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Gerolzhofen
Kaspar Klee: Nach Jahren der Wanderschaft findet der junge Gerolzhöfer eine Bleibe in Straßburg
Als der Vollwaise geworden war, verlässt der junge Kaspar notgedrungen seine Heimatstadt. Teil 2 der Lebensgeschichte eines jungen Mannes am Ende des 16. Jahrhunderts.
Erstes Ziel des jungen reisenden Bachanten Kaspar Klee aus Gerolzhofen war im Jahr 1576 die Freie Reichsstadt Schweinfurt, die bereits im Jahr 1542 die Lehren Martin Luthers übernommen hatte. St. Johannis (im Bild) wurde evangelische Stadtkirche.
Foto: Martina Müller | Erstes Ziel des jungen reisenden Bachanten Kaspar Klee aus Gerolzhofen war im Jahr 1576 die Freie Reichsstadt Schweinfurt, die bereits im Jahr 1542 die Lehren Martin Luthers übernommen hatte. St.
Klaus Vogt
 |  aktualisiert: 08.02.2024 19:28 Uhr

Die in verschiedenen Büchern niedergelegten schriftlichen Memoiren des in Gerolzhofen geborenen Kaspar Klee, der später als evangelischer Pfarrer im Elsass wirkte, lesen sich wie ein spannender Abenteuerbericht. Klee wurde nach eigenen Angaben am 10. August 1565 in Gerolzhofen geboren. Seit frühester Jugend erlebte und erlitt er die bittere Armut in der Steigerwaldstadt, aber auch die innere Zerrissenheit vieler Menschen zur Zeit der Reformation und der Gegenreformation hautnah mit. Dieser Konflikt sollte ihn nahezu sein ganzes Leben verfolgen.

Als er mit elf Jahren in Gerolzhofen zum Vollwaisen wurde, verließ Kaspar seine Heimatstadt und machte sich auf in die Welt. Der zweite Teil seiner Lebensgeschichte beschäftigt sich mit seinen Jahren in der Fremde.

Nach einer gewissen Grundbildung, die er in der lateinischen Schule in Gerolzhofen erfahren hatte, schnürte der Vollwaise Kaspar sein Bündel, um als fahrender und bettelnder Schüler – als sogenannter Bachant – sein Glück zu suchen. Die Voraussetzungen dazu waren allerdings denkbar schlecht. "Meine elende Wanderschaft hat zu der Zeit begonnen, als das Malter sechs, sieben oder gar noch mehr gekostet hat", schreibt er sinngemäß in einer seiner Erinnerungen. In den über zehn Jahren, in denen er unterwegs war, habe er oftmals Hunger gelitten.  

Erste Station war die Reichsstadt Schweinfurt

Erste Station als Bachant war die nahe Reichsstadt Schweinfurt, wo seit den dreißiger und vierziger Jahren des 16. Jahrhunderts bereits Martin Luthers Anschauungen praktiziert wurden. Die Stadt unterhielt eine renommierte Lateinschule, der zahlreiche arme Scholaren angehörten, die sich – wie der junge Klee – täglich von Haus zu Haus etwas für ihren Lebensunterhalt erbetteln mussten. Fanden sie eine Familie, die ihnen eine Schlafstatt gewährte, mussten die fahrenden Scholaren als Gegenleistung allerlei Dienste verrichten.

Kaspar fand eine Unterkunft in der Stadt und besuchte ein Jahr lang die Lateinschule. Aus seiner Schweinfurter Zeit berichtet er in seinen Erinnerungen von folgender Anekdote: "Ich musste, neben anderen Geschäften, die mir befohlen wurden, täglich auch vor- und nachmittags zwei Krüge mit Trinkwasser aus dem Spitalbrunnen ins Haus holen." Dies sei eine ziemlich lange Fußstrecke gewesen. Während seines Aufenthalts in der Reichsstadt wurde dieser Spitalbrunnen im Jahr 1577 als "Röhrenbrunnen mit stattlicher Kapelle" neu gebaut, erinnert sich Klee. Eines Tages war er wieder zum Wasserholen unterwegs, als der neue Brunnen am 11. Oktober feierlich in Betrieb genommen wurde, das Wasser heranrauschte und die Brunnenröhren zu springen begannen.

Eine saftige Ohrfeige für den jungen Gerolzhöfer

"Ich war nicht der Hinterste, sondern der Vorderste beim Werk, nicht faul und langsam, sondern der Allerhurtigste, lief eilends hinzu und trank aus der einen Röhre gleich im ersten Strudel, noch ehe das trübe Wasser hinweggeflossen war." Während er noch trank, traf ihn eine saftige Ohrfeige – er nennt es eine "Ohrkappe" – eines der umstehenden Männer, der das vorwitzige Verhalten des Gerolzhöfer Buben bestrafen wollte. "Ich wischte das Maul auf meinen Trunk, sah sehr sauer in die Sache und zog also mit meiner Ohrkappe davon", erinnert sich Klee. Den Triumph, als allererster aus dem neuen Schweinfurter Brunnen getrunken zu haben, konnte ihm aber keiner mehr nehmen.

Als Kaspar das Schulgeld für die Schweinfurter Schule nicht mehr aufbringen konnte, zog er weiter. Nächste Station des Zwölfjährigen war Schleusingen, wo es ebenfalls ein Gymnasium gab, das rund 100 arme Bachanten besuchten. Sonderlich gefallen scheint es Kaspar Klee in Thüringen aber nicht, denn nach kurzer Zeit zieht er weiter nach Coburg und findet hier eine ärmliche Unterkunft bei einem Nachtwächter. "Der gute Mann konnte in seiner Armut mir nicht helfen, so vermochte ich ihm auch nichts zu geben", erinnert sich Klee. Wieder litt er so sehr unter Hunger und der Krätze, das an Studieren nicht zu denken war: "Der mit Krätze beschwerte Leib vermag sich nicht an die Studien hinzugeben." Der Zwölfjährige gab aber nicht auf. Im Rückblick auf diese Zeit schreibt Klee später: "Mit Bescheidenheit kommt man in seinem Elend nicht weit. Und wer versagt ist, hat noch nie Lorbeeren geerntet."

Kloster Banz bei Lichtenfels: Hier war Kaspar Klee mehrmals mit seinem Coburger Hausherren tätig und bewunderte den Prunk der Gebäude. 
Foto: Daniel Vogl | Kloster Banz bei Lichtenfels: Hier war Kaspar Klee mehrmals mit seinem Coburger Hausherren tätig und bewunderte den Prunk der Gebäude. 

Der Hausherr ist Kurator dreier Klöster-Standorte

Seine Situation verbesserte sich spürbar, als Caspar Klee in Coburg eine neue Unterkunft in einem besser gestellten Haushalt findet. Sein Hausherr ist Kurator der katholischen Klöster Langheim, Banz und Tambach, und der junge Klee muss ihn mehrmals dorthin bei den Dienstgängen begleiten. So bekommt er Zugang zu Bereichen in den Klöstern, die sonst den öffentlichen Blicken verwehrt waren. Kaspar erinnert sich noch an den großen Hofkeller in der Zisterzienserabtei Langheim, er weiß noch, dass sich in der Benediktinerabtei Banz – zu der Zeit, "als die neue Kirch auf dem Berg erbauet wurde" als Vorgängerkirche der heutigen Barockkirche – in der Kanzleistube zwei große Tische mit aufgehäuften Geldmünzen befanden und dass die Privatgemächer des Abts in Tambach mit Bildern und Blumenwerk wunderschön ausgestattet waren und dessen Bett in eine Wandnische integriert war.

Diese katholische Pracht machte offenbar durchaus Eindruck auf den jungen Gerolzhöfer. Er schreibt: "Wenn mich Gott nicht unter seinem vorsorgenden Schutz und Schirm erhalten hätte, dann wäre ich gar zu einer Klosterkatze geworden." Allerdings bemerkt er wohlwollend, dass die Klosterherren in den drei Ortschaften auch diejenigen Diener, Sekretäre oder Schreiber "wohl haben leiden mögen", die den Lehren Luthers anhingen. Teile des Personals hätten sogar im Sommer als Geschenk Schafkäse bekommen und im Winter schwarze, gefütterte Stiefel. Kaspar Klee war mehrmals, so berichtet er, beim Austeilen dieser Stiefel persönlich dabei, denn er konnte die Zettel, wem welcher Stiefel gehört, lesen.

Das Kloster Langheim in einer Kupferstichdarstellung: Kaspar Klee begleitete den Kurator dieses Klosters mehrfach bei dessen Dienstgeschäften und gelangte in Räume, die für die Allgemeinheit nicht zugänglich sind.
Foto: CHW | Das Kloster Langheim in einer Kupferstichdarstellung: Kaspar Klee begleitete den Kurator dieses Klosters mehrfach bei dessen Dienstgeschäften und gelangte in Räume, die für die Allgemeinheit nicht zugänglich sind.

Zu viel Arbeit: Das Studium kam nicht voran

Mit der Zeit bemerkte der Gerolzhöfer aber, dass bei all der vielen Arbeit – meist wurde er schon morgens um 3 Uhr geweckt – an Studieren nicht zu denken war. Klee verabschiedete sich von Coburg und begab sich erneut auf Wanderschaft. Sein erstes Ziel war Straßburg. Allerdings fand er dort keine Herberge und musste deshalb notgedrungen weiterziehen. Nächste Stationen waren Metz, Nantzig (Nancy) und Mussenbrück (Pont-à-Mousson). Von dort ging es zurück nach Deutschland und dann weiter bis Basel.

"Weil ich vom Palmsonntag bis Christ Himmelfahrt sieben Wochen gereist bin und keinen Tag still gelegen war, hatten meine Schuhe beinahe keine Böden mehr", erzählt Klee. In Basel fand er schließlich eine gutmütige Familie, die dem armen Schlucker die Schuhe reparieren lässt. Nach einer entsprechenden Empfehlung machte er sich von Basel aus wieder auf den Fußweg nach Straßburg. Unterwegs bettelte er, um nicht zu verhungern.

Von den Strapazen des langen Fußmarsches

Die körperlichen Strapazen des langen Fußmarsches zehrten auch an der seelischen Gesundheit des Jugendlichen. "Ich klagte am Abend dem Herrn mit Tränen meine Armut, Blöße, Müdigkeit und Mattigkeit", erinnert er sich später. Er habe Blasen an den Füßen gehabt, die so groß wie Bohnen waren.

Wahrzeichen von Straßburg ist die im Jahr 1439 fertiggestellte Cathédrale Notre-Dame, besser bekannt unter der Bezeichnung Liebfrauen-Münster. Klee studierte in der Stadt Theologie und machte seinen Abschluss.
Foto: Susanne Vankeirsbilck | Wahrzeichen von Straßburg ist die im Jahr 1439 fertiggestellte Cathédrale Notre-Dame, besser bekannt unter der Bezeichnung Liebfrauen-Münster. Klee studierte in der Stadt Theologie und machte seinen Abschluss.

Im Jahr 1586 schließlich erreicht Kaspar Klee erneut die Stadt Straßburg. Sie soll ihm zu seiner zweiten Heimat werden. Dort besserte sich von Tag zu Tag, von Woche zu Woche, von Jahr zu Jahr seine Lage, wie er später dankbar resümierte. Straßburg war reich an Stiftungen und Lehranstalten. Klee wurde als Stipendiat in das Gymnasium und Seminar St. Wilhelm aufgenommen, bei freier Unterkunft. Sein Aufenthalt dort währte drei bis vier Jahre.

Caspar Klee entscheidet sich für die Reformation

Als Kaspar Klee in Straßburg eintrifft, sieht er sich selbst als evangelischer Christ. In einem seiner Bücher fasst er später seine religiöse Entwicklung sinngemäß so zusammen: In seiner "kindischen Jugend" habe er in seinem Elternhaus in Gerolzhofen den katholischen Katechismus des Petrus Canisius gelernt. In seiner Zeit in Schweinfurt und in Coburg sei er dann ein klein wenig mit dem Lutherischen Katechismus in Kontakt gekommen, der in ihm mit dem Werk des Canisius gestritten habe. "Die Armut und allerhand Anfechtungen waren bei mir groß, der Verstand gar gering und kindisch und die Schwachheit in Religionssachen so viel größer." Er habe zunächst nicht gewusst, für welche Seite er sich entscheiden soll. Es sei ihm so vorgekommen, wie wenn er von zwei Seiten an den Haaren gezogen wird. Im Gebet fand Klee dann, wie er später bekennt, "Klarheit und Beharren bei Martin Luther und Johannes Brenz".

Nach seiner Ausbildung im Seminar St. Wilhelm fand Kaspar Klee im Jahr 1590 seine erste Anstellung als evangelischer Landpfarrer im Dorf Schnersheim, eine heute französische Gemeinde mit rund 1700 Einwohnern im Département Bas-Rhin in der Region Grand Est. Dazu gehörte die Filiale Quatzenheim. Beide Ortschaften liegen nordwestlich von Straßburg.

Die Gräuel des Krieges hautnah miterlebt

Dort muss er dann in den Jahren 1592 und 1593  miterleben, wie seine Gemeindeglieder in den Dörfern im sogenannten "Bischöflichen Krieg" wirtschaftlich ausgesaugt und körperlich gepeinigt werden: In Schnersheim lagen die evangelischen Truppen Straßburgs, die gegen den katholischen Kardinal Karl von Lothringen, Bischof von Metz, um den Bischofssitz von Straßburg kämpften. Es sei ein Missbrauch des Kriegswesens, so Klee, "wenn man dem Armen das Seine nimmt, die Unschuldigen verjagt, martert und plagt, Städte, Flecken und Dörfer mutwillig ansteckt, versengt und verbrennt." Es werde gestohlen , geraubt, gemordet und die einfältigen Bauern und das Landvolk tyrannisiert, klagte der aus Gerolzhofen stammende Pfarrer.

Was Kaspar Klee damals in Schnersheim noch nicht weiß: Auch ihm persönlich stehen bald schwere Schicksalsschläge bevor.

Mehr davon in Teil 3 seiner Lebensgeschichte.

 
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