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Schweinfurt
Klimapaket: Was bedeutet es für die Industrie in Schweinfurt?
Das Klimapaket der Bundesregierung hat Anfang Oktober hohe Wellen geschlagen. Auch Schweinfurt ist betroffen. Industrievertreter erklären, was es für die Region bedeutet.
Das Gemeinschaftskraftwerk GKS, im Vordergrund, versorgt die Schweinfurter Industrie mit Prozesswärme.
Foto: Ruppert | Das Gemeinschaftskraftwerk GKS, im Vordergrund, versorgt die Schweinfurter Industrie mit Prozesswärme.
Aaron Niemeyer
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:28 Uhr

Das Klimapaket der Bundesregierung hatte Anfang Oktober für breite Kontroversen gesorgt. Als "Bankrotterklärung" bezeichneten es die einen. Einen Schritt in die richtige Richtung nannten es die anderen. Während Umweltorganisationen sich kritisch gaben, zeigten sich Industrievertreter überwiegend zufrieden. Auch in Schweinfurt ist das Klimapaket ein wichtiges Thema. Branchenkenner beantworten nun die wichtigsten Fragen.

Hintergrundinformation: Für diesen Beitrag haben wir die großen Schweinfurter Industrieunternehmen (ZF, SKF, Bosch Rexroth, Schaeffler) um Stellungnahme gebeten. Inhaltlich geäußert haben sich allerdings nur jene, die Sie im Text finden.

Warum ist das Klimapaket für die Schweinfurter Industrie überhaupt relevant?

Das Klimapaket erweitert die Bepreisung von CO2-Emissionen auf die Bereiche Verkehr und Gebäude. Denn für Gebäudewärme und Verkehr fehlt laut dem Presse- und Informationsamt der Bundesregierung bisher ein wirksames Preissignal, "das die CO2-Intensität durch den Verbrauch von fossilen Heiz- und Kraftstoffen abbildet". Dies betrifft Industrieanlagen, wie sie in Schweinfurt betrieben werden. Betroffen davon ist etwa der Automobilzulieferer ZF, der laut Pressesprecher Michael Lautenschlager zwar großteils mit erneuerbaren Brennstoffen arbeitet, jedoch auch nicht-regenerative Energieträger verbraucht. "Deshalb sind wir hier auch von der genannten Maßnahme des Klimapakets betroffen." Zudem sei auch die Automobilindustrie zukünftig verpflichtet, Emissionrechte am Markt zu erstehen. Als Zulieferer sei man also auch betroffen, "indem mehr Komponenten für die Elektromobilität gefordert werden und Komponenten für Verbrennungsmotoren einen Rückgang erleben."

"Komponenten für Verbrennungsmotoren werden einen Rückgang erleben."
Michael Lautenschlager, Pressesprecher ZF

Wird die Produktion für die Schweinfurter Industrie jetzt teurer?

Laut ZF-Sprecher Lautenschlager lässt sich dies bislang nicht beantworten: "Inwieweit die Bepreisung von CO2-Emissionen kurzfristig unsere Produktionsprozesse verändern wird, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gesagt werden." Mehr ins Detail geht hier Marcel Gränz von der IHK Würzburg-Schweinfurt. Er verweist auf das Gemeinschaftskraftwerk Schweinfurt (GKS), bei dem SKF, ZF und Schaeffler als Gesellschafter beteiligt sind. Das GKS unterliege dem europäischen Emissionshandel und sei deshalb nicht unmittelbar vom Klimapaket betroffen. "Prozesswärme sollte also zumindest für die Großindustrie nicht teurer werden." Bertram Brossardt, Geschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) betont: "Entscheidend ist zunächst, dass es zu keinen Doppelbelastungen für die energieintensive Industrie kommt, die ja bereits im europäischen Emissionshandel wirkungsvoll reguliert ist."

Sind durch die Maßnahmen Arbeitsplätze in Schweinfurt bedroht?

Diese Frage wird von Brancheninsidern tendenziell verneint. Peter Kippes, erster Bevollmächtigter der IG Metall in Schweinfurt sagt dazu: "Wir gehen nicht davon aus, dass am Industriestandort Schweinfurt dadurch Arbeitsplätze bedroht sein werden." Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt auch ZF-Mann Michael Lautenschlager:  "Wir sehen uns aktuell wirtschaftlich solide aufgestellt, so dass wir die notwendige Transformation unseres Unternehmens gemeinsam mit unseren Mitarbeitern gestalten können. Das Klimapaket selbst bedroht Arbeitsplätze in unserem Unternehmen kaum."

"Wir gehen nicht davon aus, dass am Industriestandort Schweinfurt dadurch Arbeitsplätze bedroht sein werden."
Peter Kippes, erster Bevollmächtigter IG Metall Schweinfurt

Was tut die Schweinfurter Industrie, um ihre Emissionen zu senken?

Folgt man Branchenvertretern, so versucht die Industrie, ihre Emissionen verstärkt im Gebäudesektor zu reduzieren. ZF-Sprecher Lautenschlager sagt hierzu: "Allein im letzten Jahr haben wir über 165 Projekte weltweit umgesetzt, bei denen Themen wie Heizungsmodernisierungen, Wärmerückgewinnung oder auch die verstärkte Eigenproduktion von Strom durch erneuerbare Energien im Mittelpunkt stand." Ähnliches berichtet Nicole Killisch-Horn, Pressesprecherin bei Bosch Rexroth. So habe man im Schweinfurter Werk etwa die Beleuchtung durch LED-Lampen ausgetauscht . "Zum anderen wurden aber auch komplexere Umbauten durchgeführt. Beispiele sind die Integration eines zentralen, bedarfsgesteuerten Lüftungssystems mit Wärmerückgewinnung oder der Einsatz neuer effizienter Kühlwasserpumpen."

Kann die hiesige Industrie vom Klimapaket vielleicht sogar profitieren?

Das Klimapaket will Unternehmen auch durch finanzielle Anreize zum Klimaschutz bewegen. Ein Investitionsprogramm soll Optimierungen im Bereich Energie- und Ressourceneffizienz fördern.  Schweinfurter Branchenvertreter begrüßen dies, wünschen sich jedoch weitergehende Maßnahmen. "Wir setzen uns schon seit Jahren für die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung ein. Sie ist ein besonders effektiver Hebel zur Minderung von CO2-Emissionen und stärkt die lokale Wertschöpfung," so VBW-Geschäftsführer  Brossardt. IHK-Sprecher Gränz ergänzt: "Laut Eckpunktepapier soll die steuerliche Förderung 'energetische Gebäudesanierung' für selbst genutzten Wohnraum greifen. Das schließt Gewerbeimmobilien jeglicher Art aus. Hier gilt es, im Gesetzgebungsprozess beziehungsweise bei der Erarbeitung der Förderrichtlinien nachzusteuern."

Wie bewertet die Schweinfurter Industrie das Klimapaket?

Grundsätzlich wird das Klimapaket in der Region positiv beurteilt. ZF-Sprecher Lautenschlager beteuert: "ZF bekennt sich zu den Pariser Klimazielen. Jede Aktivität in diesem Sinne – und damit auch das Klimapaket der Bundesregierung – ist ein Schritt in die richtige Richtung." Er schränkt jedoch auch ein: "Allerdings erscheint es aktuell so, als ob Maßnahmen und Zielvorgaben nicht immer Hand in Hand gehen." VBW-Mann Brossardt sieht das ähnlich:  "Das Klimapaket der Bundesregierung weist in die richtige Richtung. Klimafreundlichkeit muss allerdings technologieoffen gewährleistet werden. Dies wurde nicht durchgängig berücksichtigt."

Was sagt die Gewerkschaft?

Gewerkschaftsvertreter Peter Kippes kritisiert den bislang fehlenden Gestaltungswillen der Bundesregierung, sieht im Klimapaket jedoch auch Potenziale: "Insgesamt kann man sagen, dass die Industrie genervt ist vom fehlenden Mut der Bundesregierung. Ein verbindliches Klimapaket war längst überfällig. Im Übrigen bin ich mir sicher, dass wir als Industriestandort Deutschland bei härteren Umweltstandards zukünftig ein Absatzplus verzeichnen können, wenn wir uns rechtzeitig darauf einstellen."

 
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