77 Stadtbäume müssen gefällt werden. Richard Lindner, Sprecher der Lokalen Agenda-Gruppe "Grün findet Stadt", war von der Nachricht "erschüttert" und schlägt Alarm. "Der Zustand der Bäume auf öffentlichem und privatem Grund in der Stadt ist bedrohlich", so Lindner, der die Redaktion auf Erkundung durch die Stadtteile Hochfeld und Steinberg sowie durch das Musikerviertel führte.
Treffpunkt Niederwerrner Straße vor dem Neubau der Hochschule für angewandte Wissenschaften an der Ecke zur Franz-Schubert-Straße: Jeder kann hier sehen, dass es den großen Straßenbäumen nicht gut geht, dass sich ein durch den Klimawandel hervorgerufenes Baumsterben am Straßenrand eingestellt hat. Bei drei von vier Bäumen macht Lindner Trockenschäden aus und verweist auf Stellen, wo Bäume schon entfernt wurden. Der Blick in die Baumkronen zeigt Rettungsmaßnahmen der Stadtgärtner. Äste wurden zurückgeschnitten oder komplett entfernt. Die Verdunstung über die Blätter ist so reduziert. "Doch die Wunden werden die Lebenszeit der Bäume verkürzen", sagt Richard Lindner, während er unter den gestutzten Bäumen viel zu früh gefallene braune Blätter einsammelt.
"Wie die Krone so der Wurzelraum", ist sich Lindner sicher. Vieles sei kaputt. Der Bodenversiegelung durch den Straßenverkehr werde kein Einhalt geboten. Eine Belüftung im Wurzelbereich und damit auch eine bessere Wasserversorgung durch ein Aufsprengen im Erdreich unter Einsatz von Druckluft sei dringend nötig. Dies könne das Stadtgartenamt aktuell jedoch wegen Personalmangel nicht leisten. Verantwortlich sei dafür das Rathaus, das die Zeichen des Klimawandels nicht sehen würde oder wolle.
Wird die Stadt heißer, beginnt ein Teufelskreis
Lindner fordert Nachpflanzungen und bei diesen eine Bodenbearbeitung und Bodenverbesserung bis tief in den Untergrund. Nur so könnten einmal die Wurzeln ausgewachsener Bäume vom Grundwasser profitieren. "Wenn man jetzt nichts tut, tut sich was", so Lindner. Bei diesem "Teufelskreis" lasse die Hitze Bäume sterben, was die Hitze in der Stadt weiter nach oben treibe, weshalb in der Folge noch mehr Bäume sterben und die Temperaturen weiter zunehmen.
Gepflegter Rasen statt Walnussbaum
Auf dem Weg zu und in den Stadtteilen Hochfeld/Steinberg zeigt Lindner abgestorbene Birken, berichtet vom Eschentriebsterben an der Haardt und am Marienbach und macht auf Hainbuchen aufmerksam, die sich vom Baum der Hoffnung im Klimawandel zum Sorgenkind entwickelt haben.
In den beiden Wohnvierteln geht es Richard Lindner nicht um das öffentliche Grün, sondern um ausgeräumte Gärten auf zumeist in jüngster Vergangenheit verkauften Grundstücken. Gepflegter Rasen statt Walnuss, Obst- oder Nadelbaum scheint ein Wahlspruch zu sein. Ziemlich sinnfrei sei das Absägen von Stämmen und Ästen im oberen Kronenbereich, so Lindner. "Nicht der Gärtner, der am meisten schneidet, sondern der, der richtig schneidet, sei der beste", sagt der Sprecher von "Grün findet Stadt". Die kritisierten Radikalkuren würden durch Wundschlag nur die Lebenszeit der Bäume verkürzen, jedoch nicht den Zuwachs junger Triebe, der sogar noch stärker ausfalle.
Lindner fordert: Baumschutzverordnung muss kommen
Auch werde wohl aus so manchem Gartentraum ohne den Schatten und Windschutz durch Bäume schnell ein Albtraum, mutmaßt Lindner und: "Der Baum gehört wie die Straße, Strom, Wasser und die Telekommunikation zur städtischen Infrastruktur." Zum Allgemeingut gehöre diese Erkenntnis leider noch nicht, weshalb die Agenda mit dem Antrag auf Wiedereinführung der "dringend notwendigen Baumschutzverordnung" noch auf einsichtigere Zeiten wartet.