Ich radle täglich. Je nach Wetter, Laune und Gelände bin ich mit dem Tourenrad, dem Mountainbike, dem Gravel oder dem Rennrad und immer mit viel Spaß unterwegs. Nicht nur, aber auch rund um Schweinfurt – der Stadt, in der Erfinder und Firmen die Fahrradbranche revolutioniert haben. Jetzt sitze ich seit zwei Stunden auf einem Liegerad und mir kommt in den Sinn, ob Fliegen wirklich noch schöner ist.
Mein Namenskollege Norbert Karl Landgraf, Inhaber der Firma Speedfun Liegeräder und seit über 25 Jahren an der Würzburger Straße in Schweinfurt-Oberndorf ansässig, ist die führende Adresse für Liegeräder in und über Unterfranken hinaus. Für die erste Fahrt auf dem tiefliegenden Untersatz hat der Händler des Nischenprodukts eine idyllische Strecke entlang des Main-Radwegs ausgesucht, die frei von Autos und von Steigungen ist. "Es geht erst einmal um das Gefühl für das Gerät", sagt er. Das hat sich schon nach den ersten Metern eingestellt – und es ist ein gutes.
Ich hatte mich für ein Modell der Firma HP Velotechnik mit drei Rädern entschieden: zwei vorne, eins hinten – ein Tadpole. Speedfun bietet auch andere sehr hochwertige Marken an. Die im Laden präsentierte Oberklasse der Branche wird einem beim Blick auf die Preisschilder schnell bewusst. Für das motorisierte Luxusgut, das als äußerst wertbeständig gilt, ist ein vier- bis fünfstelliger Betrag hinzulegen. Leasing ist hier eine besonders attraktive Alternative zum Kauf.
Neun von zehn Liegerädern fahren heute mit Motorenunterstützung
Noch vor zwei Jahrzehnten gab es vor allem das Einspur-Liegerad (ein Rad vorne, eins hinten). Heute sind zu 95 Prozent Dreiräder (Trikes) gefragt; neun von zehn mit Motorunterstützung. Ab 3000 Euro kann man sich den Traum vom Liegerad erfüllen. E-Bikes kosten ab 6000 Euro. Die Kundschaft in Oberndorf bevorzugt individuell zusammengebaute Räder für 10.000 bis zu 12.000 Euro, sagt Norbert Karl Landgraf.
Vor der Testfahrt hatte noch der Wetterschutz für das Dreirad überzeugt, der bei Sonne und leichtem Wind aber schnell wieder verstaut war. Und der Wind? Das Trike scheint unter ihm hindurchzufahren. Studien bescheinigen dem Liegerad gegenüber herkömmlichen Rädern einen um ein Drittel reduzierten Luftwiderstand. Dazu kommt spürbar mehr Kraft beim Tritt aus dem Fahrradsessel nach vorne in die Pedale.
Auch beim Bremsweg überzeugt das Liegerad gegenüber herkömmlichen Modellen
Optimal fühlt sich das Sitzen im Liegestuhl an. "Druckstellen am Po, Rückenschmerzen, steife Handgelenke und einen starren Nacken kannst du vergessen", versichert der Premiumhändler. Grandios ist die Bremsleistung: Laut den Testberichten mehrerer Fachzeitschriften reduziert sich der Bremsweg gegenüber dem Normalrad um bis zu 50 Prozent. Die Vollbremsung auf dem Maintalradwanderweg überzeugt zudem, dass ein Überschlag kaum zu bewerkstelligen ist.
Obwohl man knapp über dem Asphalt sitzt, wurde ich beim Abstecher durch Bergrheinfeld von den Autofahrern nicht übersehen, sondern aufmerksam beäugt, fast wie ein Sportwagenfahrer. Norbert Landgraf hört das nicht zum ersten Mal, mahnt aber trotzdem zu Vorsicht: "Man fällt sehr auf. Aber eine Lebensversicherung ist das nicht." Sein Rat gilt für alle Radler: "Mit auffälliger Kleidung und einem ebensolchen Helm punktet man bei der Sicherheit."
Von Rennrädern über Gelände-Maschinen bis zu Tandems: Die Auswahl ist riesig
Nahezu alle Schaltsysteme der Fahrradbranche können in Liegerädern integriert werden, egal ob manuell oder elektronisch. Die Auswahl an Typen und Modellen ist riesig: Citylieger, Lang-, Kurz- und Tieflieger, Tandems, Trikes mit zwei Rädern hinten oder vorne, Renn- und Geländemaschinen, Kinderräder, Velomobile (als Autoersatz für kurze Strecken) und nicht zu vergessen Reha-Räder für Menschen mit Handicap. Die Sitzposition kann variieren: von hoch für Genussradler bis extrem tief für Rennradler.
Zurück in der Oberndorfer Hauptstraße, die Testfahrt ist zu Ende. Die bietet Norbert Landgraf übrigens jedem an. Denn, sagt er: "Das Erlebnis muss erfahren werden." In die Zukunft sieht der Spezialist für Liegeräder durchweg positiv. Aus dem heutigen Nischenprodukt könnte mehr werden, davon ist er überzeugt. "Ich glaube, dass Liege- und Sesselräder mit Wetterschutz und Verkleidungen einen erheblichen Beitrag zur Mobilitätswende leisten werden."