Wie gewinnt man die so dringend benötigten Pflegekräfte? Winfried Wiendl, 72-jähriger Ex-Finanzmanager, praktiziert mit seiner Pflegedank-Stiftung derzeit Nachwuchswerbung in 40 Schulklassen in Stadt und Landkreis Schweinfurt, in denen er über das Berufsbild informiert. Mit in seinem Team: Junge Pflege-Auszubildende, die den Schülerinnen und Schülern, die vor der Berufswahl stehen, von ihrer Arbeit erzählen.
Wie kommt ein ehemaliger Finanzmanager dazu, sich um Pflegekräfte zu bemühen? Weil er aus persönlichen Erlebnissen in Pflegeheimen die Situation von Pflegekräften kennt. Um ihnen zum einen die verdiente Wertschätzung zu geben, verteilt seine 2018 gegründete Pflegedank-Stiftung Wertgutscheine und finanziert teambildende Maßnahmen wie Mitarbeiterausflüge oder Sportangebote. 120.000 Euro an Spenden erhielt die Stiftung in 2021 und gab sie an Pflegekräfte weiter.
Mehr für das Image und die Nachwuchsgewinnung tun
Zum anderen weiß Wiendl, dass angesichts des Pflegekräftemangels mehr für das Image und die Nachwuchsgewinnung getan werden muss. Seit zwei Jahren besucht der Ruheständler aus Untertheres daher die Mittel- und Realschulklassen in der Region: 2020 im Landkreis Haßberge, 2021 im Landkreis Bad Kissingen und in diesem Jahr 13 Schulen mit 40 achten und neunten Klassen in Stadt und Landkreis Schweinfurt. Sein Ziel: Dass mehr junge Leute den Pflegebereich als attraktive, krisensichere, abwechslungsreiche und durchaus lukrative Alternative wahrnehmen.
"Wir haben in diesem Jahr die Klassen in den Berufsfachschulen teilweise nicht mehr voll bekommen", unterstreicht Anja Lehmeyer die Brisanz der Nachwuchssituation. Die Geschäftsstellenleiterin der GesundheitsregionPlus Stadt und Landkreis Schweinfurt arbeitet eng mit der Region Haßberge zusammen. Dort ist die Situation ähnlich.
Von Wiendls Aktion ist Lehmeyer äußerst angetan. Sie will zudem das Schul-Projekt "Pflege on Tour" aus den Haßbergen für Schweinfurt übernehmen: Jugendliche der neunten M-Klassen und Mittelschulen können am Ende des Schuljahres Projekttage in Pflegeeinrichtungen verbringen und dort hautnah den Tagesablauf erleben. "Aber wir haben noch das Problem, ob die Schüler wegen Corona überhaupt in die Altenheime und Krankenhäuser hineindürfen."
Solche Hürden musste Winfried Wiendl mit seinen Schulbesuchen nicht überwinden. Jetzt steht er mit den beiden Ehrenamtlichen Klaus Götzelmann und Rosemarie Blümel sowie jungen Pflegekräften täglich vor 14- bis 15-jährigen Jugendlichen, um über den Pflegeberuf zu informieren und mit manchem Vorurteil aufzuräumen.
Abwechslungsreiche und anspruchsvolle Arbeit
Juliana Ludwig, Celine Hartmann und Kai Bonfigt sind an diesem Tag in der Mittelschule Poppenhausen die überzeugten Pflegekraft-Azubis im zweiten Ausbildungsjahr. Aufmerksam hören die Mädchen und Jungen ihre unterschiedlichen Wege zum Ziel: Über die zunächst zweijährige Sozialpflege-Ausbildung – Vollzeitunterricht mit vier Blockpraktika – und danach die dreijährige Ausbildung zur Pflegefachkraft, über den direkten Beginn der generalistischen Pflege-Ausbildung nach dem Real- oder Mittelschulabschluss oder über ein abgebrochenes Studium.
Aus ihrem Alltag berichten die drei von den unterschiedlichen Stationen, in denen sie ausgebildet werden und mitarbeiten: von der Intensivstation bis zur psychiatrischen Abteilung. Die abwechslungsreiche, anspruchsvolle Arbeit, der Kontakt zu anderen Menschen und auch die Verantwortung seien es, die ihr gefallen, sagt die 17-jährige Celine. Verbände anlegen, Medikamente ausgeben, Visite begleiten, Operationen vorbereiten, Patienten an Beatmungsgeräten überwachen, aber auch die Grundpflege erfüllen und Essen ausgeben, das alles und noch mehr erledigen die jungen Leute.
Auf den Zeitdruck, der teilweise wegen des Pflegekräftemangels herrscht, könnte sie allerdings verzichten, sagt Celine. Aber: "Wenn man helfen kann, und sei es auch nur durch Gespräche, dann freut man sich". "Und die Leute sind sehr dankbar", ergänzt Juliana. Sie erfahre eine besondere Befriedigung, wenn Patienten, die sie zuvor betreut habe, gesund das Krankenhaus verlassen könnten. Auch wenn die Schichtarbeit sie "ab und zu schlaucht".
Dreijährige generalistische Pflege-Ausbildung
Wiendl selbst erläutert die dreijährige generalistische Pflege-Ausbildung. Die früher unterschiedlichen Ausbildungsinhalte für Krankenhaus, Altersheim oder Kinderklinik sind heute in einer Ausbildung zusammengefasst. Erst nach Abschluss entscheidet man sich für eine Richtung. Und man kann auch leichter in eine andere Sparte wechseln, weiß der 23-jährige Azubi Kai. Er schätzt zum einen die Weiterbildungsmöglichkeiten, sogar bis zum Einrichtungsleiter, und auch den Verdienst.
"Es stimmt einfach nicht, dass Pflegekräfte schlecht verdienen", sagt Wiendl zu den Jugendlichen. Ein Azubi erhält im ersten Jahr 1100 Euro, im dritten 1300 Euro. Das Einstiegsgehalt als Berufsanfänger liegt bei 2800 bis 3000 Euro brutto. Alle drei jungen Azubis würden sich über mehr Gleichgesinnte freuen. "Wir brauchen mehr Pflegekräfte", sagt Kai. "Aber wir brauchen auch einen besseren Pflegeschlüssel".
Weitere Informationen: www.pflegedank-stiftung.de