
Ist das noch Kunst? „Wurfmaterial“ nennt sich die Installation des Trios Valborg, Jaap & Sidonis, in der Kunsthalle, aus Zucker, Aromen, Papier. Streng genommen ist es nur ein Haufen Bonbons, der bei der „Nacht der Kunst“ in der Ecke des einstigen Sachs-Bads liegt. Wäre es Kunstzerstörung, da mal hinein zu greifen?
Es geht an diesem Sommerabend ums Auswickeln kleiner wie großer Kultur-Naschereien. Ein Jahr lang entwickelt wurde das Programm durch SchülerInnen des P-Seminars Kunst am Celtisgymnasium.
Dankeschön für Friederike Kotouc
Über acht Jahre hinweg hat Friederike Kotouc dieses Projekt begleitet, für den MuseumsService (MuSe) der Stadt: Demnächst geht die buchstäblich ausgezeichnete Museumspädagogin in den Ruhestand. Mit „MuSe“ soll der nächsten Generation die Welt der Kunst nahegebracht werden. Die ist, laut Zitat von Karl Valentin auf dem Programmflyer, zwar schön, macht aber viel Arbeit.
Ein herzliches Dankeschön für die Arbeit der Kunstvermittlerin kommt von den Oberstuflern und Lehrern, Johannes Hock und Daniela Hübner. „Wir hatten das Glück, dass das Celtisgymnasium nur einen Katzensprung von der Kunsthalle enfernt liegt“, sagt Daniela Hübner. Die vielschichtigen Aktionen am außerschulischen Lernort waren auch Nebeneffekt der von G9 auf G8 komprimierten Schulzeit, damals 2010.
Hunderte Kunstfreunde schauen vorbei, zu den Rhythmen der Schülerband zwischen den RaumZuständen der Triennale, versorgt durch den AK Food des Celtis, inklusive Kinderbetreuung.
Wie Zugang finden etwa zum knallbunten Werk eines Hartwig Ebersbach, aus dick verteilter Farbe, genannt „Haruspex“, der Eingeweidenschauer? „Der 6. Sinn“ nennt sich die Führung von Dorothea, Annika und Luisa, in die alle fünf Sinne mit einbezogen sind. „Kunst soll den Zustand der Welt erklären“ sagen die Schülerinnen, wie einst der Blick eines römischen Sehers in die Tierleber.
Zugang finden mit Kaubonbons
Was am besten per Interaktion geht, in diesem Fall mit Hilfe von Kaubonbons. Ein Stillleben von Franz Frank, voller Glasgefäße, duftet nach Gräsern, Lavendel, Minze, Schnittlauch, dank Geruchsproben. An den „Ausdruck in der Skulptur“ tasten sich die Besucher bei der Führung von Luisa, Emily und Lea heran. „Liegende mit angezogenen Beinen“ nennt sich die Kalkstein-Kreation von Bernhard Graf Bylandt-Rheydt (von 1964), dazu gilt es den richtigen Stein zu finden. Auch ein Quiz wird ausgefüllt.
Verschollene Malerinnen
Auf die Suche nach „Verschollenen Malerinnen“ begeben sich Sevval, Pauline und Felix. Es geht um Künstlerinnen aus der unruhigen ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts, die oft schon vom Ehemann ihren Stil verboten bekamen, von den Nazis erst recht. Manch Werk verbrannte im Bombenkrieg. Drastisch war der Fall von Käthe Loewenthal. Die Berlinerin büßte ihr Jüdischsein, die Liebe zu einer Frau und „entarteter Kunst“ mit Malverbot und Tod im polnischen Ghetto Izbica, 1942.
Die Gäste dürfen malerisch raten, wie die Verfemte einen nächtlichen Bergweg am See gemalt hat: Ahnungsvoll dunkel. Düster wie der Abgrund deutscher Geschichte ist auch die Stimmung einer „Wortmusikalischen Führung in Schwarz“, von Paul, Marco und Thomas. Am Ende verarbeiten die Teilnehmer ihre Eindrücke als Leporello, im Atelier, zu Mozarts Requiem: Auf den Faltbildern scheint im Weltkriegsdunkel schon ein Silberstreif auf, dank Alufolie.
Bleibt die Frage „Ist das noch Kunst?“ , der sich Sarah, Victor und Johannes widmen, angesichts arrangierter Staubsauger oder Steinblöcke. „Alles ist Kunst“ ahnte Beuys. Selbst Scherz-Kunst wie die Bonbons in der Ecke„, die von den Celtisschülern angehäuft wurden: Nicht als Wurfmaterial, sondern zum Mitnehmen und Genießen.



