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Gerolzhofen
Kaspar Klee: Vier Hochzeiten und zwei Vertreibungen
Nach vielen Wirrungen und Bedrängnissen findet der aus Gerolzhofen stammende evangelische Pfarrer in Straßburg endlich seinen Frieden. Teil 3 seiner Lebensgeschichte.
Die Ausfertigung des Augsburger Religionsfriedens, in dem festgelegt wurde, dass der jeweilige Herrscher festlegen kann, welche Religion die Untertanen seines Gebiets annehmen müssen.
Foto: MP | Die Ausfertigung des Augsburger Religionsfriedens, in dem festgelegt wurde, dass der jeweilige Herrscher festlegen kann, welche Religion die Untertanen seines Gebiets annehmen müssen.
Klaus Vogt
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:42 Uhr

Der in Gerolzhofen geborene Kaspar Klee berichtet in seinen in Buchform veröffentlichten Lebenserinnerungen zunächst von seiner Kindheit in der Steigerwaldstadt, die von starker Armut geprägt war, obwohl er der oberen sozialen Schicht der Stadt entstammte. Nachdem er mit elf Jahren Vollwaise geworden war, hat Kaspar sein Bündel gepackt und ist als fahrender Schüler auf die Wanderschaft gegangen. Nach mehreren Stationen in Schweinfurt, Schleusingen und Coburg kam der Bachant schließlich in Straßburg an. Dort wurde Klee als Stipendiat in das Gymnasium und Seminar St. Wilhelm aufgenommen, wo er ein Theologiestudium abschloss. 

Nach seiner Ausbildung fand der Gerolzhöfer im Jahr 1590 seine erste Anstellung als evangelischer Landpfarrer im Dorf Schnersheim, einer heute französischen Gemeinde mit rund 1700 Einwohnern im Département Bas-Rhin in der Region Grand Est. Dazu gehörte damals auch die Filiale Quatzenheim. Dort muss er in den Jahren 1592 und 1593 miterleben, wie die Mitglieder seiner Gemeinde in den Dörfern im sogenannten "Bischöflichen Krieg" gepeinigt werden: In Schnersheim lagen die evangelischen Truppen Straßburgs, die gegen die Mannen des katholischen Kardinals Karl von Lothringen, Bischof von Metz, um den Bischofssitz von Straßburg kämpften. Die katholischen Mitglieder des Straßburger Domkapitels hatten den Kardinal auch zum Bischof von Straßburg gewählt, während die evangelischen Domherren ihrerseits den Markgrafen Johann Georg von Brandenburg auf den bischöflichen Stuhl erhoben hatten.

Der Kardinal setzte sich letztlich durch. Dies hatte unmittelbare Auswirkungen auf Kaspar Klee, den evangelischen Pfarrer von Schnersheim. Denn es entwickelte sich eine Situation, die sich fast zeitgleich auch in Gerolzhofen, der Heimatstadt Klees, abspielte. Der Augsburger Reichs- und Religionsfrieden als ein Reichsgesetz des Heiligen Römischen Reichs gab dem jeweiligen Landesherren das Recht, über die Konfession in seinem Territorium zu entscheiden. Dabei galt der bekannte Grundsatz "Cuius regio, eius religio", wessen das Land ist, dessen ist die Religion. Die Untertanen mussten den Glauben annehmen, den ihr Fürst vorgab.

In Gerolzhofen zog der katholische Fürstbischof Julius Echter ein und forderte seine Untertanen auf, ihren seit zwei Generationen praktizierten evangelischen Glauben abzulegen und wieder zur alten Lehre zurückzukehren. Wer dies nicht mit seinem Gewissen vereinbaren konnte, musste das Herrschaftsgebiet des Fürsten verlassen und in Nachbargemeinden umziehen, die einem evangelischen Herrscher gehörten, zum Beispiel Prichsenstadt oder Bimbach.

Menschliche Tragödien

Im Elsass war es ähnlich. Bisher, so berichtet es Klee später, hatte er ein gar freundschaftliches Verhältnis zu den katholischen Priestern der Nachbargemeinden unterhalten. Doch dann kam der Befehl des neuen Bischofs, der auf sein im Religionsfrieden festgelegtes Recht pochte, auch in Schnersheim wieder die katholische Riten einzuführen. An einem Sonntag im Jahr 1595 zog der katholische Pfarrer aus der Nachbargemeinde, eigentlich ein Freund Kaspar Klees, gemeinsam mit bischöflichen Soldaten auf einem weißen Pferd in Schnersheim ein, würdigte den entgegeneilenden Klee keines Blickes und teilte den versammelten Bürgern mit, dass sie in die Kirche müssen und dort seine Predigt anzuhören haben. Im Gottesdienst erfuhren dann die Einwohner, dass sie nun wieder katholisch werden müssten. Dabei wurde übel über Kaspar Klee und die Lehre Martin Luthers hergezogen. Unter dem Eindruck der Soldaten fügte sich die Bevölkerung. Schnersheim wurde wieder katholisch.

Wie schwierig damals solche Situationen auch für die Hauptakteure waren, zeigt eine tragische Randnotiz, von der Kaspar Klee berichtet. Jener Pfarrer aus der Nachbargemeinde, der frühere Freund Klees, erhängte sich kurz danach an seinem Bettpfosten – und fuhr "noch warm in das Fegefeuer, welches er zuvor mit großem Eifer den Schnersheimern gepredigt hatte", wie es Klee formuliert. 

Jetzt die entgegengesetzte Situation

Im Jahr 1596 wurde Klee, nachdem er schmählich aus Schnersheim vertrieben worden war, die evangelische Pfarrei Fegersheim verliehen, ebenfalls in der Nähe von Straßburg gelegen. Im November trat er seine neue Stelle an. In Fegersheim gab es die entgegengesetzte Situation wie in Schnersheim: Die Gemeinde war schon immer katholisch gewesen und durch den Wechsel der Herrschaft sollten ihre Einwohner plötzlich evangelisch sein.

Dementsprechend ablehnend verhielt sich die Bevölkerung gegenüber Pastor Klee. In seinen Erinnerungen spricht der Pfarrer von seinem "Fegersheimer Fegefeuer". Die Zahl seiner Unterstützer war offenbar ausgesprochen gering. Ein Großteil seiner Pfarrkinder habe ihn zwar mit "Domine", also mit "Herr", angesprochen und nach außen hin zumindest etwas Respekt gezeigt, erinnert sich Klee, doch in ihren Herzen habe er wohl weniger als ein "Sauhirt" gegolten.     

Die Figur der 'Eklesia' am Straßburger Münster. Kaspar Klee war einer, der die Wirrungen der Eklesia, also der Kirche, am eigenen Leib ertragen musste.
Foto: Vankeirsbilck | Die Figur der "Eklesia" am Straßburger Münster. Kaspar Klee war einer, der die Wirrungen der Eklesia, also der Kirche, am eigenen Leib ertragen musste.

Starke Probleme bereitete allerdings eine Gruppe von fanatischen Katholiken, die aus ihrem Widerwillen gegen der Lehre Martin Luthers kein Geheimnis machte und nicht bereit war, dem Wunsch ihres neuen Herren, den alten Glauben zu opfern, nachzukommen. Der Teufel solle sie in die Lüfte holen, falls sie dem neuen lutherischen Pfaffen zuhören wollten, sagten sie.

Am Karfreitag eskalierte dann die Situation in Fegersheim. Während der Liturgie zum Leiden und Sterben Christi standen plötzlich zwei junge Männer auf und "kehrten jenen Teil ihres Körpers der Kanzel zu, auf dem sie hätten still sitzen sollen". Klee interpretierte dies auch als Rache dafür, dass er einige aus dieser Gruppe für "Bubenstücke" ins Gefängnis gebracht hatte.

Eine Prozession als weitere Provokation

Die Provokationen gingen weiter. Am 3. Mai 1600, dem katholischen Feiertag der Kreuzauffindung, organisierte die harte Widerstandsgruppe der Katholiken eine Prozession, die auch direkt am Haus von Kaspar Klee vorbeiführte. Der Pfarrer goss seine Ablehnung dieser Veranstaltung in ein Gebet, in dem er von dem Missbrauch spricht, "den die Abgötterei mit dem Kreuzesholze Jesu treibt". 

Die Katholiken im Ort gaben keine Ruhe und opponierten weiter gegen Klee. Sie setzten sich mit dem Kardinal Karl von Lothringen in Verbindung. Dieser schickte am 7. April 1603 einen Bevollmächtigten, der einen katholischen Priester mitbrachte und – als klaren Verstoß gegen die Bestimmungen des Religionsfriedens – den evangelischen Pfarrer Kaspar Klee seines Amtes entsetzte. Der Gerolzhöfer musste zum zweiten Mal eine Gemeinde unter Spottgesängen seiner Gegner verlassen.

Kaspar Klee wohnte in der Straßburger Innenstadt in Sichtweite des Münsters. 
Foto: Patrick Seeger, dpa | Kaspar Klee wohnte in der Straßburger Innenstadt in Sichtweite des Münsters. 

Alles wendet sich zum Guten

Seine dritte Stelle fand Klee dann im kleinen Rupprechtsau in unmittelbarer Nähe von Straßburg, dessen Einwohner auch das Bürgerrecht in Straßburg besaßen. Bereits im Jahr 1534 war Rupprechtsau zur evangelischen Pfarrei erhoben worden. Klee konnte nun endlich in einem Bereich seelsorgerisch wirken, wo keine Kämpfe mit Katholiken zu befürchten waren. Mitten in Straßburg, auf dem Stefansplatz, bezog er eine Wohnung und half bei Bedarf auch im Münster bei Gottesdiensten und Predigten aus. 35 Jahre lang lebte er hier, offenbar glücklich und zufrieden, trotz der Drangsale, die der Dreißigjährige Krieg dann mit sich brachte.

Durch dieses Portal des Straßburger Münsters ist Kaspar Klee jahrzehntelang gegangen. In der Kirche wirkte er als Prediger.
Foto: dpa | Durch dieses Portal des Straßburger Münsters ist Kaspar Klee jahrzehntelang gegangen. In der Kirche wirkte er als Prediger.

Klee war viermal verheiratet

Am Stadtrand bekam Magister Klee schließlich auch einen kleinen Garten zugewiesen, den er häufig aufsuchte, um als ehemaliger Steigerwälder Bub die Natur zu genießen. Ein Stadtmensch scheint Klee nie geworden zu sein. In seinen Erinnerungen beschreibt er, dass die Laube in seinem Garten ihm mehrmals als "Bettkämmerlein" diente. Sein Gemüt sei nun zur Ruhe gekommen, Aufregungen blieben ihm fortan erspart.

Über seine familiären Verhältnisse weiß man hingegen wenig, er erwähnt dies auch nur am Rande. Klee war insgesamt viermal verheiratet, drei Ehefrau verlor er durch Tod. Die erste Ehe schloss er mit 29 Jahren, die letzte als Witwer mit 80 Jahren.

Sein literarisches Werk

Kaspar Klee sammelte im Laufe der Jahre seine bei verschiedenen Anlässen verfassten Gebete und gab sie mit kurzen Erläuterungen von Stellen der Heiligen Schrift und den Ereignissen aus seinem bewegten Leben unter dem Titel "Wegweiser zu dem ewigen seligen Leben" im Jahr 1603 in Druck. Das Buch war offenbar erfolgreich, denn anno 1619 erschien eine neue und erweiterte Auflage des Andachtsbuches. Ein anderes Werk Klees ist "Der geistliche Immengarten und Bienenlust". Der Magister war offenbar ein leidenschaftlicher Imker und züchtete in seinem Garten Bienen. Die dabei gemachten Beobachtungen nutzte er zu Gleichnissen für das Christentum und die Kirche. Auch in diesem Buch verarbeitete er persönliche Erlebnisse aus einem Leben. 

Klee stirbt mit 87 Jahren

Klee schrieb seine eigene Leichenpredigt, plante die eigene Trauerfeier und Beerdigung und hinterlegte alle Schriftstücke in einem schwarzen Koffer, den er in seiner geliebten Gartenlaube aufbewahrte. Im hohen Alter von 87 Jahren starb Klee im Jahr 1652 und wurde am 16. Januar um 13 Uhr von seiner Wohnung aus zu Grabe getragen. Der Rektor der Universität und die Studenten gaben ihm das letzte Geleit.

Seine Heimatstadt im Frankenland indes hat er nie mehr gesehen.

Literaturhinweis: "Kaspar Klee von Gerolzhofen – Das Lebensbild eines elsässischen evangelischen Pfarrers um die Wende des 16. zum 17. Jahrhundert" von Hermann Beck, Halle 1901.

 
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