zurück
Schweinfurt
In der Berufung vor Gericht verloren: Hitlergruß in einer Kneipe wird für den Angeklagten teuer
Hat der Kellner "Hitler" statt "Liter" gehört? Das Landgericht kommt zum gleichen Ergebnis wie das Amtsgericht Bad Neustadt.
Symbolbild: Volker Hartmann/dpa
Foto: Volker Hartmann | Symbolbild: Volker Hartmann/dpa
Stefan Sauer
Stefan Sauer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:43 Uhr

Anfang Mai letzten Jahres: Gegen 19 Uhr sitzt ein 49-jähriger Handwerker zusammen mit einem 48-jährigen Bekannten auf der Terrasse einer Gastwirtschaft in einem kleinen Dorf im Landkreis Rhön-Grabfeld beim Essen. Er lässt sich Hähnchen schmecken – und bezahlt am Ende auch für Kumpel mit.

Als die Rechnung mit Karte zahlt, fragt er den Kellner: "Kennst du sowas?" Seine Antwort: "Ich habe sogar drei davon." Den Beleg bietet er dem Kellner an, er selbst könne eh nichts absetzen. EC-Karten von Ausländern aber zahle eh der Steuerzahler. Dann gehen die beiden, und noch im Abgang hebt der 49-Jährige den rechten Arm zum Hitlergruß und sagt auch "Heil Hitler".

So hat der 23-jährige Hotelfachmann das Geschehen eine Woche nach diesem Vorgang dem Polizeiermittler geschildert – und kurz vor Weihnachten auch vor dem Amtsgericht Bad Neustadt. Das Gericht glaubte ihm und verurteilte den Angeklagten wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 50 Euro.

Dem Bekannten des Angeklagten, der von diesem eingeladen wurde, doch von all dem nichts mitbekommen haben will, glaubte das Gericht nicht. Die Staatsanwaltschaft hat gegen ihn ein Verfahren wegen uneidlicher Falschaussage eingeleitet.

Bekannter sagt: "Jeder ein bis zwei Liter Bier"

Der Angeklagte legte Berufung gegen das Urteil ein, die jetzt in Schweinfurt vor den 3. Kleinen Strafkammer des Landgerichts verhandelt wurde. Er selbst sagte nichts, für ihn sprach sein Verteidiger, aber auch nicht viel. Demnach hat sein Mandant dort gegessen und getrunken, und weil Bier-Maß konsumiert wurden, "mehrmals ,Liter' gesagt, nicht ,Hitler'". Auch den Hitlergruß habe er nicht gezeigt. Weitere Angaben zur Sache würden nicht gemacht.

Der Bekannte des Angeklagten, gegen den laut Gericht in dieser Sache bereits Anklage wegen uneidlicher Falschaussage erhoben wurde, befand sich erneut im Zeugenstand. Ein bis zwei Maß Bier habe jeder getrunken, sagte er. Außer zum Bestellen und Zahlen sei mit den Kellner nichts gesprochen worden. Der Angeklagte habe auch keinen Hitlergruß gezeigt und nicht "Heil Hitler" gerufen. Er sei sich da "hundertprozentig sicher".

Ein langer Weg zur Anzeige

Der 23-jährige Kellner demonstrierte auf Wunsch des Gerichts die Nazi-Geste des Angeklagten beim Verlassen des Lokals. Nur ob er auch "Heil Hitler" gerufen hatte, konnte er aus dem Gedächtnis nach über einem Jahr nicht mehr sagen. Bei der Polizei und vor dem Amtsgericht habe er aber korrekt ausgesagt. Er selbst hatte den 49-Jährigen gar nicht angezeigt, sondern seine Chefin, die Wirtin, der er gleich danach davon erzählt habe. Die wiederum sagte es dem Bürgermeister – und der ging damit zur Polizei nach Mellrichstadt. So erst kam das Verfahren in Gang.

Für den Staatsanwalt war der Sachverhalt wie von der Erstinstanz festgestellt. Der Kumpel des Angeklagten sei völlig unglaubwürdig, der Kellner dagegen sehr, weil ohne jeden Belastungseifer und ohne Motiv, dem Angeklagten zu schaden. Nur der Tagessatz sei auf die Einkommensverhältnisse des Angeklagten anzupassen.

Der Verteidiger sah schon den Tatvorwurf nicht als erwiesen an. Auch rechtlich habe es an der Öffentlichkeit gemangelt, die für das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen Voraussetzung sei.

Die Kammer verurteilte wie vom Staatsanwalt beantragt den 49-Jährigen zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 20 Euro. Mit 1800 Euro ist der Hitlergruß nicht gerade billig. Dagegen ist Revision möglich.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Schweinfurt
Mellrichstadt
Stefan Sauer
Amtsgericht Bad Neustadt
Amtsgericht Schweinfurt
Angeklagte
Kellnerinnen und Kellner
Landgericht Schweinfurt
Polizei
Staatsanwaltschaft Schweinfurt
Staatsanwälte
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top