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Schweinfurt
Kunsthalle stellt mit Ausstellung "InformELLE" Künstlerinnen in den Fokus
Die neue Ausstellung in der Großen Halle bis 22. Juni offenbart weit mehr als gegenständliche Darstellungen und hat ein großes Begleitprogramm.
Die Ausstellung InformELLE  in der Kunsthalle Schweinfurt zeigt 80 Werke von 16 Künstlerinnen der 1950/60er Jahre.
Foto: Josef Lamber | Die Ausstellung InformELLE in der Kunsthalle Schweinfurt zeigt 80 Werke von 16 Künstlerinnen der 1950/60er Jahre.
Charlotte Wahler
 |  aktualisiert: 02.03.2025 02:46 Uhr

"Wie kann man Blumenbilder malen beim Anbruch einer neuen Zeit?" Das soll die Künstlerin Helen Dahm gefragt haben anlässlich des ersten Sputnik-Fluges ins Weltall. Neue Möglichkeiten, neue Denkräume eröffneten sich Mitte des 20. Jahrhunderts durch die "Kunst des Unformalen", des Informel, das als Epoche ein Sammelschwerpunkt der Kunsthalle ist.

Und nun also die Frauen des Informel – spannende Wiederentdeckungen sind den Kuratoren Ulrich Etscheid und Roland Knieg von der Hessen Kassel Heritage zusammen mit der Sammlungsleiterin der Neuen Galerie in Kassel, Dorothee Gerkens, zu verdanken. Außerdem ist ihnen ein hervorragender Ausstellungskatalog gelungen, der einen vertiefenden Einblick in die Jahre nach dem Wiederaufbau ermöglicht.

Das Informel ordnet sich als europäische Variante des abstrakten Expressionismus in die Kunstgeschichte ein und, wie so oft, fehlen darin die Werke von Frauen oder es sind nur einige wenige genannt. Den Künstlerinnen, die zum Teil an internationalen Ausstellungen wie der Documenta oder der Biennale teilnahmen, danach aber selten in Museen auftauchten und weitgehend vergessen wurden, wird nun eine ihnen würdige Aufmerksamkeit zuteil.

Bis zum 22. Juni ist die Ausstellung InformELLE  in der Kunsthalle Schweinfurt zu sehen.
Foto: Josef Lamber | Bis zum 22. Juni ist die Ausstellung InformELLE in der Kunsthalle Schweinfurt zu sehen.

Es stehen rund 80 Objekte von 16 Künstlerinnen im großen Saal und auch an weiteren Plätzen der Kunsthalle. Sie laden ein zur Spurensuche nach der Befindlichkeit der Zeitgenossinnen dieser Epoche. Wenn auch das Informel weitgehend auf gegenständliche Darstellungen verzichtet, finden wir dennoch Tiefgehendes. Aus den Gemälden, deren offene prozessuale Bildform ja auch den Kunstschaffenden ab und zu Überraschendes ans Licht brachte, springen uns oft die reinen emotionalen Zustände sehr heftig an – der Tigersprung des Vergangenen in die Gegenwart. Beispielsweise das Gemälde Midas II von Hedwig Thun von 1963, das auch heute noch sehr aktuell zur Wirkung kommt.

Die Wiederentdeckung der Farbe nach dem Zweiten Weltkrieg

Im eher experimentellen Kunstschaffen des Informel drücken sich Gefühlszustände oft sehr deutlich aus, zum einen die Lust an der Wiederentdeckung der Farben, der Lebendigkeit der Welt, zum anderen aber lässt es auch eine Zeit hervortreten, die das sprachlose Grauen der Kriegsjahre noch in den Knochen hatte.

Und Frauen standen in dieser Zeit anders als Männer. Sie waren in ihrem Schaffen oft kaum erträglichen Sexismen ausgesetzt, ihre Rolle war noch ganz klar auf die des häuslichen Dienstes reduziert, sie traten oft künstlerisch zurück zugunsten der Karriere des Ehemannes. Oder strukturelle Schwierigkeiten wie Ausstellungsmöglichkeiten, finanzielle Bedingtheiten oder, oder, oder – es gibt viele Verhinderungsgründe für das weibliche Kunstschaffen.

Erst seit 1919 hatten Frauen Zugang zur akademischen Kunst. Christoph Zuschlag, Professor am Bonner Kunsthistorischen Institut zitiert in seiner Eröffnungsrede den Kommentar eines Zeitgenossen des Informel: "Das ist so gut, dass man nicht merkt, dass es von einer Frau gemalt wurde." Im Ausstellungskatalog finden sich zahlreiche weitere Beispiele für beleidigende Kommentare von Frauenwerken.

Zahlreiche Gäste kamen zur Eröffnung der Ausstellung InformELLE  in der Kunsthalle.
Foto: Josef Lamber | Zahlreiche Gäste kamen zur Eröffnung der Ausstellung InformELLE in der Kunsthalle.

Gut also, dass immer wieder die bisher blinden Flecken weiblichen Kunstschaffens aufgegriffen und enthüllt werden. Auch diese Ausstellung soll einen Beitrag dazu leisten, dass Frauen endlich dauerhaft im kunsthistorischen Kanon verankert werden, so Zuschlag.

Dass kooperierende Gesellschaftssysteme weitaus erfolgreicher sind als konkurrierende, zeigt sich auch in der Ausstellung. Sie ist ein Gemeinschaftsprojekt der Kunsthalle mit der Hessen Kassel Heritage und dem Emil Schumacher Museum in Hagen in Zusammenarbeit mit der Forschungsstelle Informelle Kunst an der Universität Bonn. Gezeigt werden, zum Teil erstmals, die Werke von Mary Bauermeister, Chow Chung-cheng, Helen Dahm, Natalia Dumitresco, Juana Francés, Sigrid Kopfermann, Maria Lassnig, Roswitha Lüder, Brigitte Meier-Denninghoff, Judit Reigl, Marie-Louise von Rogister, Christa von Schnitzler, Sarah Schumann, Soshana, Hedwig Thun und Maria Helena Vieira da Silva.

Die Ausstellung läuft bis 22. Juni, ein umfangreiches Begleitprogramm begleitet die Schau.

 
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