Auf die Startbedingungen kommt es an. Für Professor Dr. Detlef Krüger ist dieser Satz der Schlüssel zu allem, wenn es um die Entwicklung von Kindern geht. Wobei es dabei nicht nur um Kindergarten und Schule geht. Die Weichen für die Entwicklung werden schon im Mutterleib gestellt, verdeutlichte er bei einem online-Vortrag auf Einladung von Diakonie und Evangelischem Bildungswerk.
Krüger war drei Jahre lang der wissenschaftliche Begleiter der Diakonie im Bundesmodellprogramm „Netzwerk Elternbegleitung Schweinfurter Mainbogen“. Unter anderem gab er Impulse, wie wichtig es ist, frühzeitig mit Kindern zu reden. Und zwar nicht in Babysprache.
Seit 2017 gibt es Elternbegleitung im Schweinfurter Mainbogen
Seit 2017 wird im Schweinfurter Mainbogen die Elternbegleitung angeboten, die für benachteiligte und einkommensschwache Familien da ist. Über das Mehrgenerationenhaus in Schwebheim werden zum Beispiel viele Angebote und Informationen weitergegeben.
Krüger spricht vor über 70 Teilnehmern zum Thema "Die biologische und soziale Macht der frühen Entwicklung im Lebensverlauf". Er legt dar, dass sich schon vor der Geburt eines Kindes Faktoren Einfluss darauf haben, ob es einmal erhöhte Risiken für psychische Erkrankungen als Jugendlicher oder Erwachsener haben wird. Fehlernährung, Alkohol-und Nikotinkonsum der Mutter sind solche Faktoren.
Rauchen oder Trinken während der Schwangerschaft trete bei Müttern mit niedrigerem sozialen Status öfter auf, zeige die Statistik. Das führe zu geringerem Geburtsgewicht, könne weitreichende Folgen für die weitere Entwicklung des Kindes haben, so Krüger. Gesundheitsentwicklung und Bildungsentwicklung liefen quasi parallel. "Die soziale Macht wirkt auch hier."
Die ersten zwei Lebensjahre sind entscheidend für die Entwicklung
Die ersten zwei Lebensjahre sind dann enorm wichtig, sagt Krüger. "Es ist sehr wichtig, was in der Familie passiert." Für ihn gehört dazu: "Reden, reden, reden." Und zwar frühzeitig als Dialog. Deswegen sei Elternbegleitung so wichtig. Man müsse die Eltern miteinbeziehen, Krüger spricht von einem Zwei-Generationen-Ansatz zur Förderung der Familiengesundheit. Um ein Kind zu erziehen, braucht man ein ganzes Dorf, zitiert er ein afrikanisches Sprichwort.
Nach Krügers Meinung gebe es in Deutschland einiges zu tun, was die Interaktion mit Eltern angehe. Durch Corona werde die Situation verschärft. "Es bedarf unglaublicher Anstrengungen, das aufzuholen." Ein Ziel müsse es sein, eine Brücke zwischen Familien und Schulen herzustellen. Ein anderes: Prävention. Das zahle sich aus, im wahrsten Sinn des Wortes. "Je früher die Intervention, desto höher die Rendite." Deswegen seine Forderung: Vor allem bis ins sechste Lebensjahr eines Kindes investieren. In vielen Bundesländern mache man das verkehrt.
Wie zahlt sich Prävention aus?
Krüger verweist auf eine Untersuchung: "Bei der Begleitung von 2035 Familien im Alter der Kinder zwischen 2 und 10 Jahren ergibt sich auf Basis der Daten aus dem Bundesprogramm Elternchance (BMFSFJ) eine Nutzen-Kosten-Rate zwischen 4,32 und 6,49: das heißt, für jeden 1 Euro Kosten der Elternbegleitung sinken in den Bereichen Kita, Schule und Jugendhilfe die Ausgaben zwischen 4,32 Euro (pessimistische Variante) und 6,49 Euro (optimistische Variante). Krüger sieht hier auch deutliche Vorteile für die Kommune, wenn sie in Elternbeteiligung investiert.
Krüger zitiert zum Schluss den schwedischen Politiker Olaf Palme. „Weil unsere Kinder unsere einzige reale Verbindung in die Zukunft sind und weil sie die Schwächsten sind, gehören sie an die erste Stelle der Gesellschaft.“ Ginge es nach Krüger, sollten alle Politiker und Politikerinnen dieses Zitat jeden morgen auf dem Frühstückstisch liegen haben.
Dr. Detlef Krüger war bis 2013 Professor für Sozial- und Gesundheitswissenschaften. Er hat zahlreiche Studien zur Familien und Kindesentwicklung durchgeführt und ausgewertet und arbeitet seit vielen Jahren wissenschaftlich für das Bundesfamilienministerium. Er war drei Jahre lang der wissenschaftliche Begleiter der Diakonie im Bundesmodellprogramm „Netzwerk Elternbegleitung Schweinfurter Mainbogen“.
Grau mein Freund ist alle Theorie
Einen einzigen Tag war ich im Kindergarten - es war schrecklich! Ich hatte das Glück, dass meine Mutter zuhause war, mittags kochte und mein selbständig tätiger Vater mit am Tisch saß - es wurde fachgesimpelt, statt Märchen erzählt.
Es ist leider Schicksal, in was für eine Welt ein Kind hineingeboren wird. Wenn die Mutter früh um acht schon RTL einschaltet und der Fernseher den ganzen Tag läuft, dazwischen mit kreischender Verrücktheit heutiger Werbespots oder sie den ganzen Tag am Handy rumspielt, ist das Kind schon verloren. Und warum macht die Mutter das - weil sie in eine entsprechende Welt hineingeboren wurde.
Zu einem Drittklässler ohne Migrationshintergrund sagte ich: von deiner Wohnung sieht man den Spessart. Antwort: "Was ist denn der Spessart?" Man kann sich vorstellen, über was seine Eltern zuhause reden - oder nicht reden.