Schweinfurt hat jetzt eine Radwegekirche. Am Haupteingang der evangelisch-lutherischen Kreuzkirche in Oberndorf ist das von der Landeskirche verliehene Signet gleich unter dem Emblem angebracht, das die Pfarrkirche als offene Kirche kennzeichnet.
Radkirchen liegen an der Route von Radwanderwegen und müssen zumindest von Ostern bis zum Reformationstag tagsüber frei zugänglich sein. Auch muss sich die Gemeinde um die Ausweisung vom Radweg bis zu der Kirche kümmern, die durch äußere Ordnung, die Auslage von geistlichen Texten, einem speziellen Gebetsort und ein Anliegenbuch zur Besinnung einlädt.
Die Seelsorger Kerstin und Bernhard Vocke, die vor zweieinhalb Jahren nach Oberndorf kamen, haben mit dem Kirchenvorstand jetzt auf den schon bisher regen Besuch der Kirche außerhalb der Gottesdienste reagiert. Neben den Besuchern des Friedhofs sind es vor allem Radler, die an und in der Kirche Station machen und sich "fünf Minuten für sich" gönnen, so Pfarrer Vocke.
Kirchenbau erinnert an die ehemalige Burg
Zwischen Altarraum und Seiteneingang ist neu der geistliche Raum für Besucher eingerichtet – mit Anliegenbuch, der Auslage von Texten zur inneren Einkehr und auch mit einem Ständer für Opferkerzen, wobei der Globus für die brennenden Zeichen des Gebets zu Gott, "der die Welt umfasst" (Bernhard Vocke), steht.
Für die Gäste liegt im Bereich des Haupteingangs ein Kirchenführer aus, der in aller Kürze Oberndorf trotz der Eingemeindung nach Schweinfurt im Jahr 1919 als Stadtteil mit dörflichem Charakter und seinem Zentrum an der Kirche (Schule, Friedhof und evangelisches Gemeindehaus) vorstellt.
Das historische Zentrum von Oberndorf
Der Kirchenbau wirkt sehr alt, stammt jedoch aus den Jahren 1938 bis 1940. Gebaut wurde auf dem Gelände einer ehemaligen Burg, deren Wassergraben noch gut zu erkennen ist. Erhalten sind Teile der Burgkapelle (erstellt um 1300) in der quadratischen Apsis links neben dem Altarraum. Als um 1900 Oberndorf mit der Industrie wuchs, wurde die alte Kirche bis auf den Turm abgerissen und größer wieder aufgebaut. Der graue Stein wie auch der nur spärliche Lichteinfall wurden bewusst gewählt, um an das Mittelalter zu erinnern. Eindrucksvoll gestaltet sind die Kreuzigungsgruppe am Altar und die Rosette mit Buntglas über dem Haupteingang.
Der Bauauftrag ging übrigens nicht an den Sieger des ausgelobten Architektenwettbewerbs, da dieser den Nationalsozialisten sehr nahestand, sondern an den Zweitplatzierten Gottfried Dauner, der auch der Architekt der benachbarten Dr.-Pfeiffer-Schule ist. Das Relief von Helmut Ammann über dem Haupteingang zeigt die Feier eines Mannes, dem die Gäste abgesagt hatten und der daraufhin Arme und Obdachlose verpflegte, also die einlud, die es am wenigsten erwartet hatten.
Aus der Renaissance stammt der in Form einer Blume gestaltete Taufstein (etwa 1550) in der Apsis. An der Wand erinnert hier eine Steintafel an den Oberndorfer Moritz Fischer, Erfinder der Tretkurbel am Fahrrad.
Ein Fisch mit Schieferschuppen
Auf dem Friedhof an der Kirche stehen mächtige Platanen, die Teile des Wassergrabens verdecken, der durch die Regulierung des Mains vor 150 Jahren trockengelegt wurde. Nur wenige Meter von der Kirche entfernt findet sich gegenüber dem Kindergarten das Gemeindehaus, das durch Form und Schieferschuppen an einen Fisch (Zeichen der frühen Christen) denken lässt – der aus den nahen Main ins Zentrum von Oberndorf geschwommen ist.