Eine wesentliche Frage bleibt unbeantwortet, als Dipl. Ingenieurin Jana Kraus am Donnerstag ihren Bericht vor dem Ferienausschuss des Schweinfurter Stadtrats zuklappt: Warum sind die Stadt und die Wirtschaft scheinbar in der Spur, wenn es darum geht, sich den Zielen des eigenen Klimaschutzkonzepts anzunähern – die privaten Haushalte aber nicht? Laut Controlling-Bericht der energievision Franken GmbH Bamberg, den Kraus vorstellte, tut sich eine Schere auf, was die Energieeinsparungen und damit die Treibhausgas-Emissionen in den vergangenen fünf Jahren betrifft.
Während die Stadtverwaltung ihren Energieverbrauch von 2014 bis 2019 um 10 Prozent pro Jahr drosselte und damit 22 Prozent an Treibhausgasen eingespart hat, der Energieverbrauch der Wirtschaft um sechs Prozent sank, die Treibhausgas-Emission um 14 Prozent, ist der Energieverbrauch im privaten Bereich gestiegen: um acht Prozent. Entsprechend gering ist die Einsparung bei den Treibhausgas-Emissionen, sie sind bei den privaten Haushalten gerade mal um ein Prozent gesunken. Fazit: Man muss die Bürger mehr mitnehmen, fördern und mehr aufklären, auch, was die Möglichkeiten der Bürger betrifft. Stichwort Photovoltaikanlagen. Nur auf vier Prozent der Dächer in Schweinfurt wird Sonnenenergie zu Strom umgewandelt. Das Potenzial ist also groß, die Produktion durch erneuerbare Energien in den letzten fünf Jahren aber nur leicht gestiegen.
Klar sei, so Kraus, dass es in einer Industriestadt wie Schweinfurt nur gelingen werde, die Emissionen bis zu einem gewissen Grad herunterzufahren. Was den Energieverbrauch und die Emissionen betrifft, ist der Anteil der Wirtschaft, die mit ihren Einsparungen im Soll liegt, der größte. Dahinter folgen mit weniger als der Hälfte die privaten Haushalte. Dennoch machen sie den zweitgrößten Posten bei Energieverbrauch und Emissionen aus; gefolgt vom Bereich Verkehr. Nur eine kleine Rolle spielt die Stadt selbst.
Fazit der Zwischenbilanz: Schweinfurt ist auf einem guten Weg, hat hat aber noch einiges zu tun. Von dem Ziel, das das 2014 verabschiedete Klimaschutzkonzept vorgibt, ist man weit entfernt. 20 Prozent klimaschädliches Kohlendioxid will Schweinfurt bis 2030 einsparen – im Vergleich zu 2014. In den fünf Jahren, seitdem es das Klimaschutzkonzept gibt, hat man bisher eine Einsparung um 10 Prozent der Treibhausgasemissionen erreicht und drei Prozent weniger Energie verbraucht. Lag der Treibhausgas-Ausstoß pro Kopf im Jahr 2014 noch bei 20,04 Tonnen, waren es 2019 17,3.
Von den 54 Maßnahmen, die das Institut zur knappen Hälfte mit "sehr gut" bewertet, laufen die meisten noch (70 Prozent). 15 Prozent sind abgeschlossen. Fazit für die Experten der beauftragten Gesellschaft: Die Klimaschutzarbeit hat sich in Schweinfurt erfolgreich etabliert, doch das ist kein Grund, sich auszuruhen. "Die Sache läuft, könnte aber noch deutlich an Fahrt aufnehmen", so Jana Kraus von der energievision Franken, die vor fünf Jahren auch das Konzept erstellt hatte.
Bisher gibt es in Schweinfurt mit Astrid Köhler eine Klimaschutzkoordinatorin; jetzt soll eine zweite Stelle dazu kommen. Nach der Zustimmung des Ferienausschusses will die Stadt einen Klimaschutzbeauftragten anstellen. Die Stelle wird für einen Ingenieur ausgeschrieben und kann laut Verwaltung für die Dauer von drei Jahren mit bis zu 40 Prozent vom Staat gefördert werden. Bleiben jährlich rund 70 000 Euro für die Stadt.
Auf dem richtigen Weg oder viel zu langsam?
Eine Stelle, die helfen könnte, um die Bürger mehr mitzunehmen als bisher, meinte Johannes Petersen (SPD). Was dringend nötig wäre angesichts der alarmierenden Zahlen. Insgesamt werte er das Ergebnis der Zwischenbilanz positiv: "Wir haben Potenzial nach oben, konnten aber schon viel erreichen." Einig war er sich mit Ulrike Schneider (Zukunft./ÖDP) darin, dass man über das Ergebnis des Controllings noch weiter beraten sollte. Was, so Umweltreferent Jan von Lackum, auch der Fall sein wird. Die Präsentation des Berichts im Ferienausschuss sei nur eine Information. Grundlage dafür, wie man den Weg weiter gehen wolle.
Allenfalls als positiven Trend wollte Ulrike Schneider das werten, was bisher erreicht wurde, vor allem wegen des Engagements der Wirtschaft. Man müsse mehr tun, größere Schritte gehen und vor allem den Trend bei den privaten Haushalten umkehren. Viel, was in Schweinfurt gemacht wurde, sei nett, aber nicht effektiv genug, urteilte die Stadträtin. Großes Potenzial sieht sie, ebenso wie Adi Schön (Freie Wähler), im Bereich der Photovoltaik. Dazu zwingen könnte man aber niemanden, betonte Rüdiger Köhler (CSU). Man müsse die Bürger überzeugen, fördern. Er sieht Schweinfurt auf dem richtigen Weg, die Stadt gehe mit gutem Beispiel voran.
Kritik an den Stadtwerken: Strommix mit hohen Emissionen
Als Stellschraube, etwas weiter zum Positiven zu verändern, sieht Sinan Öztürk (Die Linke) die Stadtwerke. Deren Strommix liege mit seiner Emissionsbilanz wesentlich schlechter als der vieler anderer Stadtwerke. Die Stadtwerke würden an diesem Strommix arbeiten, entgegnete Finanzreferentin Anna Barbara Keck. Allerdings sei der Ökostrom, den die Schweinfurter vertreiben würden, auch ein echter, eigenproduzierter. Nicht wie bei manch anderen zugekaufter. Und, so Oberbürgermeister Sebastian Remelé: Der private Verbraucher sei in Sachen Ökostrom sehr zurückhaltend. Er mahnte an dieser Stelle, dass die Energiekosten für die Wirtschaft ein entscheidender Standortfaktor seien. Die Wirtschaft, entgegnete Schneider trocken, beziehe ihren Strom aber nicht von den Stadtwerken, sondern kaufe ihn anderswo ein.
In einer früheren Version des Artikels war bei den Einsparungen im zweiten Absatz von Megawattstunden die Rede. Das ist falsch. Der Verbrauch beziehungsweise die Emission wurde im Controllingbericht in Prozent angegeben.