfighaltung zu erwähnen.
andererseit auch richtig, da die EU immer noch Milliarden Eier aus Käfighaltung in der Ukraine importiert.
Ich frage mich allerdings auf Grund der derzeitigen Witterung, was machen diese Hühner bei 20 Minus und 20 cm Schnee?
Frierend in einen Schuppen eingepfercht statt grüner Wiese ?