Es war genau vor 100 Jahren, als auf einem Hügel nahe Wetzhausen die Bauarbeiten für eines der jüngsten Schlösser Bayerns begannen. Schloss Craheim sollte der neue Wohnsitz für Crafft Freiherr Truchsess von und zu Wetzhausen und seine Frau Clara Erhart werden.
Bis 1943 lebte die Familie im Schloss, dann begann seine wechselvolle Geschichte. Es diente sowohl der Wehrmacht als auch den Amerikanern als Lazarett. Dann als Heim für Kriegsblinde und für Russlandheimkehrer. Ab 1950 beherbergte es ein Landerziehungsheim.
Die wechselhaften Zeiten endeten 1968. Nachdem es ein Jahr leer stand, zog dort das „Lebenszentrum für die Einheit der Christen“ ein. Damals heiß es zwar noch ökumenischer Dienst und auch der Einzug war eher eine Entrümpelungs- und Bauaktion, dennoch begann etwas, was bis heute trägt.
Überkonfessionelle Lebensgemeinschaft
Begonnen hat dies allerdings alles weit ab von Unterfranken in der Pfalz und in Königstein. Dort gab es mehrere Treffen verschiedener geistlicher Gruppen. Die Idee einer christlichen Lebensgemeinschaft über alle konfessionellen Grenzen hinweg entstand. Crafft Freiherr Truchsess, Wilhard Becker, Siegfried Großmann, Pater Eugen Mederlet, Albrecht Fürst zu Castell-Castell, Reiner-Friedemann Edel und Arnold Bittlinge beschlossen, eine eigene überkonfessionelle Lebensgemeinschaft zu gründen. Die Gründer bezogen das Schloss Craheim.
Siegfried Eisenmann, ebenfalls ein Mann der ersten Stunde, erinnerten sich an den vielversprechenden Auftakt. „Im September haben wir bei Truchsess den Schlüssel fürs Schloss geholt. Im Garten war eine lange Tafel mit Kaffee und Kuchen aufgebaut. Wir freuten uns über so einen herzlichen Empfang. Erst Wochen später erfuhren wir, dass das die Geburtstagtafel der Baronin war.“
Viel ausgeräumt und renoviert
Das Schloss „war ein Riesending und ein bisschen vergammelt“, erinnert sich Eisenmann. Also musste erst einmal ausgeräumt, renoviert und hergerichtet werden. In den Franziskushof, das ehemalige Gesindehaus mit den Stallungen, zog der Schweizer Franziskanerpater Eugen Mederlet ein. Das Schloss, evangelisch geprägt, sollte zum Tagungshaus und der mehr katholisch geprägte Franziskushof zu einem Haus der Stille werden.
Pfarrer Heiner Frank, der geistliche Leiter der Lebensgemeinschaft, erklärt die Intention der Gründer. „Es ging um die Einheit der Christen und eine Erneuerung der Kirche.“ Was heute in aller Munde ist war Ende der 1960er Jahre noch mehr als modern. In einer Zeit, als konfessionsverschiedene Ehe für viele Familien noch als kleine Katastrophen galten, setzten sich Christen hier für gemeinsame Glaubenserfahrungen von evangelischen, katholischen und freikirchlichen Gläubigen ein.
Argwöhnisch als Sekte beäugt
In den Dörfern rund ums Schloss wurden die Gründer argwöhnisch als „Sekte“ beäugt. Also gingen die Mitglieder der Lebensgemeinschaft auf Aufklärungstour durch die nähere Umgebung. Eisenmann erzählt: „Als wir erklärten, was es mit diesem Zentrum in Craheim auf sich hatte, stand ein älterer Mann auf und sagte: ,Ihr kümmt mir für wie a paar Verliebte – aber wenn die Flitterwochen vorbei sind?‘“
Nun die „Flitterwochen“ waren wenige Jahre später vorbei, nach und nach verließen die Gründer die Gemeinschaft und wandten sich neuen Aufgaben zu. „Langsam wuchs unter uns das Bewusstsein einer Berufung, der Berufung als kleine Gemeinschaft“, erinnert sich Eisenmann. Die Idee des Miteinanders christlicher Konfessionen sollte weitergetragen werden.
Der Franziskushof bestand unter Leitung Mederlets ohnehin weiter. 1973 kam eine Schwestern-Kommunität nach Craheim und schloss sich der Bewegung an. Gemeinsam wurde dann der Verein „Lebensgemeinschaft für die Einheit der Christen“ gegründet.
Mitlebende auf Zeit
Das Haus wird bis heute von dieser Lebensgemeinschaft getragen. Ihre Mitglieder leben und arbeiten im Schloss, zur Zeit sind das zirka 20 Christen. Dann gibt es noch sogenannte „Mitlebende auf Zeit“. Jedes Mitglied hat seinen eigenen Wohnraum und sein eigenes Budget. Gemeinsam trifft man sich zu Besprechungen, Gebetszeiten und Andachten.
Auch wenn die Gemeinschaft sich vom Heiligen Geist getragen weiß, ist das Miteinander doch nicht immer einfach. Da ist einmal der Unterschied zwischen den Generationen, aber auch das „bleibende Spannungsverhältnis wirtschaftlich zu arbeiten und trotzdem vom gemeinsamen Glauben getragen zu werden“, wie Frank es ausdrückt.
Ihm ist wichtig, dass die Beziehung innerhalb der Gemeinschaft über alle Unterschiede hinweg ausstrahlt. Eine Gemeinschaft, die es sich zur Aufgabe stelle Gott, dem Anderen und auch sich selbst zu begegnen, bedeute immer auch ein Ringen um den rechten Weg.
Rebekka Dorn ist eines der jüngeren Mitglieder der Gemeinschaft. Sie hat 2005 in Craheim ihr Freiwilliges Soziales Jahr absolviert. 2012 hatte sie dann „den starken Eindruck von Gott her, dass ich hierher kommen soll“ Sie folgte diesem Ruf und arbeitet seither im Tagungsbereich mit. Aufnahmekriterien für die Gemeinschaft gibt es eigentlich nicht, meint Frank.
Bevorzugt würden neue Mitglieder der jüngeren und mittleren Generation. Eine persönliche Beziehung zu Gott und die Bereitschaft, sich auf unterschiedlichste geistliche Prägungen einzulassen seien aber vonnöten.