Die Rhythmen reißen mit, die Trommeln verleiten zum Mitwippen, die Energie der Bateria Caliente aus Hofheim lässt niemanden unberührt, man muss klatschen, man muss lächeln. Mit einem Paukenschlag wurde die Nacht der Kultur im Miniformat des KulturPackts auf dem Marktplatz in Schweinfurt eröffnet. Den 100 Besuchern auf ihren zugewiesenen Plätzen war anzumerken, wie sehr sie sich nach Kunst und Kultur in diesem zehrenden Corona-Jahr gesehnt haben.
Nicht nur das Team des KulturPackts um den Sprecher Ingo Schäfer und Geschäftsführer Gerald Günther strahlte und war hernach erleichtert, dass man alle Hygienevorschriften erfüllte und bis auf ein paar lässliche Kleinigkeiten alles funktionierte. Auch ein sichtlich gut gelaunter Kulturamtsleiter Christian Federolf-Kreppel war froh über die Veranstaltung und brachte es auf den Punkt: "Hut ab vor dem KulturPackt."
Federolf-Kreppel, bekanntlich auch Theaterleiter, weiß selbst, wie sehr die Kulturszene unter den notwendigen Auflagen zur Eindämmung der Corona-Pandemie leidet. Sein Haus öffnet Ende September zur neuen Theatersaison wieder mit maximal 200 Plätzen pro Vorstellung. Am Abend der Nacht der Kultur wäre im Übrigen das erste Konzert des Nachsommers in diesem Jahr gewesen, der ersatzlos ausfallen musste. Ein fragiles Gebilde also sind Kultur-Veranstaltungen im Moment.
Aber die Nacht der Kultur zeigte, was man schon lange weiß: "Publikum und Künstler brauchen die Kultur", so Federolf-Kreppel. Die große Nachfrage der Menschen nicht nur bei ihm im Theater, sondern auch zum Beispiel für Veranstaltungen der Disharmonie in der Stadthalle macht ihm Hoffnung, "dass es weiter geht und wieder besser wird."
Der KulturPackt-Sprecher zitierte den großen Schweinfurter Dichter Friedrich Rückert, vor dessen Denkmal auf dem Marktplatz und in dessen Geburtshaus am Beginn der Rückertstraße Auftritte stattfanden: "Ich bin der Welt abhanden gekommen, Mit der ich sonst viele Zeit verdorben, Sie hat so lange nichts von mir vernommen, Sie mag wohl glauben, ich sei gestorben."
Eines versicherte Schäfer: "Wir", bezog er sich auf den KulturPackt und die Schweinfurter Kulturszene, "sind der Welt nicht abhanden gekommen. Wir setzen uns weiter für die kulturelle Bereicherung der Stadt ein."
Gelungen ist das dem KulturPackt, mit einer vielleicht ein bisschen zu unterschiedlichen Mischung ganz verschiedener Künstlerinnen und Künstler, die aber dennoch dem üblichen Anspruch der Nacht der Kultur vollauf genügten, die ganze Bandbreite künstlerischen Schaffens von der Lyrik über den Tanz bis zur Musik abzudecken.
Für die Besucher galt's immer wieder die Hälse zu recken und sich umzudrehen – am Rückert-Denkmal traten evangelischer Posaunenchor sowie Petra Eisend und Mad Bob als Duo auf, im ersten Stock der Buchhandlung Collibri spielten die Saxofonisten Fritz Wenzel und Vladimir Strecker. Auf dem Rathaus-Balkon war der Akkordeonspieler Timo Wirth zu hören, aus dem ersten Stock des Rückert-Hauses deklamierten Anika Peter und Peter Hub.
Voller Symbolik in mehrfacher Hinsicht war der Auftritt der Bauchtänzerin Moona. Sie wurde in einem Hubwagen gen nächtlichen Himmel gehoben, im abgesicherten Korb mit Gittern außen herum tanzte sie – als Sinnbild der seit März eingesperrten Kulturszene über dem Marktplatz schwebend, sich allein gelassen fühlend mit den eigenen Existenzsorgen und der Perspektivlosigkeit und doch so voller Kreativität und Hoffnung im Tanz. Ein nicht nur wegen des wackeligen Korbes in Erinnerung bleibender Auftritt.
Genauso wie auf dem Marktplatz selbst, wo sich die Menschen rund um die Veranstaltung in den Kneipen, Cafés und Restaurants an dem Angebot erfreuten, es dort aber auch keine bedenklich große Menschenansammlungen gab.
Dafür Szenen zum Schmunzeln. Während Timo Wirth auf dem Rathausbalkon tatsächlich Bachs klassische Musik seinem Akkordeon entlockte, spielten unter ihm auf dem Pflaster sechs Mädchen Ringelreihen. Auch so etwas gehört zu einer Nacht der Kultur.
Bach konnten Petra Eisend an der Handpan und Thomas Bickel am Keyboard auch. Man tritt Bickel nicht zu nahe, wenn man seine virtuose Interpretation der Toccata D-Moll von Bach als Beweis dafür sieht, dass sein Künstlername "Mad Bob" wie die Faust aufs Auge passt.
Ebenso erfrischend: der literarische Dialog zwischen Dadaismus und Friedrich Rückert, den Anika Peter und Peter Hub, beide Mitglieder der Schweinfurter Autoren Gemeinschaft, in beeindruckender Manier aus den offenen Fenstern des Rückert-Geburtshauses schmetterten. "Ich denke nie ohne zu dichten und dichte nie ohne zu denken", schrieb Friedrich Rückert einst. Auf heute übertragen: Wir leben nicht ohne Kultur und Kultur ist nichts ohne gesellschaftliches Leben. Gut, dass der KulturPackt in Schweinfurt das beherzigt.