
Die Debatte um eine Schweinfurterin, die mit ihrem Assistenzhund von einer örtlichen Arztpraxis abgewiesen wurde, hat für Aufsehen in der Region gesorgt. Melanie Hamm ist vor 18 Jahren vollständig erblindet. Seitdem ist die 41-Jährige auf einen Blindenführhund angewiesen, um sich im Alltag selbstständiger zurechtzufinden.
Weil Hamm nach der Geburt ihres Kindes im vergangenen Jahr unter Schwangerschaftsdiabetes litt, wollte sie sich Anfang dieses Jahres einem Test in einer Schweinfurter Arztpraxis unterziehen. Als sie zu der Untersuchung ihren schwarzen Führhund Nino mitgebracht hatte, wurde sie allerdings unter Berufung auf das Hausrecht der Praxis verwiesen.
Die Praxis begründete ihr Vorgehen mit hygienetechnischen Bedenken und der Rücksichtnahme auf andere "erheblich infektionsgefährdete" Patientinnen und Patienten unter Chemotherapie im Behandlungssaal. Seitdem Hamm den Vorfall öffentlich gemacht hatte, habe die Praxis ihr gegenüber eine weitere Behandlung verweigert, da das "Vertrauensverhältnis zwischen Praxis und Patientin" gestört sei, erklärt Hamm gegenüber dieser Redaktion. Jetzt, einige Wochen danach, scheint der Fall doch noch ein gutes Ende zu nehmen.
Direkt nach dem Vorfall hat sich die 41-Jährige zusammen mit ihrem Partner auf die Suche nach einem neuen Arzt begeben. Mit Erfolg. Bereits zwei Woche später habe ein neuer Termin stattgefunden, sagt Hamm. "Die haben gleich ja gesagt, mit Blindenführhund." Untergekommen ist die Schweinfurterin in einer Praxis in Würzburg. Neben dieser hatte ihr auch eine Praxis aus Kitzingen einen Termin zur Untersuchung mit Blindenführhund angeboten. "Ich habe mich für Würzburg entschieden, weil ich es kenne", sagt Hamm.
Würzburger Arzt hält Bedenken für gerechtfertigt
"Diabetes ist die häufigste Ursache für Erblindung in Europa", sagt Dr. Dominik Bergis, ärztlicher Leiter und Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie vom MVZ DiaMedicum Würzburg. Als diabetologische Schwerpunktpraxis, die fast ausschließlich Menschen mit Diabetes behandele, habe seine Praxis häufig mit Personen zu tun, die erheblich in ihrer Sehkraft eingeschränkt seien und mit Assistenzhunden in der Praxis erscheinen.
"Assistenzhunde werden bei Menschen mit Diabetes gelegentlich eingesetzt, insbesondere, um vor Unterzuckerung zu warnen. Diese Hunde sind Teil der Therapie und in aller Regel sehr gut erzogen, sodass sie den Praxisablauf nicht stören", erklärt Bergis. Das Bedenken mancher Praxen, Assistenzhunde in den Räumen zuzulassen, hält er dennoch durchaus für berechtigt. "In manchen Praxen sind Hunde schlichtweg fehl am Platz." Das betreffe seiner Meinung nach alle Praxen mit größeren operativen Einheiten, immunschwachen oder Krebs- und Chemotherapiepatienten.
Deshalb dürfen sich Patientinnen und Patienten mit Hunden nur in bestimmten, hygienisch unkritischen Bereichen der Praxis aufhalten. "Die Diabetologie ist ein Fach, in dem viel mit dem Patienten gesprochen wird, was gemeinsam im Sprechzimmer unter hygienischen Gesichtspunkten auch unter Anwesenheit eines Hundes unkritisch ist", so der Mediziner.
Kitzinger Praxis hält Assistenzhunde für unbedenklich
Dieser Meinung ist auch Anna Nordlund, Diabetesberaterin bei der allgemeinmedizinischen und diabetologischen Schwerpunktpraxis Sengenberger in Kitzingen. "Ein Hund stellt für uns überhaupt kein Problem dar. Falls sich jemand daran stört, würden wir demjenigen einen extra Raum zur Verfügung stellen." Blinde Menschen hätten das Bedürfnis, mit Assistenzhund vor die Tür zu gehen. "Wenn ich einen Rollstuhl brauche, brauche ich einen Rollstuhl. Wenn ich einen Hund brauche, brauche ich einen Hund", so die Diabetesberaterin.
Also doch ein Happy End? Nicht ganz, meint Melanie Hamm. "Es wäre natürlich einfacher, wenn ich in Schweinfurt zum Arzt könnte und nicht extra nach Würzburg müsste." Sie sei erstaunt und dankbar über die Unterstützung aus der Bevölkerung gewesen und freue sich, den Arzttermin endlich wahrnehmen zu können.
Die Begründung hört sich zumindest nicht völlig abwegig an! Ich kenne einen Krebspatienten der sich schweren Herzens von seinem Haustier getrennt hat und auch andere Krebspatienten die extremst vorsichtig im Alltag sind und aus Angst vor Infektionen nicht mehr am öffentlichen Leben teilnehmen.
Zitat: Seitdem Hamm den Vorfall öffentlich gemacht hatte, habe die Praxis ihr gegenüber eine weitere Behandlung verweigert, da das "Vertrauensverhältnis zwischen Praxis und Patientin" gestört sei, erklärt Hamm gegenüber dieser Redaktion."
Auch das ist völlig normal und soll auch dem Schutz des Patienten dienen. Ein Patient und Ärzte die beide möglicherweise bewusst oder unterbewusst voreingenommen sein könnten sind für eine Behandlung kein Vorteil. Professionalität hin oder her.
Ich, ich , ich! Es gibt aber in der Praxis auch andere Patienten mit anderen Befindlichkeiten! Siehe meinen Kommentar oben.
Letztlich ist alles im Leben ein Geben und Nehmen und man sollte immer das große Ganze im Blick behalten und immer vorab reflektieren, wie andere eine Sache sehen könnten.
Jeder weiß, dass Hunde eher unüblich in Praxen sind! Natürlich handelt es sich hier um einen Blindenhund. Trotzdem hätte man im VORFELD versuchen können ein mögliches Problem anzusprechen anstatt mit der Tür ins Haus zu fallen! Gerade weil allgemeinbekannt ist, das in Praxen Hunde oftmals verboten sind. Wenn ich auf einen Blindenhund angewiesen bin gebietet es der Respekt doch VORAB zumindest darauf hinzuweisen wenn ich einen Ort besuchen möchte an dem Hunde grundsätzlich eher weniger erwünscht sind.
Meiner Meinung nach wurde der Vorfalls daher gewissermaßen auch von der Patientin mit heraufbeschworen, es hätte gut gehen können, ist es aber nicht!
Ich finde es toll, dass die junge Frau nach Würzburg fahren muss. Gottseidank gibt es ja bald das 49-Euro-Ticket.
Und das bis dahin benötigte Benzin ? Würde ich dem Schweinfurter Arzt mal in Rechnung stellen und ihn trotzdem wegen Verstoßes gegen das Antidiskriminierungsgesetz verklagen.
Sorry, aber wenn ich sehe, was sich in so manchen Arztpraxen aufhält, dann ist ein Assistenzhund wohl eher bei den "Hygienischen" anzusiedeln.
die Nutzung des ÖPNV ist für Blinde kostenfrei. Ich schreib das nur weil man den Staat an dieser Stelle auch mal loben muss! Schimpfen kann man an anderer Stelle genug.