Die Lebensbedingungen für Familien sind in einem stetigen Wandel begriffen, Kinder wachsen heute in den unterschiedlichsten Lebensformen auf. Oft genug brauchen Familien deshalb Unterstützung. Diese hat sich der Landkreis auf dem Weg zur Bildungs- und Gesundheitsregion besonders auf die Fahnen geschrieben. Mit im Boot ist die Diakonie, die bereits in vielfältiger Weise präventiv für Kinder und Jugendliche tätig ist.
Der Landkreis vertreten durch den stellvertretenden Landrat Peter Seifert und die Diakonie mit ihrem Vorsitzendem Jochen Keßler-Rosa hatten deshalb zu einem Fachvortrag eingeladen, der genau diese präventiven Maßnahmen auf den Prüfstand stellte. Professor Dr. Detlef Krüger sprach über das Thema "Kinder für die Zukunft stärken". Er war bis 2013 Professor für Sozial- und Gesundheitswissenschaften. Er hat zahlreiche Studien zur Familien und Kindesentwicklung durchgeführt und ausgewertet und arbeitet seit vielen Jahren wissenschaftlich für das Bundesfamilienministerium.
Mehr in Prävention stecken
Zunächst ließ Krüger Zahlen sprechen. Bundesweit werden jährlich neun Milliarden Euro für Hilfen zur Erziehung ausgegeben, eine Kurve, die ohne Delle nach oben steige. Dieser Anstieg ließe sich so Krüger einfrieren, wenn mehr in Prävention gesteckt würde. Der Erfolg von Präventionsmaßnahmen allerdings sei nicht kurzfristig messbar, was viele Kommunen abschrecke dahingehend zu investieren.
Auch der Bund steckt nach Krüger sein Geld in die falschen Maßnahmen. Es würden jetzt wieder fünf Milliarden für Eliteuniversitäten ausgegeben. "Wo bleiben die Kindertagesstätten", fragte Krüger. Die biologische Entwicklung des Gehirns sei mit dem dritten Lebensjahr abgeschlossen, also müsse vor allem in die führe Bildung investiert werden. Gerade in den ersten drei Jahren leisteten die Eltern also einen erheblichen Teil zur Frühentwicklung und dabei sei das wichtigste die Sprache.
Dass gerade in der sprachlichen Entwicklung der Unterschied zwischen Akademikereltern und solchen die Sozialhilfe beziehen, eklatant ist, bewies Krüger ebenfalls mit statistischen Untersuchungen. So beherrsche ein Dreijähriger aus einer sozial schwächeren Familie 400 Wörter, ein gleichaltriges Akademikerkind dagegen 1 200 Wörter.
Wichtig sei die Interaktion mit den Kindern, und zwar nicht in Baby- sondern in Erwachsenensprache. Krüger empfahl auf Augenhöhe und argumentativ zu kommunizieren. Vor allem aber überhaupt zu kommunizieren. Elternbegleiter könnten dies durchaus deutlich machen und Familien unterstützen. Eltern, die bereits in den Genuss einer solchen Begleitung, gekommen sind, äußern sich überwiegend positiv. Fast 70 Prozent bestätigen, dass die "Beratung ihrem Kind zugute kam. Selbst hätten sie neues über die Entwicklung und den Umgang mit dem Kind gelernt und dieses besser fördern können, betonten weit über die Hälfte und rund 50 Prozent bestätigen, dass sie ihre erzieherischen Fähigkeiten ausbauen konnten.
Kinder mit denen in den ersten drei Jahren ausreichend gesprochen würde, bräuchten später keine Sprachförderung, keine Schulklasse wiederholen, keine Hilfen zur Erziehung und erreichten alle einen Schulabschluss. Krüger machte noch einmal deutlich, dass das, was heute für Elternbegleitung ausgegeben werde, nicht einmal ein Prozent dessen sei, was später oft für Hilfen zur Erziehung ausgegeben werden muss. Früh in Elternbegleitung zu investieren bedeute beispielsweise auch, dass man ca. ein Drittel weniger Jugendsozialarbeiter brauche.
Gerade Mütter mit niedrigem Bildungsstand sprächen oft viel zu wenig mit ihren Kindern. Elternbegleiter könnten niederschwellig mit diesen in Kontakt kommen und ein Bewusstsein für die Macht der Sprache wecken. Vor allem einkommensschwache, bildungsferne Familien oder solche mit Flucht- und Migrationshintergrund bräuchten diese Unterstützung, die dem Staat letztlich in der Folge viel Geld sparen könne, so Krügers Credo.