Das Fahrrad hat in Schweinfurt so etwas wie eine eigene Mythologie. Dass es hier erfunden wurde, lässt sich ja leider nicht beweisen, denn etwa zu der Zeit, als der Oberndorfer Philipp Moritz Fischer sein Laufrad mit einer Tretkurbel ausstattete, also um 1860, hatte jemand in Frankreich eine ähnliche Idee. Jedenfalls: Philipp Moritz Fischers Erfindung sollte sich für Schweinfurt als schicksalhaft erweisen.
Das originale Tretkurbelfahrrad hat sich erhalten, bis 14. Oktober ist ein Nachbau von Schaeffler in der elften Ausgabe der Ausstellungsreihe Made in der Glashalle des Konferenzzentrums zu sehen: Zum 200. Geburtstag Philipp Moritz Fischers (1812–1890) hat die Kunsthistorikerin und Volkskundlerin Daniela Schedel die Ausstellung „Der Fahrradpionier Philipp Moritz Fischer – einer, der Schweinfurt bewegt“ konzipiert.
Philipp Moritz Fischer war Orgelbauer und Instrumentenmacher. „Er wollte einfach ein Gefährt, mit dem er schneller zu seinen Kunden aufs Land fahren konnte“, sagt Daniela Schedel. Und so erweiterte er das Laufrad um die Tretkurbel. Das in schickem Schwarz gefasste Tretkurbelfahrrad ist sozusagen der Einstieg in die Geschichte. Aus England folgte das berühmt-berüchtigte Hochrad, dessen Handhabung man in Schulen lernen konnte – was längst nicht alle Adepten, unter ihnen Mark Twain, vor schweren Stürzen bewahrte. Friedrich Fischer (1849–1899), Philipp Moritz' Sohn, konstruierte 1883 die Kugelmühle und machte so erst das perfekt rund laufende Lager möglich, und Ernst Sachs, dessen Karriere als Rennfahrer auf dem Hochrad begonnen hatte, steuerte Entwicklungen wie die Torpedo-Freilaufnabe bei. Dank dieser Erfindungen gilt Schweinfurt als „Geburtsort des modernen Fahrrads“, heißt es im höchst informativen und unterhaltsamen Katalog.
Schweinfurt wurde zu einer Industriestadt von Weltrang und zum Zentrum der europäischen Wälzlagerindustrie. In der Ausstellung sind dank vieler Leihgeber neben historischem Bildmaterial Räder aus allen Entwicklungsphasen zu sehen. Modelle der Schweinfurter Firma Schelba etwa, die von den 1920er- bis in die 1970er- Jahre existierte. Saxer und Saxonette natürlich oder Produkte von Haibike oder Winora.
Auch das große Kapital Sportgeschichte ist mit historischen Rennmaschinen dokumentiert. Das Modell von 1954 dürfte dem entsprechen, das Reinhold Pommer bei seinem größten Erfolg benutzt hat: 1956 gewann er bei den Olympischen Spielen in Melbourne als einziger Wessi in einer gesamtdeutschen Mannschaft die Bronzemedaille. Pommer ist zur Ausstellungseröffnung gekommen, die Medaille hat er mitgebracht. Groß, ruhig und bescheiden steht er neben dem Bild, das ihn 1958 mit der Sachs-Torpedo-Mannschaft zeigt, für die er vier Jahre als Profi fuhr. Dann ging das Knie kaputt. Reinhold Pommer steht für eine der vielen Geschichten, aus denen die ganz spezielle Schweinfurter Fahrradmythologie besteht.
Führungen: 15. September, 16 Uhr, und 7. Oktober, 10 Uhr. Die Ausstellung läuft bis 14. Oktober.