Seit Mitte 2021 steigen in Deutschland wieder die Flüchtlingszahlen. Zuerst aufgrund der Entwicklungen in Afghanistan. Dann wurden neue Fluchtrouten über Belarus geöffnet, danach kam der Ukrainekrieg, und jetzt die Türkei. Im Oktober überholte die Türkei erstmals seit 2014 Syrien als zugangsstärkste Nation.
Die steigenden Flüchtlingszahlen machen sich auch in der unterfränkischen Ankereinrichtung bei Geldersheim bemerkbar. Im November wurde die Zahl 2000 überschritten. Um Platz zu schaffen, verteilt die Regierung von Unterfranken die Flüchtlinge aus dem Anker in alle unterfränkischen Landkreise. Viele Kommunen treffen die kurzfristigen Zuweisungen unvorbereitet. Wie die Lage im Landkreis Schweinfurt ist, berichtete Steffen Beuter dem Sozialausschuss des Kreistags.
Eigentlich könnte man sich zurücklehnen. Der Landkreis Schweinfurt hat seine Quote, wie viel Flüchtlinge er aufnehmen muss, übererfüllt. Das hängt mit dem Anker zusammen, weil die dort lebenden Menschen anteilig mitgezählt werden. Anfang November lag der Landkreis mit 2878 untergebrachten Flüchtlingen (davon 1514 im Anker) fast zehn Prozent über dem Soll.
Landkreis sucht weiterhin Wohnraum für Flüchtlinge
Das Amt für Soziales verfolgt laut Beutert aber eine andere Strategie. Um gar nicht erst in die Bredouille zu kommen, werden kontinuierlich dezentrale Unterkünfte aufgebaut. "Wir wollen ohne Eile lenken können", meint Landrat Florian Töpper. Nicht wie andere. Der Nachbarlandkreis Bad Kissingen zum Beispiel wurde kalt erwischt. Er muss seit Mitte November wöchentlich mindestens 25 Menschen aus dem Ankerzentrum aufnehmen und sucht nun verzweifelt nach Mietobjekten.
Der Landkreis Schweinfurt hat dahingehend vorgesorgt und in diesem Jahr 149 neue Unterkunftsplätze geschaffen. In sieben Gemeinden wurden Häuser oder Wohnungen angemietet: in Bergrheinfeld (46 Wohnplätze), Grafenrheinfeld (26), Obbach (19), Wasserlosen (17), Gerolzhofen (16), Stadtlauringen (15) und Heidenfeld (10).
Das Landratsamt sucht auch weiterhin aktiv nach Wohnraum. "Wir legen Wert auf kleine Unterkünfte", erklärt Beutert. Potenzielle Vermieter kommen direkt auf die Behörde zu. Heuer wurden dem Sozialamt 64 Objekte angeboten. Wenn ein Gebäude als geeignet beurteilt wird, sollen die Gemeinden künftig sofort in Kenntnis gesetzt werden. "Wir werden frühestmöglich informieren", verspricht Landrat Töpper.
Anker ist Free-Anlaufstelle geworden
Anfang November lebten im Landkreis Schweinfurt 1954 Flüchtlinge in dezentralen Unterkünften. Die meisten von ihnen in Gochsheim (243) und Niederwerrn (238). Noch keinen Flüchtling weist die Landkreisstatistik für Wipfeld aus. Das heißt aber nicht, dass es dort keine geflüchteten Menschen geben kann. Manche Schutzsuchende sind auch privat untergebracht und somit nicht erfasst. Auch die Regierung von Unterfranken betreibt Unterkünfte, hier handelt es sich zumeist um größere Gemeinschaftseinrichtungen ab 30 Personen.
Mitte Oktober hat die Regierung von Unterfranken die Anker-Einrichtung bei Geldersheim zur sogenannten Free-Anlaufstelle innerhalb von Bayern erklärt. Das heißt, alle ukrainischen Flüchtlinge, die in anderen Bundesländern ankommen, werden unmittelbar nach Bayern in den unterfränkischen Anker weitergeleitet. "Dies bedeutet, dass sich der Gesamtzugang im Anker von bisher rund 800 Personen im Monat auf voraussichtlich 1200 Personen erhöhen wird", machte Beutert deutlich.
Anker nimmt auch Türkei-Flüchtlinge auf
Neu ist auch, dass die Ankereinrichtung seit Oktober Flüchtlinge aus der Türkei aufnehmen muss, jede vierte Woche im Wechsel mit anderen Ankern in Bayern. In der ersten Türkei-Woche kamen 640 türkische Flüchtlinge, die Gesamtzahl der ankommenden Personen erhöhte sich damit auf 847.
"Die Entwicklung im Anker geht konstant nach oben", so Beutert. Zwischen 2016 und 2021 lagen die jährlichen Zugänge im Anker immer zwischen 2000 und 3000 Personen. 2022 schossen sie dann auf 5019, dazu kamen noch 3120 Flüchtlinge aus der Ukraine. 2023 könnte ein neues Rekordjahr werden. Schon bis Mitte des dritten Quartals lag der Anker bei 4303 Zugängen. Die Ukraine-Flüchtlinge sind deutlich weniger geworden. Bis Mitte September wurden 551 Personen aus dem Kriegsland gezählt. Das entspricht 11,4 Prozent aller Flüchtlinge.
Den Höchststand an Bewohnern und Bewohnerinnen hatte der unterfränkische Anker am 7. November. An diesem Tag wurden 2101 Menschen in der Einrichtung gezählt. Wie schnell sich die Lage ändern, zeigen die tagesaktuellen Zahlen. Am 24. November meldet der Anker 1450 Personen. Über 500 Flüchtlinge wurden in den vergangenen zwei Wochen in dezentrale Unterkünfte verlegt.