Seit drei Wochen wird im Impfzentrum auf dem Schweinfurter Volksfestplatz nach Termin geimpft und seitdem wird über das Impfzentrum geschimpft. Zu eng geplant, zu schlecht organisiert, zu unfreundlich das Personal, und, und, und. In der Tat, der Start lief schlecht: lange Warteschlangen, keine Sitzgelegenheiten, kein Wetterschutz. Es wurde schnell nachgebessert. Inzwischen steht vor dem Impfzentrum ein Wartezelt, und auch Stühle für Wartende stehen bereit. Die Kritik indes reißt nicht ab. "Dass sich die Verantwortlichen nicht schämen, an dieses Provisorium eine Plastikplane mit der Aufschrift Impfzentrum anzubringen", schimpft ein Bürger, der namentlich nicht genannt werden will.
Er hatte am 26. Februar seine über 80-jährige Schwiegermutter zu ihrem ersten Impftermin ins Schweinfurter Impfzentrum begleitet. "In der sehr engen Impfkabine sitzen der Arzt, der Impfling, eine Person am Computer, und falls die Begleitperson dabei ist, steht diese auch noch im Raum", beschreibt er die Situation. In seinem Fall sei sogar noch ein junger Mann dazugekommen, der die fertigen Impfspritzen brachte und einige Minuten mit der Dame am Computer diskutiert habe, so dass sich kurzfristig fünf Personen in dem Miniraum aufgehalten hätten. Ohne Lüftungsmöglichkeit. "Wir sind mit einem sehr mulmigen Gefühl nach Hause gefahren", schreibt er in seinem Brief an die Redaktion.
Im krassen Gegensatz dazu die Leserzuschrift von Karlheinz Itzel aus Werneck, der am 27. Februar geimpft wurde. "Die Impfung war gut vorbereitet, die Durchführung war problemlos, zeitnah und flott. Alle aktiv Beteiligten waren engagiert, freundlich und hilfsbereit. Die gesamte Aktion hätte nicht besser verlaufen können."
Schmale Gänge, Enge im Wartebereich und in den Impfkabinen
Wir wollten nun selbst mal wissen, wie ist die Situation im Impfzentrum? Chefarzt Dr. Markus Hüttl lädt mich bereitwillig zu einem ganz spontanen Besuch ein. Eine Stunde lang führt er von Station zu Station, erklärt den Ablauf, öffnet alle Türen. Kein Gedränge, keine Enge, keine Probleme. Wäre ich an diesem Tag ein Impfling gewesen, das Impfzentrum hätte gute Noten bekommen.
Tatsächlich aber geht es nicht jeden Tag so entspannt zu. Tatsächlich ist es im Impfzentrum viel zu eng, wenn genügend Impfstoff da ist und in allen acht Impfkabinen geimpft wird. Das räumt Hüttl selbstkritisch ein. Und offen gesteht er, dass man vieles falsch eingeschätzt oder überhaupt nicht berücksichtigt habe. Zum Beispiel, dass alte Menschen gerne viel zu früh zu Arztterminen kommen und es dann Warteschlangen gibt. Oder dass gebrechliche Menschen einen Rollator dabei haben und es dann in den schmalen Gängen noch enger wird. Oder dass Senioren länger zum An- und Ausziehen brauchen und die kalkulierte Impfzeit dann nicht ausreicht. "Wir waren überrascht, wie langsam das ging", bekennt Hüttl.
Jetzt weiß man all das, und deshalb wird sich in den nächsten Tagen einiges ändern. Das Impfzentrum soll vergrößert werden. "Es werden zehn neue drei auf sechs Meter große Container angebaut", teilt die fürs Impfzentrum verantwortliche Stadt Schweinfurt auf Nachfrage dieser Redaktion mit. "Die Container werden am 16. März geliefert, aufgebaut und eingerichtet." An diesem Tag werden deshalb nur die mobilen Impfteams im Einsatz sein und das Impfzentrum aufgrund der Umbauarbeiten geschlossen bleiben.
Die schnelle Erweiterung soll auch im Hinblick auf die angekündigte Erhöhung der Impfstofflieferungen im zweiten Quartal erfolgen. "Wir machen das jetzt, damit wir ab April richtig loslegen können", sagt Dr. Hüttl. Aktuell werden täglich zwischen 300 und 400 Personen auf dem Volksfestplatz geimpft, je nach Impfstofflieferung. Bei voller Auslastung sollen es einmal 800 sein.
Alle Impfungen sind bislang problemlos verlaufen
"Wir werden täglich schneller und besser", verweist Hüttl auf die ständige Anpassung der Prozesse. Welche Schrauben nachgestellt werden müssen, erfährt er durch Patientenbefragungen. Jeder Impfling darf dem Impfzentrum in puncto Ausstattung, Wohlgefühl, Freundlichkeit, Professionalität und Schnelligkeit eine Note von eins bis sechs geben. 3000 Bewertungen sind schon abgegeben worden, im Durchschnitt bekommt das Impfzentrum eine 1,6.
Auch einen Notfallraum gibt es vor Ort. "Bis jetzt mussten wir ihn aber noch nicht benutzen." Alle Impfungen sind laut Hüttl bislang problemlos verlaufen. Nichtsdestotrotz gibt es regelmäßig Simulationstraining für das medizinische Team, zu dem auch Rosi und Thilo gehören, die "Aufzieher". Sie machen im Vorbereitungsraum die Impfspritzen zurecht. Dort stehen drei Kühlschränke für die drei Impfstoffe Biontech, Moderna und Astrazeneca. Jeden Dienstag und Freitag gibt es Lieferung, bei Moderna herrscht derzeit Fehlanzeige. Anhand der gelieferten Mengen wird der Impfplan erstellt. Eine höchst komplizierte Angelegenheit. Die Termine werden je zur Hälfte an die Personen vergeben, die sich über das Impfportal und die sich über die Hotline angemeldet haben.
Sechs Frauen arbeiten im Callcenter – auf engstem Raum, an abgeschirmten Arbeitspätzen. Sie vereinbaren nicht nur Termine, sondern nehmen auch Registrierungen an und beantworten Anfragen. 798 Anrufe gingen beispielsweise an den ersten beiden Tagen im März über die Hotline ein. Davon waren 284 Terminvergaben und 379 Registrierungen. "Das ist ein ganz wichtiger Job", weiß der Chefarzt. Manche Patienten erkennen das an. "Sie haben als Dankeschön schon Kuchen mitgebracht."
Zuletzt gewährt der Leiter des Impfzentrums einen Blick ins Archiv, ein noch kleinerer Raum mit Regalen, in denen sich viele dicke Ordner aneinanderreihen. Hier werden die Impfbögen und Patientendaten aufbewahrt. Zehn Jahre lang. Das ist Vorschrift, trotz der eigens fürs Corona-Impfmanagement entwickelten Software Bayimco, die von der Anmeldung und Terminvergabe bis zur Impfstoffverwaltung und dem Impfen sowie der Impfdokumentation alle planungsintensiven Prozesse in den Impfzentren umfasst. Weil die Module im laufenden Betrieb sukzessive erweitert und optimiert werden, ist ein Mitarbeiter vor Ort nur mit dem Einpflegen der Änderungen beschäftigt. "Wir bekommen jeden Tag eine lange Liste mit Updates." Die hochgepriesene Software bekommt von Hüttl daher keine gute Noten, "die ist echt schlecht".
Apropos Noten: "Auch wir sind nicht perfekt", erkennt Hüttl. Mit der Vergrößerung des Impfzentrums sollen nun aber Planungsfehler behoben werden. Stellt sich nun die Frage, was die Erweiterung des Impfzentrums kostet und wer die Kosten zu tragen hat. Die Stadt Schweinfurt verweist auf die vertragliche Vereinbarung mit 21Dx, wonach Vertragsgegenstand ein Impfzentrum sei, "in dem die erforderlichen Hygieneabstände eingehalten werden können". Die Konfektionierung habe der Auftragnehmer vorgenommen. Die Kosten seien daher in der vertraglich geschuldeten Vergütung enthalten, teilt Pressesprecherin Kristina Dietz mit. Der Stadt lägen dazu keine Informationen vor.
Alte Leute brauchen lang zum aus- und anziehen? Die Ärzte waren davon überrascht? Haben die noch nie ältere Personen behandelt?
Es gibt Landkreise, die niedergelassene Ärzte bestimmt haben, die Pandemiebeauftragte des Landkreises und damit Bindeglied zwischen den dort ansässigen Ärzten und dem Gesundheitsamt sind. Solche Ärzte sind in Vollzeit damit beschäftigt die Kollegen abzuklappern und die Organisation voranzutreiben.
Wenn ich das auf unseren Landkreis herunterbreche wird mir Angst und Bange. Dort gibt es solch ein Bindeglied noch nicht einmal! Schlimmer noch. Man setzt laut Presseberichten auf die sogenannten Pop-up-Zentren und auf Erweiterung des Impfzentrums. Träum ich, oder hat man den Aufwand für die Impfungen im Landkreis noch nicht erfasst? Ohne Hausärzte wird das ein Desaster. Lässt man wirklich die Hausärzte links liegen?