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Schweinfurt
Mit einer falschen Beschuldigung brockte ein Mann einem anderen fünf Tage Untersuchungshaft ein
Wegen Freiheitsberaubung und falscher Verdächtigung steht ein 31-Jähriger vor dem Schweinfurter Gericht. Eine Videokamera entlarvte seine Lüge.
Das Landgericht und Amtsgericht Schweinfurt.
Foto: Anand Anders | Das Landgericht und Amtsgericht Schweinfurt.
Stefan Sauer
Stefan Sauer
 |  aktualisiert: 23.02.2025 02:28 Uhr

Es ist der 10. August letzten Jahres, früher Nachmittag. Ein 31-Jähriger macht sich auf den Weg vom Ankerzentrum in Geldersheim zur nahen Bushaltestelle. Als er dort ankommt, springen zwei Mitbewohner seiner Unterkunft aus dem Gebüsch auf ihn zu. Einer hält ihn fest, der andere zückt ein Messer und bringt ihm damit eine leichte Schnittwunde am Hals bei.

So geht die Geschichte, die der 31-Jährige wenig später der Polizei erzählt. Der von ihm als Messerstecher Beschuldigte wird daraufhin festgenommen und landet in einer Gefängniszelle: Untersuchungshaft.

Schon am Abend davor, am Schweinfurter Roßmarkt und im Theaterpark, soll ein Streit zwischen den beiden Mitbewohnern und dem Angeklagten eskaliert sein, berichtete er bei seiner polizeilichen Vernehmung und nun auch vor dem Schöffengericht in Schweinfurt. Dabei habe er mit einer Wodkaflasche einen Schlag auf den Kopf bekommen.

Er sei weggelaufen – sie hinterher. Dabei hätten sie ihn und seine Mutter beleidigt. Auch als er bereits in die Gemeinschaftsunterkunft zurückgekehrt war, hätten ihn die beiden Männer im Zimmer eines Freundes bedrängt, einer mit einem Messer. Andere Mitbewohner hätten ihn aber beschützt und die Angreifer hinausgedrängt.

Beschuldigter war auf dem Zimmer

Darum aber geht es in diesem Strafverfahren gar nicht – sondern einzig um die Frage, ob der vom Angeklagten als Messerstecher benannte Mann die behauptete Tat überhaupt begangen hat. Und das hat er den Ermittlungen zufolge erwiesenermaßen nicht. Videoaufnahmen mit Zeitstempel belegen nämlich, dass der Beschuldigte im angegebenen Tatzeitraum nicht an der Bushaltestelle gewesen sein kann, weil er sich in der Unterkunft aufhielt. Das stellte der Kripobeamte bei der Auswertung der Videos nur wenige Tage nach der Festnahme des vom Angeklagten Beschuldigten fest.

Was sagt der Angeklagte dazu? Er habe den Mitbewohner als einen der zwei Angreifer wahrgenommen. Auf den Vorhalt des Vorsitzenden, dass dieser zur angegebenen Tatzeit nachweislich in seinem Zimmer war, sagt er: "Ich war nicht ganz auf der Höhe, war noch besoffen und entschuldige mich." Dann wieder bezeichnet er ihn als "Kopf der Bande", der hinter Beleidigungen und Drohungen sowie dem Messerangriff gegen ihn – einen freundlichen, umgänglichen Menschen – stecke. Beide Männer hätten ihm gedroht, wenn er zur Polizei gehe, hänge sein Leben davon ab, und auch seine Mutter werde Schaden nehmen.

"Vier Versionen voller Widersprüche"

In seinem Plädoyer kommt der Staatsanwalt auf vier Versionen des Angeklagten vom Tathergang – jede klinge anders. Unklar sei, was man ihm glauben könne. Erwiesen sei aber die vorsätzliche falsche Verdächtigung gegen den Mitbewohner, die zu dessen Verhaftung geführt habe – eine Freiheitsberaubung.

Nur der schnellen Arbeit des Kripobeamten sei es zu verdanken, dass der Geschädigte nicht monatelang unschuldig in Haft saß, so der Staatsanwalt. Er forderte ein Jahr und neun Monate ohne Bewährung. Auch der Pflichtverteidiger sah die Tatvorwürfe als erwiesen an. Er plädierte für den nicht Vorbestraften auf eine einjährige Bewährungsstrafe.

Ohne Videoeinrichtung hätte die Falschbezichtigung des Angeklagten "für den Geschädigten eine lange Haftzeit bedeuten können", sagte der Vorsitzende Richter. Sein Urteil für die Freiheitsberaubung und vorsätzliche falsche Verdächtigung: eineinhalb Jahre Haft auf Bewährung. Fünf Monate U-Haft hat der 31-Jährige schon hinter sich. Der Haftbefehl wurde aufgehoben, das Urteil ist bereits rechtskräftig.

 
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