Madagaskar, der Name riecht nach Fernweh und Abenteuer. Und er verspricht Strände und Regenwälder mit Tieren und Pflanzen, die es nur dort gibt. Der Inselstaat vor der afrikanischen Südostküste ist mit 587.000 Quadratkilometern gut eineinhalb mal so groß wie Deutschland, das Leben der 27,5 Millionen Menschen von Gegensätzen geprägt. Madagaskar ist reich an fruchtbaren Böden. Aber die Menschen leiden unter der schwachen Wirtschaft und allgegenwärtiger Korruption.
Abholzung und Ausbeutung machen der Umwelt inzwischen zu schaffen. Einst fast komplett bewaldet, ist auf der Insel nur noch ein Bruchteil des Regenwaldes erhalten. Eine Entwicklung, die das Land anfällig macht für Stürme, Überschwemmungen und Dürre. Ernteausfälle und Hunger sind die Folge, vor allem die Menschen im Süden der Insel sind betroffen.
In dieses gefährdete Paradies ist vor gut einem Jahr die Familie Frank aus Wetzhausen, einem Ortsteil von Stadtlauringen (Lkr. Schweinfurt), übergesiedelt. Seit 2013 lebten und arbeiteten Nela und Stefan Frank dort im christlichen Begegnungszentrum Schloss Craheim, das von der "Lebensgemeinschaft für die Einheit Christen" getragen wird. Zu dieser Lebensgemeinschaft gehören Familien, Ehepaare und Einzelpersonen, die aus verschiedenen Landes- und Freikirchen kommen. Schon als Jugendliche hatten Nela und Stefan Frank, die aus Roth bei Nürnberg stammen, dort Kinderfreizeiten gestaltet.
Im Frühjahr 2021 packten die Franks - Vater Stefan (34), Mutter Nela (34), die Töchter Jamila (9), Philine (6) und Salome (4), Sohn Jaro (7) und Hund Phoebe - ihre Koffer und arbeiten seither auf Madagaskar in einem Hilfezentrum für Bedürftige in der Hauptstadt Antananarivo. Mit ihrer Arbeit für das christliche Hilfswerk "Nehemia Madagasikara" wollen Stefan und Nela Frank sich in den kommenden Jahren um benachteiligte Familien kümmern. Im Interview schildern sie, wie sich ihr Leben verändert hat.
Stefan und Nela Frank: Weder noch. Uns hat weder das Urlaubsfeeling der Insel angezogen, wobei das seinen Reiz hat, noch die pure Abenteuerlust und das damit verbundene Wagnis. Als Christen wollen wir in der Berufung leben, die Gott für unser Leben vorgesehen hat. Und für uns stand klar auf dem Plan: "Wir sollen den armen Menschen in Madagaskar helfen." Seit unserer Hochzeit haben wir den Ruf Gottes verspürt, in die Mission zu gehen. Nur der Zeitpunkt war uns noch unklar. Es gab kein konkretes Schlüsselerlebnis, vielmehr ein stetiges Erfragen nach Gottes Willen im Gebet.
Stefan Frank: In Wetzhausen hatten wir das Glück, in einem echten Schloss zu wohnen. Wir hatten mit unseren Kindern auf gut zehn Hektar einen riesengroßen "Spielplatz" zum Austoben und Erholen. Schloss Craheim ist ein herrlicher Ort für Begegnungen und Freizeiten christlicher Gruppen. Als gelernter Betriebswirt war ich als Geschäftsführer für das Schloss verantwortlich, Nela gestaltete als gelernte Ergotherapeutin die Kinderfreizeiten und führte den kleinen Buchhandel. Das Leben hier am Rand der Millionenstadt Antananarivo ist ein krasser Gegensatz zum ruhigen fränkischen Leben auf Schloss Craheim. Auf Madagaskar gibt es auch schöne Ecken, doch die allgegenwärtige Armut, mangelnde Sicherheit, vermüllte Straßen und das wuselige Leben auf den Straßen waren doch am Anfang ungewohnt. Meine Arbeit besteht nun darin, die Geschäftsführerin der gemeinnützigen Organisation "Nehemia Madagasikara" zu unterstützen, vor allem in Bereichen, in denen wir "Westler" Stärken haben: Organisation, Struktur, Verwaltung.
Nela Frank: Wir sind ja angestellte Missionare der Kontaktmission. Ich kann meine Kompetenz im Umgang mit Kindern weiter einsetzen und leite die Kinderclubs mit über 600 Teilnehmern und den Kindergarten für Straßenkinder.
Nela Frank: Wir waren sehr gespannt zu sehen, wie es sich als Familie in einem fremden Land leben lässt. Viele Auslandseinsätze scheitern wegen mangelnder Vorbereitung, äußeren Umständen oder familiären Problemen. Darum war uns von Anfang an wichtig, als Eltern besonderes Augenmerk auf unsere Kinder zu richten. Unsere erste Priorität, die uns Gott gegeben hat, ist nicht die Arbeit, sondern sind die eigenen Kinder. Deshalb ist es wichtig, sich gemeinsam Zeit für die kulturelle Anpassung zu nehmen, die Kinder in ihrem neuen englischsprachigen Schulalltag zu begleiten und ihnen ein Freizeitangebot zu ermöglichen. Jamila hat mit Klavierunterricht begonnen, Jaro lernt von einem Madagassen wie man die Bongos spielt. Philine und Salome reiten gerne. Die gemeinsame Herausforderung, sich in eine fremde Kultur zu integrieren, hat unseren familiären Zusammenhalt gestärkt.
Stefan Frank: Doch genau so geht es. Wobei neben Bibelabenden und Gottesdiensten in Hauskreisgemeinden unsere Bibelhefte ein starkes Medium sind, Menschen für Glauben zu begeistern oder darin zu stärken. Gut 1800 Familien erhalten die wöchentliche Ausgabe dieser Hefte, in denen sie eine Andacht mit persönlichen Fragen zur Beantwortung für jeden Tag finden. Angefangen hat die Aktion durch die Kontaktbeschränkungen in der Corona-Zeit. Nun sind die Bibelhefte kaum mehr wegzudenken. Eine Ausweitung des Angebots ist in Arbeit, beispielsweise in den Gefängnissen der Hauptstadt. Hand in Hand mit der Missionsarbeit geht die materielle Hilfe, bei der wir arme Familien in Fragen von Ausbildung, Finanzen, Gesundheit, Lebensplanung beraten und auch praktisch helfen. Ziel ist, dass die Menschen Verantwortung für ihr Leben übernehmen und es schaffen, aus ihrer Not zu entkommen.
Nela Frank: Unsere hellere Hautfarbe grenzt uns von vornherein von den Madagassen ab. Automatisch gelten wir als "sehr reich" und werden auf ein Podest gestellt. Die Einheimischen begegnen uns respektvoll und zugewandt. Damit gehen allerdings gewisse Erwartungen einher, die sich schlussendlich ums liebe Geld drehen. Das ist für uns nicht immer einfach. Vertrauen muss wachsen.
Nela Frank: Das gelingt dadurch, dass man sich gegenseitig besser kennenlernt, um Vorurteile abbauen zu können. Ein wichtiger Schlüssel ist die Sprache. Nur wenige "Vazaha", also Weiße, machen sich die Mühe, Madagassisch zu lernen. Die meisten schlagen sich mit Französisch durch, das nicht alle Madagassen sprechen. Wir haben uns Zeit genommen, Madagassisch zu lernen, und spüren, welchen Unterschied es macht, den Einheimischen in ihrer Muttersprache zu begegnen. Mit einem einfachen "Salama, inona ny vaovao?", einem "Hallo, was gibt’s Neues?", zauberst du deinem Gegenüber ein Lächeln auf das sonst vor Sorgen gezeichnete Gesicht. In Sachen Kontaktfreudigkeit, Gastfreundschaft und Teilen können wir Deutsche von den Madagassen dazulernen. Das gilt besonders für die trotz der widrigen Umstände große Lebensfreude.
Stefan Frank: Was Statistiken angeht sei gesagt, dass sich der katholische, protestantische oder freikirchliche Glaube auf Madagaskar nicht klar vom Ahnenbrauchtum trennen lässt. Viele Menschen bezeichnen sich als Christen, praktizieren aber den Kult der Vorfahren, wie Totenumbettungen, traditionelle Heilverfahren oder die Befragung der Ahnen. Wir erreichen mit unserer Arbeit sowohl die Menschen in der Hauptstadt, aber auch Leute in abgelegeneren Gebieten, die bisher kaum Bezug zum Glauben haben. Durch die Zusammenarbeit mit einer Flugmission können wir beispielsweise verletzte Menschen aus dem Busch ausfliegen, um sie in der Hauptstadt zu behandeln. Da wir uns ganzheitlich um die Menschen kümmern, ist dies immer eine Chance, vom Evangelium zu erzählen.
Stefan Frank: Das wird schon wahrgenommen. Unser Nachbar hat uns ganz aufgeregt erzählt, dass Russland die Schweiz angreifen würde. Ich habe ihm kurz erklärt, dass wir keine Schweizer sind, auch wenn wir Deutsch sprechen, und dass es sich bei dem angegriffenen Land um die Ukraine handelt. Folgen des Krieges wie etwa massive Preiserhöhungen für Brot, Benzin und Speiseöl machen sich auch hier bemerkbar.