Jahrelang haben sogenannte Stromdiscounter mit billigen Stromtarifen Kunden gelockt, auf Kosten der etablierten Stromversorger. Damit ist Schluss, seitdem die Preise an der Strombörse– vergleichbar zu den Gaspreisen – zeitweise extrem angezogen haben. Anfang des Jahres habe es dort Preissteigerungen von bis zu 1000 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gegeben, berichtet Eva Gerhart, Pressesprecherin der ÜZ Mainfranken. Der Energieversorger mit Sitz in Lülsfeld versorgt eigenen Angaben nach rund 55.000 Kunden in den Landkreisen Schweinfurt, Haßberge, Kitzingen, Würzburg, Main-Spessart und Bamberg. Ein Großteil von diesen hat laut dem Unternehmen zumindest für das laufende Jahr dank längerfristig laufender Verträge keine kurzfristige Steigerung bei den Strompreisen zu fürchten. Doch was passiert dann?
Wie wirkt sich die Dauer der Vertragslaufzeit auf die Stromkosten aus?
Schnäppchenjäger waren in den zurückliegenden Jahren ständig auf der Suche nach dem günstigsten Stromversorger. Oftmals war dies nicht der lokale Grundversorger. Vergleichsportale im Internet beispielsweise haben den Anbieterwechsel sehr bequem gemacht. Nicht wenige Stromkunden haben deshalb regelmäßig, das heißt nach kurzer Vertragslaufzeit ihren Anbieter gewechselt. In der aktuellen Situation rät Gerhart von Vertragswechseln dringend ab. "Je länger die Vertragslaufzeit eines Stromlieferungsvertrags ist, desto langfristiger kann ein Energieversorger planen und die benötigte Strommenge vorausschauend an der Börse einkaufen. Dadurch sind Verträge mit langer Vertragsbindung meist günstiger", stellt die Pressesprecherin der ÜZ mit Blick auf die aktuelle Situation der gesamten Branche fest.Die ÜZ etwa habe rund 70 Prozent ihrer Kunden in diesem Jahr nicht nur einen stabilen, sondern dank der gesunkenen Umlage gemäß des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) sogar einen etwas günstigeren Stromtarif anbieten können als im Vorjahr.
Profitieren davon auch Neukunden der ÜZ?
Nein, zumindest bei Weitem nicht in dem Maß wie Bestandskunden. Denn den Strombedarf für Neukunden konnte die ÜZ als zuständiger Grundversorger im Voraus nicht einplanen. Das heißt, dass der regionale Stromanbieter die dafür benötigten Strommengen von heute auf morgen kurzfristig einkaufen muss – und das zum aktuellen, ungewöhnlich hohen Börsenpreis. Aus diesem Grund bietet die ÜZ Neukunden auch keine freie Wahl der Stromtarife an, sondern nur einen "Grundversorgungstarif neu". Und dieser beinhaltet die stark erhöhten Einkaufskosten. Damit folge die ÜZ dem Vorgehen vieler anderer Energielieferanten, erklärt Pressesprecherin Gerhart. "Mittelfristig haben die Neukunden dann selbstverständlich wieder die Möglichkeit, in einen Vertrag zu attraktiveren Konditionen zu wechseln."
Laufen Haushalte Gefahr, ohne Stromversorger dazustehen?
Mit dieser Frage haben sich zuletzt wohl vor allem diejenigen Stromkunden beschäftigt, deren (Discount)Anbieter Lieferverträge nicht verlängert haben oder die aufgrund der explodierenden Einkaufspreise an der Börse sogar Insolvenz anmelden mussten. Von der Einstellung der Strombelieferung des Unternehmens Stromio etwa waren nach Angaben der ÜZ Mainfranken in ihrem Versorgungsgebiet rund 400 Kunden betroffen. Etwa die Hälfte hätten einen anderen Anbieter gefunden. Die andere Hälfte der betroffenen Stromio-Kunden werde jetzt von der ÜZ über die Ersatzversorgung mit Strom beliefert. Zu dieser ist jeder Strom-Grundversorger verpflichtet. Es muss also niemand fürchten, von der Stromversorgung abgeschnitten zu werden. Allerdings sind die Konditionen der Ersatzversorgung in der Regel ungünstiger als die anderer Tarife. Aktuell entsprächen die Preise in der Ersatzversorgung "dem aktuell hohen Preisniveau", so Gerhart.
Welche günstigen Tarif-Alternativen haben ÜZ-Neukunden derzeit?
Kurz gesagt: keine. "Schnäppchen gibt es im Moment nicht", nimmt die Pressesprecherin auch jede Illusion, derzeit bei einem anderem Anbieter merklich günstiger davonzukommen. Sie rät ganz allgemein dazu, den örtlich geltenden Grundversorgungstarif als Übergangslösung in Betracht zu ziehen. Da in der Grundversorgung kurze Kündigungsfristen gelten, müsse sich niemand über längere Zeit an den Grundversorger binden. Sobald sich die Lage auf den Energiemärkten wieder entspannt hat, könnten Kunden aus der Grundversorgung in günstigere Tarife wechseln. Auf der anderen Seite empfiehlt Gerhart aber auch allen Bestandskunden, die bisher keine drastischen Preiserhöhungen erhalten haben, bei ihrem jetzigen Tarif zu bleiben.
Wann wird der Strom wieder billiger?
"Wir hoffen bald, aber diese Frage können auch wir leider nicht beantworten", sagt Gerhart. Zu viele Faktoren würden die Kursentwicklung am Strommarkt derzeit beeinflussen. Vor Ausbruch des Ukraine-Kriegs sei man davon ausgegangen, in absehbarer Zeit wieder günstigere Tarifangebote unterbreiten zu können. Doch mit dem Angriff Russlands auf das Nachbarland und den teils gravierenden Auswirkungen auf die Energiemärkte sei diese Hoffnung von einem Tag auf den anderen zerplatzt. Der extreme Preisanstieg lasse befürchten, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis sich die Lage auf dem Strommarkt weltweit wieder entspannt.
Welche Rolle spielen die erneuerbare Energien?
Die ÜZ setzt weiter auf den Ausbau der aus regenerativen Quellen gewonnenen Energien in ihrem Netzgebiet. Dies verringere die Abhängigkeit des Versorgers vom Geschehen an der Strombörse. Die ÜZ verweist gerne darauf, dass sie mit der Energiewende bereits vor über 30 Jahren begonnen habe und seit mehreren Jahren bereits in der Region bilanziell mehr Strom aus Wind, Photovoltaik, Wasser oder Biomasse erzeugt, als dort Strom verbraucht wird.