Seit Wochen schon hat sich der Verkehr auf dem östlichen Teil der Berliner Straße drastisch erhöht, weil die B 286 seit Anfang August zwischen den Anschlussstellen Gerolzhofen-Süd und Neuses am Sand wegen Bauarbeiten gesperrt ist. Die Stadt Gerolzhofen hat nun vor wenigen Tagen auf dem Straßenabschnitt eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h verhängt. Die Anwohner sind damit aber alles andere als zufrieden. Sie ärgern sich über die Stadtverwaltung.
Seit die Schnellstraße gesperrt ist, hat das Staatliche Bauamt Würzburg eine offizielle Umleitungsstrecke ab Neuses ausgewiesen, die auf Staatsstraßen über Stadelschwarzach, Laub, Volkach, Obervolkach, Krautheim und Frankenwinheim nach Gerolzhofen zur Anschlusssstelle GEO-Nord führt. Doch viele Verkehrsteilnehmer auf der stark befahrenen Verbindungsroute zwischen der A 3 bei Wiesentheid und der A 70/A 7 bei Schweinfurt suchen sich mit Hilfe des Navis einen deutlich kürzeren Umweg. Und der führt über Brünnau und Schallfeld auf schmalen Straßen direkt nach Gerolzhofen.
Die Geschichte wiederholt sich
Im Jahr 2016 war die Schnellstraße schon einmal über Monate gesperrt gewesen, als am Schallfelder Wald die dritte Spur gebaut wurde. Damals führte die offizielle Umleitungsstrecke in Richtung Norden von Neuses auf der B 22 bis Breitbach und von dort durch das Gebiet der Marktgemeinde Oberschwarzach bis Gerolzhofen. Auch damals hatte der Verkehr auf der Berliner Straße rund um die Uhr massiv zugenommen und die Anwohner litten unter der Lärmbelastung.
Als nun die aktuelle Sperrung der B 286 angekündigt wurde und der Berliner Straße schon wieder der Verkehrskollaps drohte, wurden die Anwohner deshalb schnell tätig, um bei Bedarf Argumente in der Hand zu haben. Man organisierte am 27. Juli 2022, also noch vor dem Beginn der Sperre, eine private Verkehrszählung. "Wir haben im Zeitraum zwischen 5 und 19 Uhr mit Strichlisten gezählt", berichtet der Anwohner Bernd Hofmann. Man habe sich beim Zählen in Schichten abgewechselt und dann die einzelnen Ergebnisse aufaddiert. Das Ergebnis: In den 14 Stunden wurden damals 2495 Pkw und 118 Lkw gezählt. Die durchaus überraschend hohe Zahl beim Schwerlastverkehr führt Hofmann auf die Tiefbauarbeiten im Baugebiet "Am Nützelbach II" zurück. "Bei uns sind da häufig die Baustellenfahrzeuge vorbeigefahren."
Enormer Anstieg des Verkehrs
Während der Sperre der B 286 haben die Anwohner am 31. August 2022 dann wieder die durchfahrenden Fahrzeuge gezählt. Dabei zeigte sich in nackten Zahlen, was sie vom Gefühl her längst bemerkt hatten: Der Verkehr hat massiv zugenommen. Man zählte wieder durchgehend zwischen 5 Uhr in der Früh und 19 Uhr am Abend. Das Ergebnis diesmal: 3806 Autos und 241 Lastwagen mit einem Gewicht über 7,5 Tonnen. "Und man muss bedenken, dass damals die Sommerferien begonnen hatten", sagt Hofmann. "Inzwischen hat sich der Verkehr vor unserer Haustür von Tag zu Tag nochmals massiv verstärkt."
Dass vor wenigen Tagen die Stadt nun - wie berichtet - auf Initiative von Bürgermeister Thorsten Wozniak auf dem Straßenabschnitt eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h verhängt hat, reicht den Anwohnern bei weitem nicht. Bernd Hofmann, die als Sprecher für mehrere seiner Nachbarn auftritt, spricht gar von einer "Ohrfeige" für die Anwohner. Schon Ende August habe man auf den gestiegenen Verkehr hingewiesen. Die Main-Post berichtete damals. Dann habe er am 16. September in einem Telefonat mit Bürgermeister Wozniak nochmals nachdrücklich die Problematik geschildert und um Unterstützung gebeten. "Passiert ist aber nichts, die Stadt hat wochenlang nichts unternommen", sagt Hofmann. "Ein einziges Fiasko!", empört er sich.
Wollte man das Thema aussitzen?
Am 4. Oktober habe er sich wieder bei der Verwaltungsgemeinschaft gemeldet und höflich nachgefragt, ob und wann man denn endlich tätig werden will, berichtet Hofmann. Da habe er als Antwort von der Verkehrsreferentin erfahren, dass die Stadt erst die passenden Schilder bestellen müsse. "Das heißt ja, dass in den Wochen zuvor noch überhaupt nichts passiert war. Man wollte das Thema wohl einfach aussitzen."
Jetzt, wo das 30 km/h-Schild steht, haben die Anwohner bislang keinerlei Verbesserung ihrer Situation erfahren. "Die Lkws rauschen weiterhin durch." Denn leider habe die Stadt diesmal kein Durchfahrtsverbot für Fahrzeuge mit einem Gewicht über 3,5 Tonnen verhängt, wie es die Anwohner eigentlich gefordert hatte, wundert sich Hofmann. Damals im Jahr 2016, als die Schnellstraße schon einmal über Monate gesperrt gewesen war, hatte es dieses Lkw-Durchfahrtsverbot gegeben. Jetzt aber nicht. "Und das soll jetzt jemand verstehen?", ärgert sich Bernd Hofmann.
Allerdings hatte es sich schon Ende August abgezeichnet, dass die Stadt diesmal wenig geneigt ist, erneut ein Durchfahrtsverbot für den Schwerlastverkehr zu verhängen. Der 2. Bürgermeister Erich Servatius hatte bereits damals mitgeteilt, eine Rückfrage beim Bauhof der Stadt habe ergeben, dass die Beschränkung im Jahr 2016 letztlich wenig bewirkt habe. Grund sei laut Servatius die unzureichende Kontrolle des Verbots. "Neun von zehn Lastwagen fahren trotz des Verbots durch", meinte er.
Bürgermeister Thorsten Wozniak will den Vorwurf, die Stadt habe aus unerfindlichen Gründen diesmal kein Lkw-Durchfahrtsverbot ausgesprochen, so nicht stehenlassen. Der städtische Bauhof habe beim Staatlichen Bauamt wegen einer Durchfahrtssperre nachgefragt. "Es gab von dort die Auskunft, dass es sich bei der Berliner Straße um eine qualifizierte Straße handelt", sagt Wozniak auf Anfrage dieser Redaktion. Und so eine Straße dürfe nicht grundlos, zum Beispiel bei einem temporär gestiegenen Verkehr, für den Schwerlastverkehr gesperrt werden, habe die Behörde mitgeteilt. Die Stadt halte sich an die Aussage des Staatlichen Bauamts Schweinfurt.
Straßenschäden sorgen für Lärm
Bei dem erhöhten Schwerlastverkehr zeige sich auch, so Bernd Hofmann weiter, in welch' schlechtem Zustand die Straße sich befinde. Vor allem unbeladene Lkw-Anhänger und Sattelzug-Auflieger würden laut über die Absenkungen und Schlaglöcher rumpeln. "Ich habe den Bürgermeister auch gebeten, die Schäden in der Straßendecke beseitigen zu lassen, um den Lärm zu reduzieren", berichtet er im Gespräch mit dieser Redaktion. Als Antwort habe er die Auskunft erhalten, dass die Stadt kein Geld für eine Sanierung habe und es andere Straßen gebe, die in einem noch schlechteren Zustand seien.
Dritte Anschlussstelle für die B 286?
Für Bernd Hofmann gibt es noch ein anderes, ein grundsätzliches Problem für die östliche Berliner Straße, das nichts mit der aktuellen Sperre der B 286 zu tun hat. Seiner Ansicht nach wäre für das Mittelzentrum Gerolzhofen am südlichen Stadtrand eine dritte Auf- und Abfahrt an der Schnellstraße dringend nötig. Gemeinsam mit weiteren Anwohnern habe man die Idee samt Skizzen schon vor Jahren dem damaligen Stadtbaumeister Jens Pauluhn und der damaligen Bürgermeisterin Irmgard Krammer vorgestellt. "Leider ist nichts passiert."
Die dritte Anschlussstelle sei dringend nötig. Hofmann verweist darauf, dass mit den jetzigen beiden Neubaugebieten am Nützelbach - und weitere sind ja dort bereits angedacht - der Verkehr zur B 286-Anschlussstelle GEO-Süd weiter zunehmen wird. "Dies wird alles über die Berliner Straße fließen." Eine dritte Anschlussstelle im Bereich des Schallfelder Walds würde hier eine deutliche Entlastung bringen. "Und dies wäre auch für Schallfeld und Lülsfeld eine deutliche Verbesserung."
Tolle Belohnung, die die Stadt und die Anwohner bezahlen müssen, obwohl andere sie verursachen.