Nicht nur für die Landesgartenschau hat die Stadt Schweinfurt ein Vorzeigeprojekt im Visier, das weit über die Grenzen des an Regen armen Unterfrankens ein Zeichen beim verantwortungsvollen Umgang mit Wasser setzen würde. Gießen will man spätestens 2023 im neuen Stadtteil Bellevue, im Willy-Sachs-Stadion, entlang der Carus-Allee und in allen angrenzenden Bereichen Blumen, Bäume und Grünflächen mit dem Wasser aus dem Klärwerk.
Warten auf die Förderung
Die Fördermittel des Bundes sollten ursprünglich schon 2019 bewilligt werden. Doch Informationen zu dem Projekt mussten nachgereicht werden und der städtische Umweltreferent Jan von Lackum hofft jetzt auf eine Zuteilung noch vor Jahreswechsel. Beginnen kann dann die Wasseraufbereitung in einem "Reallabor" samt Gewächshaus im Klärwerk und Versuchsreihen auf dem TVO-Gelände, wo sich zeigen soll, wie sich der bislang mechanisch, chemisch und biologisch gereinigte Kläranlagenablauf nicht nur als Oberflächenwasser in den Main ableiten, sondern als Nutzwasser in der Landschaftspflege einsetzen lässt. Auszuschließen ist dabei eine Gefährdung von Mensch und Tier (durch direkten Kontakt oder Ernteprodukte) sowie eine Gefährdung des Grundwassers. Eine besondere Herausforderung ist der Entzug von Medikamentenrückständen wie auch von Antibiotika, von Pestiziden, Körperpflegemitteln und Industriechemikalien sowie von Mikroplastik aller Art und auch von Bakterien und Viren.
Diese Spurenstoffe werden bei der herkömmlichen Klärtechnik nicht entfernt. Lösungsansätze favorisieren spezielle Membranen oder Oxidationsverfahren. Zu ermitteln ist im Reallabor, wie dieses Nutzwasser auf Pflanzen wirkt, wobei ein absolut reines und damit aller Nährstoffe beraubtes Wasser die Pflanzen womöglich auch nicht überleben lässt, was vor dem Gießen eine Anreicherung mit den gewünschten Stoffen zur Folge hätte.
Druckleitung im Kanal verlegt
Von Lackum geht davon aus, dass nach zwei Jahren die Versuche abgeschlossen und auch eine Druckleitung vom Klärwerk in Oberndorf bis zum Stadion gebaut ist. Diese kann mit einem geringen Durchmesser im vorhandenen Abwasserkanal installiert werden, was die Kosten in einem überschaubaren Rahmen hält. Allerdings müssen zusätzlich Speicher erstellt werden, die das dauerhaft gelieferte Nutzwasser aufnehmen können.
Vorteilhaft wären die Erkenntnisse aus dem Reallabor auch für den weiteren Ausbau des Klärwerks. Mit steigenden Qualitätskriterien wird auf Dauer kein Weg am Bau einer vierten Reinigungsstufe vorbeiführen, die vergleichbare Kriterien erfüllen muss.
Auch wäre die Leitung zum Stadion der Einstieg in die Realisierung eines im September vorgestellten Forschungsprojekts des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz. Dieses kam zu dem Ergebnis, dass sich das Schweinfurter Klärwasser bestens für die Stadtbäume, für Parks, aber auch für den Schwebheimer Kräuteranbau sowie die Gochsheimer Gemüsebauern nutzen lässt.
Wasser muss aufbereitet werden
Aus dem Klärwerk fließen jährlich zehn Millionen Kubikmeter ordentlich gereinigtes Abwasser – also die zehnfache Menge dessen, was entlang des Unkenbachs, auf einer 60 Hektar großen Anbaufläche bei Gochsheim (südlich der Verbindungsstraße nach Grafenrheinfeld) und rund um Stadion und Bellevue (ehemalige US-Wohnsiedlung am John-F.-Kennedy-Ring) gebraucht wird. Als Voraussetzung nennt der Forschungsbericht eine weitere Wasseraufbereitung, die das Risiko durch Bakterien und Viren reduziert, die Gefahr von Antibiotika-Resistenzen bannt und Chemikalien wie Stickstoffe und Salze entzieht.
Vorgeschlagen sind dafür eine Keramische Ultrafiltration samt UV-Bestrahlung, der Einsatz von Ozon oder etwa auch von Pulveraktivkohle. Die Kosten für die 3,5 Kilometer lange Durchleitung zum Stadion mit den Übergabepunkten für das TVO-Gelände, den Pfisterpark, die Sportstätten am Humboldt-Gymnasium, für das Gelände der Landesgartenschau, für die Eishalle und die DJK ist von der Studie auf einen im untersten Millionenbereich angesiedelten Eurobetrag eingeordnet.
Das heißt aber auch: belastetes Abwasser fließt die ganze Zeit aus der Kläranlage in den Main.