Intelligente Roboter, die gemeinsam mit den Menschen arbeiten. Ist dies bald ein gängiger Standard in der Industrie? Darüber sprach Prof. Dr. Tobias Kaupp von der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt (FHWS) beim zweiten Schweinfurter Zukunftsforum. Die etwas provokative Leitfrage könne er sicherlich nicht abschließend beantworten, sagte Kaupp zu Beginn des Vortrags, aber er könne einen Einblick geben, wo die Reise hingeht.
Gibt es nicht schon überall Roboter?
Kaupp stellte die kollaborativen Roboter, genannt Cobots, vor. Das sind Roboter, die mit den Menschen zusammenarbeiten. Die Roboter, die man heute kennt, etwa aus der Automobilindustrie, sind häufig Industrieroboter. Der erste Industrieroboter in der Produktion wurde übrigens bereits 1961 eingesetzt. Kaupp würde sie nicht als intelligent beschreiben, "aber als verlässlich". Und die Cobots unterscheiden sich von diesen Industrierobotern.
Industrieroboter hinter einem Schutzzaun, Cobots direkt am Menschen
Der Industrieroboter führe blind identisch vorprogrammierte Bewegungen aus, erklärte Kaupp. Er sei gefährlich, Menschen dürfen während des Einsatzes nur hinter einem Schutzzaun stehen. Stärken des Industrieroboters sind seine Präzision und Wiederholungsgenauigkeit. Er sei gut für Massenanfertigungen geeignet, aber schlecht für kundenindividuelle Wünsche und Anpassungen. In den letzten Jahren sei aber ein Trend von der Massenproduktion hin zu Massen-Spezialanfertigungen zu erkennen. Die Kunden wünschten sich individuelle Produkte in großer Stückzahl. Die Herausforderung hierbei sei es, den Preis niedrig und gleichzeitig die Qualität auf einem hohen Niveau zu halten.
Hierbei können Cobots helfen. Die Vorteile: Cobots erkennen und verstehen die Umgebung und die Mitarbeiter durch Sensorik und Algorithmik. Sie sind somit sicherer als Industrieroboter. Die Cobots stehen in direktem Kontakt mit den Arbeitern. Außerdem seien sie flexibel und einfach zu bedienen und zu programmieren, Anpassungen und Änderungen seien schnell möglich, sagte Kaupp.
Stärken von Mensch und Roboter kombinieren
Der größte Vorteil der intelligenten Roboter ist die direkte Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine. Kaupp spricht hierbei immer wieder vom "Kollegen Roboter". Und auch hier gilt: Sowohl der Cobot, als auch der Mensch, haben Stärken und auch Schwächen. Der Schlüssel zum Erfolg sei eine Kombination der Stärken beider.
Der Cobot habe eine eingeschränkte Fingerfertigkeit und Geschicklichkeit, erläuterte Kaupp, diese Eigenschaften seien aber beim Menschen vorhanden. Auch die Intelligenz des Cobots sei eingeschränkt, der Mensch verfüge dagegen über Kognition, er sei lern- und anpassungsfähig. Und während der Mensch in der Durchführung wiederholender Tätigkeiten inkonsistent sei, und jeder Arbeiter ein bisschen anders arbeite, punkte der intelligente Roboter mit hoher Präzision und Wiederholungsgenauigkeit. Außerdem kann der Cobot Tätigkeiten ausüben, die für den Menschen aus ergonomischer Sicht ungünstig wären.
"Kollege Roboter" dient als dritte Hand
An der FHWS läuft hierzu ein Projekt mit dem Titel "Interaktive kollaborative Montage komplexer Bauteile". Das Forschungsziel ist die Etablierung einer Mensch-Roboter-Kollaboration für Montagevorgänge, die sich der Mensch-Mensch-Kollaboration annähert. Es sollen Kommunikationsmethoden entwickelt werden, die das gegenseitige Verständnis und Vertrauen zwischen dem Menschen und dem Kollegen Roboter stärken.
In einem Anwendungsfall bauten Mensch und Cobot gemeinsam ein Modell "Pickup Truck". Die Zusammenarbeit in gemeinsamen Arbeitsschritten zur gleichen Zeit am gleichen Produkt sei reibungslos verlaufen, sagte Kaupp. So dient der Cobot etwa als dritter Arm, indem er das zu montierende Teil hält, während der Arbeiter in einer Hand die Schraube hält und mit der anderen den Akkuschrauber bedient. Dabei werden alle Vorgänge überwacht, um die Aufteilung der Arbeit zwischen Cobot und Arbeiter zu verbessern.
Cobots: Sowohl Hype, als auch Wirklichkeit
In der Praxis spielen Cobots noch eine geringe Rolle. Der Anteil der Cobots an Industrierobotern beträgt 4,8 Prozent (Stand 2019). Aber der Anteil wächst, 2017 waren es nur 2,7 Prozent. "Das Wachstum ist langsamer als erwartet, aber es ist ein Trend zu erkennen", so Kaupp. Es gebe auch immer mehr Hersteller und Modelle, inzwischen seien 51 Cobots von 27 Anbietern auf dem Markt.
Bleiben intelligente Roboter in Fabriken also ein Hype oder werden sie doch bald Wirklichkeit? "Beides", sagte Kaupp. Es gebe einen fließenden Übergang. Wann dieses "bald" ist, könne er aber nicht beantworten. Nur soviel: Es werde noch etwas dauern, bis Cobots flächendeckend eingeführt werden. Derzeit spiele der "Kollege Roboter" also größtenteils noch keine Rolle.
Cobots auch im Supermarkt?
Für die Cobots gebe es noch viel Potenzial für Forschungsprojekte: Wie kann deren Intelligenz erhöht werden, wie das Know-How? Und auch weitere Sicherheitsnormen und Sicherheitstechnologien müssten entwickelt werden. Denn bisher seien die Cobots aus Sicherheitsgründen noch sehr langsam. Und die Cobots seien noch nicht intelligent genug, um flexibel auf Änderungen zu reagieren. Aber: Auf Nachfrage sagt Kaupp, dass er für die Zukunft dieser Roboter auch viel Potenzial außerhalb der Fabrik sieht, etwa in Bau- und Supermärkten.
Online-Tipp: Wie sieht die Zusammenarbeit von Mensch und Cobot in der Praxis aus? Ein Video auf www.mainpost.de zeigt es Ihnen!