
Die junge Frau ist eingeschüchtert. Zusammen mit einem Dolmetscher sitzt sie im Gerichtssaal am Schweinfurter Amtsgericht, und muss erzählen, was sie am Vortag erlebt hat: Sie sei mit ihrer kleinen Tochter, ihrer Mutter und ihrer Schwester im Chateaudunpark unterwegs gewesen, als sie gemerkt habe, wie jemand sie von hinten angreift. Jemand habe ihr das Kopftuch vom Kopf reißen wollen, die Hälfte der Haare habe man schon gesehen. Dieser Jemand, eine 36-jährige Frau, die Haare abrasiert, sitzt ihr nun im Gerichtssaal beinahe gegenüber und kann es nicht einmal jetzt lassen, die eingeschüchterte Frau rassistisch zu beleidigen.
Dass dieser Fall ungewöhnlich sein könnte, zeigte sich schon auf dem Flur vor dem Gerichtssaal. Justizmitarbeiter führten die Angeklagte vor, Handschellen, Fußkette. Für ein Delikt dieser Art eher ungewöhnlich. Der Vorwurf: Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Beleidigung und tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte. Der Angriff auf die junge Frau im Zeugenstand war der Beginn einer Reihe von Straftaten, die auch im Gerichtssaal weitergehen sollten.
Passiert sein soll am Vortag folgendes: Die Frau soll gegen 11 Uhr auf dem Theaterplatz gegenüber eine Gruppe Jugendlicher und weiteren Passanten den Hitlergruß gezeigt und die junge Mutter mit dem Kopftuch angegriffen habe. Als die Polizeistreife die Angeklagte am Georg-Wichtermann-Platz schließlich stellen wollte, soll sie eine Polizeibeamtin rassistisch beleidigt, bedroht und angegriffen haben. Die 36-Jährige musste zu Boden gebracht und schließlich gefesselt werden.
Beschleunigte Verfahren in Schweinfurt mittlerweile üblich
Eigentlich, und das ist in Schweinfurt mittlerweile ein übliches Vorgehen, sollte das Verfahren gegen die Frau ein beschleunigtes sein. Das heißt salopp gesagt: Heute geschnappt, morgen verurteilt. Die Voraussetzungen für ein derartiges Verfahren sind bei der Angeklagten auf den ersten Blick erfüllt: eine scheinbar eindeutige Beweislage und eine Tatverdächtige ohne festen Wohnsitz, der man also zu einem späteren Zeitpunkt möglicherweise keine Vorladung mehr zustellen könnte.
Doch vor Gericht kommt dann alles anders: Von Reue gibt es bei der Angeklagten keine Spur, im Gegenteil: Als der Richter sie fragt, ob sie der jungen Frau das Kopftuch vom Kopf gerissen habe, antwortete sie: "Ja, natürlich." Sie sagt das so beiläufig, als würde man das eben so machen. Und überhaupt sieht sie sich in der Opferrolle: "Ich wurde auf dem Boden zusammengetreten und nicht die", sagt die Angeklagte und zeigt dabei in den Zuschauerraum, wo der Dolmetscher für die junge Frau sitzt. "Überall lauern mir Ausländer auf und ich habe keine Ruhe mehr", versucht sie ihre Angriffe zu rechtfertigen. Wobei das noch eine der harmloseren Äußerungen der 36-Jährigen vor Gericht ist.
Die Frau muss in U-Haft und auf einen Prozess warten
Ihr Anwalt sagt schließlich: Ja, es habe eine Auseinandersetzung mit der Polizei gegeben; auch Beleidigungen. Und die Angeklagte beteuert: "Aber verletzt habe ich niemanden." Eigentlich hätte man an der Stelle weitere Zeugen hören müssen. Doch die Aggressivität der Frau lässt eine Fortsetzung des beschleunigten Verfahrens nicht zu. Als der Staatsanwalt die 36-Jährige darauf hinweist, dass sie jetzt "umgehend damit aufhören solle", steht die Frau auf, schlägt mit den Händen auf den Tisch und sagt: "Was willst'n du jetzt von mir?" Die Beamten ziehen der Frau erneut die Handschellen an.
Am Ende bleibt dem Gericht keine Wahl: Der Richter erlässt einen Haftbefehl gegen die Angeklagte, die aufgrund von 15 Vorstrafen mit "einer nicht unerheblichen Freiheitsstrafe rechnen muss". Sie wird in eine Justizvollzugsanstalt gebracht und muss auf ein "reguläres" Strafverfahren warten. Möglicherweise müsse sie noch begutachtet werden, sagt der Staatsanwalt. Bis der Fall erneut vor Gericht kommt, dürften ein paar Monate vergehen.