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Schweinfurt
Hat Anlageberater der Sparkasse Hunderttausende Euro veruntreut? Betroffene melden sich: "Ich habe ihm vertraut"
Im November gab es eine Durchsuchung bei der Sparkasse in Schweinfurt, seither sitzt ein Anlageberater in Untersuchungshaft. Welche Rolle spielten Bargeld-Geschäfte?
Warum sollten Kunden ihren Schilderungen nach für ihren Anlageberater hohe Bargeldsummen abheben? Das ist eine der Fragen, die derzeit in der Ermittlung wegen des Verdachts des Betrugs und der Untreue gegen einen Anlageberater der Sparkasse Schweinfurt-Haßberge geklärt wird.
Foto: Daniel Biscan, Getty | Warum sollten Kunden ihren Schilderungen nach für ihren Anlageberater hohe Bargeldsummen abheben? Das ist eine der Fragen, die derzeit in der Ermittlung wegen des Verdachts des Betrugs und der Untreue gegen einen ...
Oliver Schikora
 und  Thomas Starost
 |  aktualisiert: 01.02.2025 02:33 Uhr

Als die Schweinfurterin Maria N. (Name von der Redaktion geändert) Ende November 2024 den Bericht über die Verhaftung eines Anlageberaters der Sparkasse Schweinfurt-Haßberge in der Zeitung liest, traut sie ihren Augen nicht. Sofort ruft sie in der Filiale am Schweinfurter Roßmarkt an, in der es am 26. November eine Durchsuchung der Büroräume des Beraters durch die Polizei gegeben hatte. Ihr Berater ist nicht erreichbar. Er sitzt in Untersuchungshaft.

Gegen den Mann wird in einem sehr umfangreichen Verfahren wegen des Verdachts des Betrugs und der Untreue in mehreren Fällen ermittelt. Das angeblich veruntreute Geld soll er nach Angaben der Polizei verwendet haben, "um seinen aufwendigen Lebensstil zu finanzieren". Die Staatsanwaltschaft geht derzeit von mindestens sechs Geschädigten aus.

Bisher laut Staatsanwaltschaft gut zwei Millionen Euro Schaden

Von einem Schaden von insgesamt gut zwei Millionen Euro nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen, spricht Oberstaatsanwalt Markus Küstner, der Sprecher der Staatsanwaltschaft Schweinfurt. Ein Teil der Taten könnte schon verjährt sein. Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre nach der Tat. Laut Küstner wird noch ermittelt, ob 800.000 Euro Schaden auf nicht verjährte Fälle fallen.

Es gilt die Unschuldsvermutung. Christian Mulzer, einer der Anwälte des Beschuldigten, erklärte auf Nachfrage der Redaktion, dass sich sein Mandant derzeit nicht zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen äußert. Laut Polizei hat er dies auch gegenüber der Kriminalpolizei, die eine Ermittlungskommission gebildet hat, bisher nicht getan.

Betroffene möchten warnen und für den Fall sensibilisieren

Maria N. ist eine von mehreren Betroffenen, mit denen diese Redaktion gesprochen hat. Sie hat ihre Unterlagen der Kriminalpolizei gegeben. Sie vermutet, dass ihr der Verlust von 33.250 Euro drohen könnte. Ihr Motiv, sich an die Öffentlichkeit zu wenden, ist eines, das mehrere Geschädigte antreibt: "Ich möchte warnen und die Menschen sensibilisieren, sich im Zweifel bei der Kriminalpolizei zu melden."

N. kannte den Berater über viele Jahre. Nicht nur ihr Fall zeigt ein Muster in der vermeintlichen Vorgehensweise. In verschiedenen Fällen sollen Kunden dazu gebracht worden sein, Bargeld an der Kasse in der Sparkasse abzuheben und anschließend dem Berater zu übergeben. N. schildert die Gespräche mit dem Berater als angenehm: "Ich wollte keine riskanten Investments und habe mich auf ihn verlassen." Verdacht habe sie erst geschöpft, als sie von der Verhaftung las.

"Ich hätte natürlich stutzig werden müssen, aber er hatte immer eine Erklärung parat."
Maria N., Betroffene

Bei Durchsicht der Unterlagen stellte sich heraus, dass es sieben Bargeldabhebungen gab, von denen N. versichert, sie selbst habe nur zwei davon persönlich getätigt. Ihr sei gesagt worden, es brauche Bargeld, um es entweder in einen Fonds oder eine Lebensversicherung einzuzahlen. Warum das nicht per Überweisung vom Geldmarktkonto gehen sollte, habe sie nicht hinterfragt.

Ein Umstand, den sie bereut: "Ich hätte natürlich stutzig werden müssen, aber er hatte immer eine Erklärung parat", erzählt die 74-Jährige. In welcher Form und von wem die Auszahlungen wirklich veranlasst wurden, ob die Unterschriften tatsächlich jeweils von den Betroffenen geleistet wurden und ob die Bargeld-Übergaben quittiert wurden, ist Teil der laufenden Ermittlung auch in anderen Fällen.

Hätte Bargeld trotz Krankenhausaufenthalt persönlich abgehoben werden können?

Bei einem anderen Geschädigten aus dem Landkreis Schweinfurt, der vergangenes Jahr verstorben ist, schildern die Hinterbliebenen sowie der Schweinfurter Anwalt Michael Schulze den Fall gegenüber dieser Redaktion. Hierbei geht es unter anderem um Barabhebungen über 44.500 Euro. In mindestens drei Fällen, so die Darstellung der Hinterbliebenen, habe ihr Verwandter wegen eines Krankenhausaufenthaltes gar keine Möglichkeit gehabt, das Geld persönlich abzuheben.

Auch hier soll von Seiten des Beraters erklärt worden sein, er benötige das Bargeld, um es für eine Lebensversicherung zu investieren. Das soll aber nicht passiert sein. "Es war klar, da ist was faul", erklärte der Neffe des Verstorbenen im Gespräch mit dieser Redaktion.

Der Fall landete vor zweieinhalb Jahren als Zivilsache vor dem Landgericht Schweinfurt, das aber gegen den Kläger entschied, da es nicht als bewiesen ansah, dass die Barabhebungen nicht vom Geschädigten getätigt worden waren. Mittlerweile liegt dieser Fall vor dem Oberlandesgericht, ist aber wegen des möglichen Strafverfahrens gegen den Beschuldigten derzeit ausgesetzt. Auf Anfrage bestätigt die Sparkasse den Ausgang des Verfahrens, nimmt aber aufgrund des Bankgeheimnisses und des laufenden Verfahrens ansonsten keine Stellung zu dem Fall, so Thomas Engert, Leiter Kommunikation der Sparkasse Schweinfurt-Haßberge.

Der beschuldigte Berater hatte nach Darstellung der Hinterbliebenen nach dem Ende des Verfahrens vor dem Landgericht eine Anzeige wegen übler Nachrede gegen diese gestellt. Anwalt Schulze erklärt, dieses Verfahren sei von der Staatsanwaltschaft umgehend eingestellt worden. "Es war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte", so Schulze, der im Auftrag der Hinterbliebenen wiederum Strafanzeige gegen den Berater wegen des Verdachts des Betrugs, der Untreue und der Urkundenfälschung gestellt hatte.

Durchsuchungen nicht nur in Schweinfurt, sondern auch in Spanien

Danach begann die Polizei nach eigenen Angaben im Auftrag der Staatsanwaltschaft mit Ermittlungen, an deren Ende die Durchsuchung des Büros sowie der Privaträume des Beschuldigten stand. Darüber hinaus gab es auch eine Durchsuchung einer Wohnung des Mannes in Spanien, die laut Oberstaatsanwalt Küstner von EuroJust, der Policia Nacional und dem Untersuchungsgericht in Marbella noch im vergangenen Jahr ermöglicht wurde. Der Beschuldigte soll häufig dort gewesen sein, "die beschlagnahmten Beweismittel werden von den spanischen Kollegen an die Staatsanwaltschaft Schweinfurt zur Auswertung übermittelt", so Küstner.

"Die Sparkasse unterstützt die Staatsanwaltschaft und die Polizei bei der Aufklärung des Verdachtes gegen den Beschuldigten."
Thomas Engert, Leiter Kommunikation der Sparkasse Schweinfurt-Haßberge

Ermittelt wird nach Angaben der Polizei auch gegen weitere Personen wegen des Verdachts der Geldwäsche, die nicht in Haft sind und nicht bei der Sparkasse gearbeitet haben. Die Ermittlungen richten sich auch nicht gegen die Bank als Institution, wie Thomas Engert auf Nachfrage erklärt.

Er betont: "Die Sparkasse unterstützt die Staatsanwaltschaft und die Polizei bei der Aufklärung des Verdachtes gegen den Beschuldigten." Man habe zur Prüfung arbeitsrechtlicher Schritte Akteneinsicht beantragt. Darüber hinaus prüfe die interne Revision den Fall, zusätzlich sei "eine externe Prüfung" beauftragt worden.

Schweinfurts Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) teilt sich den Vorsitz des Verwaltungsrats der Sparkasse Schweinfurt-Haßberge mit Haßberge-Landrat Wilhelm Schneider. Man sei zeitnah informiert worden und stehe in engem Austausch mit der Bank. "Die bestehenden Regelungen werden aus dem aktuellen Anlass kritisch geprüft", teilt die Stadt Schweinfurt mit.

Von dem Fall möglicherweise Betroffene können sich an die Polizeiinspektion Schweinfurt unter (09721) 2020 oder die Beratungsstelle des Weißen Rings in Schweinfurt unter schweinfurt@mail.weisser-ring.de wenden.

 
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  • Paul Schüpfer
    Wer seinem Bankberater eine größere Summe Bargeld übergibt, die er dazu noch zuvor von seinem Bankkonto abgehoben hat, dem ist nicht zu helfen. Mein Mitleid hält sich in Grenzen. Das hat auch nichts mit "Freiheit" zu tun, denn das Geld war ja auf dem Konto.
    Die kriminelle Energie des "Beraters" ist allerdings beachtlich und es ist kaum zu glauben, dass es keinem seiner Kollegen aufgefallen ist, was da ablief.
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  • Florian Stenger
    Was ich nicht verstehe wieso die Leute Bargeld gegeben haben. Das ist total unüblich. Das Geld erst abheben und dann dem Berater in die Hand geben. Man schließt doch für Investments Verträge ab die man unterschreibt und dann wird das Geld automatisch vom Bankkonto abgebucht und in die zum Beispiel Aktienfonds, Immobilienfonds etc. investiert.
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  • Peter Koch
    Wenn man betrügen will braucht es halt Ahnungslose als Opfer.
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  • Jürgen Huller
    Sie haben natürlich vollkommen recht.

    Es gibt aber viele, die elektronische Bezahlverfahren ablehnen, weil Bargeld "Freiheit" bedeuten würde.

    Oben ist ein Beispiel, was damit gemeint sein könnte: Die Freiheit, andere zu betrügen. Oder auch die Freiheit, Steuer zu hinterziehen. Die Freiheit, illegales Geld zu waschen....

    Nicht umsonst ist Deutschland das Geldwäscheparadies.

    Zusammengefasst: die Freiheit, sich nicht an Regeln und Gesetze zu halten. Das trifft es wohl ziemlich genau.

    Manchmal hat die Freiheit eben ihren Preis. Für die Leute, die einem windigen Typen größere Summen in die Hand drücken und nun dumm aus der Wäsche schauen ...
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  • Hubertus Kiesel
    Man kann es auch zusammen fassen mit Gier frisst Hirn.
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  • Matthias Braun
    Gibt es denn keine interne Kontrollmechanismen bei der Sparkasse, die solche Betrugsfälle verhindern können?
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  • Jürgen Huller
    Die gibt es sicher. Nur werden die eben genau durch den Bargeldtransfer ausgehebelt. Im Moment der Auszahlung ist die Rückverfolgbarkeit erstmal verloren.
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  • Ingrid Reichelt-Schölch
    Klares Jein! Es kommt darauf an..! So wie ICH den Artikel fachlich interpretiere gab es Anhaltspunkte, genauer hinzusehen. Wie, das sollte „Compliance“ gelernt haben! Wobei in den Schulungen inkl. den Pflicht-Mitarbeiterschulungen die psychologischen Tricks oft zu kurz kommen, diese sowieso vermehrt formal nur noch online stattfinden usw.

    Softwaretechnische Unterstützung ist in jeder Bank! Es kommt darauf an, die Parameter sensibel weiter zu justieren, Schwerpunkte setzt, interne Prozessorganisation mit prüft u.v.a. präventiv schaut, nicht nur Revision!

    Vor allem tendieren etliche Banken dazu, sich auf Externe/Kunden zu fokussieren, habe ich beim MA-Einstellungsprozess eines anderen Instituts gesehen. Der Compliance-Mitarbeiter hatte sich als reiner Geldwäsche-Beauftragter betrachtet, andere Betrugsarten nicht im Fokus. Bisher wurde wohl noch kein Schaden gemeldet, doch im Ernstfall hätte ich mich z. B. hier für ein Mitverschulden der Bank ausgesprochen, nicht nur Kunde und MA.
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