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Schweinfurt
Messerattacken-Prozess: Warum ein Richter vor Gericht aussagt
Das Opfer der Messerattacke vom Mai 2020 in Schweinfurt steht nicht als Zeuge zur Verfügung, wurde aber vom Ermittlungsrichter vernommen. Der saß nun im Zeugenstand. 
Vor der Großen Strafkammer am Landgericht Schweinfurt muss sich ein 40-Jähriger wegen versuchten Totschlags und zweifacher gefährlicher Körperverletzung verantworten.
Foto: Horst Breunig | Vor der Großen Strafkammer am Landgericht Schweinfurt muss sich ein 40-Jähriger wegen versuchten Totschlags und zweifacher gefährlicher Körperverletzung verantworten.
Helmut Glauch
Helmut Glauch
 |  aktualisiert: 09.02.2024 02:57 Uhr

In einer ungewöhnlichen Rolle – und zwar im Zeugenstand – fand sich ein Richter des Amtsgerichtes Schweinfurt am Freitag vor der Großen Strafkammer als Schwurgericht. Dort muss sich mittlerweile seit drei Prozesstagen ein 40-Jähriger wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit zweifacher gefährlicher Körperverletzung verantworten.

Wie berichtet eskalierte eine Geburtstagsfeier Ende Mai in einer Gemeinde unweit von Schweinfurt. Ein 28-Jähriger wurde mit einem Messer schwer verletzt, erlitt einen Stich in die Lunge und mehrere in die Schulter. Ein weiterer Mann, der wohl den Angeklagten davon abhalten wollte, weiter auf sein Opfer einzustechen, erlitt schwere Schnittverletzungen an der Hand, als er versuchte dem Angreifer das Messer aus der Hand zu nehmen. 

Die Bemühungen des Gerichts, die Geschädigten dieser aus dem Ruder gelaufenen Geburtstagsfeier in den Zeugenstand zu bekommen, waren bisher nicht von Erfolg gekrönt. Alle befinden sich wieder in ihrem Heimatland und haben auf Vorladungen nicht reagiert. Allerdings gibt es eine ausführliche, auch im Video dokumentierte Vernehmung des Geschädigten, die der eingangs erwähnte Ermittlungsrichter mit dem 28-Jährigen geführt hat, kurz nach dessen Entlassung aus dem Krankenhaus. Die Vernehmung vom 5. Juni 2020 in Schweinfurt wäre wenige Tage später schon nicht mehr möglich gewesen, weil der Geschädigte unmittelbar danach nach Hause zu seiner Familie reiste.

Ausstehende Lohnzahlungen wohl im "fünfstelligen Bereich"

An jenem 26. Mai feierte der Geschädigte auf der Terrasse mit Bekannten seinen Geburtstag. Der Angeklagte kam später mit seiner Freundin vorbei und brachte ein Partyfässchen Bier mit. Kurz habe er mit dem Angeklagten über ausstehende Lohnzahlungen gesprochen, so der Geschädigte in der Befragung vor dem Ermittlungsrichter. Drei Monate zuvor sei er mit seinem Bruder und einem Bekannten nach einem Arbeitsaufenthalt in Polen nach Deutschland gekommen, um hier ein Auto und Bekleidung zu kaufen. Dann kam Corona und die Grenzen waren dicht. Die Zeit wurde überbrückt mit Arbeiten auf Baustellen in Deutschland, die der Angeklagte vermittelte. In einem vom Angeklagten angemieteten Haus fand man Unterkunft. Die ausstehenden Zahlungen an ihn und seine beiden Bekannten hätten sich bis zum Zeitpunkt der Geburtstagsfeier – es waren zwischenzeitlich zweieinhalb Monate vergangen – auf einen fünfstelligen Betrag summiert, so der 28-Jährige. Erinnerungen wie "Vergiss aber nicht, dass du uns noch Geld schuldest", habe der Angeklagte regelmäßig "abgewürgt" aber versprochen, dass bald alles geregelt werde.        

Doch die Diskussion über Geld sei an diesem Abend nicht der Auslöser dafür gewesen, dass der Angeklagte so in Rage geriet. Ein heftiger Streit des Angeklagten mit seiner Freundin, in deren Verlauf auch eine Tasse in Richtung des 40-Jährigen geflogen sein soll, sei vielmehr die Ursache gewesen. Als das spätere Opfer und andere Geburtstagsgäste Partei für die Frau ergriffen hätten, sei es zu Rangeleien gekommen. Der Angeklagte sei zunächst in sein Zimmer gegangen, dann aber dem jüngeren Mann gefolgt und habe ihn mit einem Küchenmesser attackiert.

Zeugenvernehmung via "Skype" soll weitere Aufschlüsse bringen

Ruhig und gefasst schilderte der 28-Jährige im Video den Messerangriff, den er zunächst als "Schläge gegen seinen Körper" empfand, bis er merkte, dass da nicht unerheblich Blut floss. Der Angeklagte habe solange zugestochen, bis er von den anderen Männern weggestoßen wurde und sich vom Tatort entfernte. Später sei er wiedergekommen, brachte den Verletzen gemeinsam mit anderen Männern ins Krankenhaus, wartete aber vor dem Gebäude. Wenig später verließ das Angeklagte das Land, wurde aber in Tschechien verhaftet und nach Deutschland ausgeliefert, wo er seither in U-Haft sitzt.

Wie geht es weiter? Am 22. Februar wird das Verfahren fortgeführt. Dann erhofft sich das Gericht neben anderen Zeugen weitere Erkenntnisse von einer Aussage der damaligen Freundin des Angeklagten. Auch sie lebt nicht in Deutschland, via "Skype" soll voraussichtlich die Zeugenbefragung erfolgen.    

 
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