Mit der Sammlung Joseph Hierling zum Expressiven Realismus hat die Kunsthalle Schweinfurt in dieser Dichte ein Alleinstellungsmerkmal in der deutschen Kunstszene. Wenn aus dieser Sammlung heraus die Ausstellung „Verschollene Malerinnen?“ entsteht, fällt zunächst auf, dass Frauen als Malerinnen in der Dauerausstellung im Parterre des Hauses kaum in Erscheinung treten. Das erstaunt schon deshalb, weil die jetzt direkt in ihrem Anschluss gezeigten 55 Arbeiten von 25 Malerinnen aus dem Hierlingschen Bestand von großer Qualität sind. Wie die Dauerausstellung ist sie gegliedert in die Gattungen Stillleben, Landschaft und Menschenbild.
Präsentiert werden Malerinnen, die zwischen 1876 und 1916 geboren wurden und deren Schaffen durch Krieg und gesellschaftliche Veränderungen ganz entscheidend geprägt wurden.
Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Frauen der Zugang zu den Kunstakademien verwehrt. Käthe Kollwitz und Paula Modersohn-Becker haben – wie die in der Ausstellung vertretenen Annot-Jacobi, Jenny de Bloot, Olga Bontjes van Beek oder Grete Csaki-Copony – private Malateliers besucht.
Geborene Dilettantinnen
Als die älteste der hier gezeigten Malerinnen, Paula Wimmer, geboren wurde, galt noch der Satz Schopenhauers, „dass das Weib weder zu großen geistigen noch körperlichen Arbeiten bestimmt ist“. Der Kritiker Karl Scheffler nannte Frauen in seinem 1908 erschienen Buch „Die Frau und die Kunst“ geborene Dilettantinnen. Einer Eva-Josefa Kestermann wurde das Malen noch vom Ehemann verboten.
Mit der Weimarer Verfassung, die erstmals die Gleichberechtigung garantierte, setzte eine Blütezeit ein. Csaki-Copony oder Annot-Jacobi fanden große Anerkennung für ihre Porträts.
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten war dies vorbei. Frauen wurde wieder die dienende Rolle der Hausfrau und Mutter zugeschrieben. Ihre Arbeiten verschwanden aus der Öffentlichkeit. Viele emigrierten. Annot-Jacobi nach New York, Csaki-Copony nach Griechenland. Im Krieg gingen viele Arbeiten verloren, fielen den Bomben zum Opfer.
Verpönte Gegenständlichkeit
Nach dem Krieg ging die Entwicklung in Deutschland auseinander. Im Westen war das gegenständliche Arbeiten verpönt, wurde von den USA systematisch hintertrieben, wie Ingrid von der Dollen im Katalog beschreibt. Im Osten dominierte der sozialistische Realismus. Lea Grundig – von ihr ist eine Arbeit von 1931 zu sehen – kehrte aus Palästina nach Dresden zurück und wurde zu seiner bedeutenden Repräsentantin, während Vera Kopetz sich auf Usedom zurückzog. Von ihr wird das „Stillleben mit Saxophon“ von 1973 gezeigt.
Mit der einsetzenden Emanzipationswelle in den 1970er-Jahren wuchs das Interesse an weiblichem Kunstschaffen.
Nachkriegsarbeiten dominieren
Von den meisten der „Verschollenen Malerinnen“ ist nur das Nachkriegswerk erhalten. Ihre Arbeiten nehmen eine Vielzahl unterschiedlichster Darstellungsformen auf. Geprägt wurden sie oft von großen Vorbildern. Annot-Jacobi, die Nichte Adolph von Menzels, und Ulli Makrun haben bei Lovis Corinth gelernt, Paula Wimmer war mit Franz von Stuck befreundet, Käthe Loewenthal hat bei Ferdinand Hodler studiert.
Wie Kuratorin Katharina Christ betont, möchte es die Ausstellung nicht mit der Beschäftigung mit der Vergangenheit belassen, sondern eine Diskussion, gerade auch unter Künstlerinnen, über das heutige Frauenbild anstoßen. Bürgermeisterin Sorya Lippert griff dies mit dem Hinweis auf andere Kulturkreise auf. Zur Eröffnung spielte ein Flötistinnen-Quartett der Musikschule Werke von Friedgund Götsche-Niessner und Cécile Chaminade.
Rahmenprogramm
Die Ausstellung ist bis zum 2. September zu sehen. Am Samstag, 5. Mai, gibt es um 15 Uhr eine Kuratoren- und Sammlerführung mit Katharina Christ und Joseph Hierling. Am 9. Juni findet von 10.30 bis 13.30 Uhr ein Workshop it Anne Hess statt. In der Museumsnacht am 6. Juli von 18 bis 22 Uhr ist eine Kreativführung geplant.
Der Katalog kostet 19,50 Euro.