zurück
Gerolzhofen
Lufthansa-Maschine ließ Kerosin über Unterfranken ab: Wie groß ist die Gefahr für Mensch und Umwelt?
75 Tonnen Kerosin wurden am vergangenen Sonntagabend im Luftraum über Gerolzhofen abgelassen. Warum das nötig war und wie viel davon tatsächlich am Boden ankommt.
Am Sonntag ließ eine Lufthansa-Maschine Kerosin über Unterfranken ab (Symbolbild).
Foto: Robert Michael, dpa | Am Sonntag ließ eine Lufthansa-Maschine Kerosin über Unterfranken ab (Symbolbild).
Alicia Heid
 |  aktualisiert: 08.02.2024 16:35 Uhr

"Fuel Dumping", also Treibstoff ablassen, heißt das Verfahren, das bei vierstrahligen Flugzeugen eingesetzt wird, um das Gewicht vor einer Notlandung zu reduzieren. Am Sonntagabend wurde es von einer Maschine der Lufthansa im Luftraum über Gerolzhofen (Lkr. Schweinfurt) angewandt. 75 Tonnen Kerosin verteilten sich in der Luft.

Laut offizieller Liste des Luftfahrt-Bundesamts kam es alleine in diesem Jahr bereits zu drei solcher Zwischenfälle in Bayern. Doch wie gefährlich sind solche konzentrierten Treibstoffablasse für Mensch und Umwelt? In einer Studie des Umweltbundesamts wurden die Risiken in verschiedenen Szenarien modelliert und ausgewertet. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten:

Wieso müssen Flugzeuge mitunter kurzfristig Treibstoff ablassen?

Laut Luftfahrtbundesamt handelt es sich bei einem sogenannten Treibstoffschnellablass (TSA) um eine Notfallmaßname: Wenn ein Flugzeug beispielsweise kurz nach dem Start aufgrund technischer Störungen oder medizinischer Notfälle an Bord wieder landen muss, für eine Landung aber noch zu schwer ist. Unter diesen Umständen erschwert das Gewicht des Flugzeugs die sichere Landung. Das Flugzeug muss also Ladung abwerfen, um leichter zu werden. In diesen Fällen weist die Flugsicherheit den Piloten einen geeigneten Luftraum zu, "der ein möglichst geringes Verkehrsaufkommen aufweist und möglichst abseits großer Städte liegt", teil das Luftfahrtbundesamt mit. Die Mindesthöhe für das Ablassen des Treibstoffes liegt bei 1800 Metern.

Warum werden die Flugzeuge nicht so gebaut, dass eine sichere Landung auch bei Maximalgewicht möglich ist?

Die Frage liegt nahe: Wieso baut man Flugzeuge dann nicht so, dass ein Treibstoffablass für eine Notlandung nicht notwendig wird, wie bei kleineren Flugzeugen auch? Das Luftfahrtbundesamt begründet dies mit der hohen Reichweite, die die Langstreckenflugzeuge erreichen sollen. Dementsprechend müsse mehr Treibstoff getankt werden. Eine entsprechende Konstruktion wie bei kleineren Kurzstreckenfliegern würde das Flugzeug schwerer machen und somit die Reichweite verringern, was einen höheren Treibstoffverbrauch zur Folge hätte.

Wie viele Schadstoffe verbleiben nach dem Ablassen des Kerosins in der Atmosphäre?

Als gefährlicher Bestandteil von Kerosin gilt das giftige Benzol. Wie viel davon im Flugzeugtreibstoff aber tatsächlich enthalten ist, ist umstritten. Das Umweltbundesamt gibt darauf keine eindeutige Antwort und verweist darauf, dass ein Vorkommen von Benzol in Kerosin von verschiedenen Quellen verneint werde. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages machte in einer Untersuchung über "Benzolgehalt von Kraftstoffen" hierzu keine Angaben. Geht man jedoch von einer geringen Menge Benzol im Kerosin aus, würde diese unmittelbar nach dem Ablassen verdunsten und sich weiträumig verteilen, so das Umweltbundesamt. Die Belastung durch Benzin-Autos fiele in diesem Vergleich deutlich höher aus und sei zudem näher am Lebensraum der Menschen.

Auch eine andere potenzielle Gefahr – die Feinstaubbelastung in der Luft - wird aufgrund der hohen Flüchtigkeit des Treibstoffes als unkritisch eingeschätzt. Der größte Teil der Schadstoffe verdunstet laut der Studie der Behörde noch in der Luft oder wird innerhalb kurzer Zeit durch die Sonnenstrahlung in Kohlenstoffdioxid und Wasser zersetzt. Die Studie zieht zum Vergleich den Durchschnittsverbrauch in deutschen Haushalten heran und schätzt die Feinstaubbelastung auf dieser Grundlage als "unkritisch" ein.

Wie viel Kerosin kommt noch auf dem Boden an?

Das Umweltbundesamt geht in seiner Studie von den ungünstigsten Bedingungen aus, die sich hinsichtlich Wetterbedingungen - wie Temperatur und Windstärke - voneinander unterscheiden. In allen Fällen kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass eine sehr geringe Flächenkonzentration von Schadstoffen im Boden auszumachen ist. Auch ein Einsickern der Kohlenwasserstoffe bis ins Grundwasser sei aufgrund der feinen, oberflächlichen Verteilung unwahrscheinlich. Selbst der für das Worst-Case-Szenario angenommene Fall, dass die Menge an Schadstoffen, die den Boden erreichen, letztendlich auch ins Grundwasser gelangen könnte, erwies sich aufgrund der Verdünnung als unkritisch für die Umwelt.

Wie schädlich sind die am Boden verbleibenden Schadstoffe für die Menschen?

Auch hier kommt das Umweltbundesamt zur Einschätzung, dass die gesundheitlichen Folgen für die Menschen als "unkritisch" einzustufen sind. Die Autorinnen und Autoren der Studie betonen unter anderem, dass die "Luftbelastung beim TSA nur für kurze Zeit andauert und ein vermutlich einmaliges Ereignis darstellt". Der Mensch wäre den möglicherweise bestehenden Gesundheitsgefahren – wenn überhaupt – nicht dauerhaft ausgesetzt.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Gerolzhofen
Alicia Heid
Deutsche Lufthansa AG
Deutscher Bundestag
Giftstoffe
Kerosin
Langstreckenflugzeuge
Luftraum
Umweltbundesamt
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • U. S.
    Wenn man genau liest merkt man, dass sich jeder mit seinen Aussagen bedeckt hält und nur vage ausdrückt (um die Lobby nicht zu verärgern?) aber immerhin gibt man im Artikel zu, dass diese Handhabung doch nicht ganz ungefährlich für Mensch und Umwelt ist.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • S. K.
    Luftfahrt hat eben eine große Lobby, im Gegensatz zum Normalbürger der mal ein paar Tropfen Öl auf der Straße verliert...Irgendwie muss sich vieles ändern...
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • P. H.
    75 Tonnen Kerosin, sind mehr als 75 Tausend Kilogramm die in unsere Atemluft abgelassen werden. Das interessiert wenige, wenn aber Temporeduzierung auf den Strassen gefordert wird läuft der Benzinkutscher Amok! Verrückte Welt!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • K. U.
    Die Alternative wäre ein biologischer Düsentreibstoff auf Metanol-Brennstoffzellen oder Wasserstoffbasis ... ohne gesundheitsschädliche Barium, Aluminium Bestandteile im Kerosin
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • A. N.
    Alles harmlos und kein Problem für die Umwelt und Menschen.Aber wehe an meinem Schlepper oder Anbaugerät platzt ein Hydraulikschlauch
    Da kommt gleich eine Armada an Reinigungsfahrzeugen und Erdreich wird abgebaggert und wird ein Drama gemacht.
    Armes Deutschland
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • P. B.
    Sie sagen es. Das ist genau der Unterschied den die Politik macht, zwischen Privat Person und Industrie.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Veraltete Benutzerkennung
    Wenn Sie sich ganz Privat ein Langstreckenflugzeug kaufen und damit eine ähnliche Lage kommen, bin ich mir sicher, dass Sie dann nicht den gaanzen Landkreis abbaggern müssen.

    Und wenn Sie mal in Ruhe darüber nachdenken, wird Ihnen vielleicht noch auffallen, was der Unterschied ist zwischen einer lokalen sehr starken Umweltbeeinträchtigung oder einer sehr weiträumigen, sehr schwachen Umweltbeeinträchtigung.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • U. S.
    Da drücken das Umweltbundesamt und der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages zu Gunsten der Luftfahrtindustrie aber alle Augen ganz fest zu.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • M. S.
    Was wäre für sie die Alternative in einem Notfall? Würde mich brennend interessieren.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • R. Ö.
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • R. Ö.
    Da werden Sie wohl kaum eine Antwort von @selle bekommen, denn da gibt es keine Alternative!!!🤔🤷‍♂️
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • B. H.
    Fliegen sehr viel teurer machen (gleiche Steuern und Abgaben erheben wie für Autos genügt dafür schon), damit weniger Flüge und so die Wahrscheinlichkeit eines Notfalls statistisch reduzieren.
    Überhaupt muss man mal fragen:
    Täglich Singapur? Wirklich voll besetzt? Und das in Zeiten von digitalen Meetings?
    Wir haben 2020 in LockdownZeiten jedenfalls die Ruhe genossen. Denn Fluglärm macht krank. Die Staffelung vor Frankfurt ist so hochfrequent und die Anflughöhen dadurch so extrem niedrig, dass man zT schon die Logos der Airlines am Heck leicht lesen kann.
    Lärm macht krank. Und ich empfinde es als deutliche Beeinträchtigung/Bedrohung unserer Gesundheit, auch schon ohne Kerosin von oben. Durch Anwohnerproteste rund um Frankfurt wurde der Traffic nach Nordbayern verlegt. München ist weit. Das wäre mal wert für die MP zu recherchieren.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten