Wenn das kom,ma schließt, haben wir keine Zukunft." Die 13-jährige Shahad hat die Ankündigung der Diözese Würzburg, den beliebten Jugendtreff in Schweinfurt zu schließen, erschüttert. Seit der fünften Klasse besucht sie hier täglich die Hausaufgabenbetreuung.
"Wir brauchen das kom,ma", sagt auch Aziza. Die 14-Jährige schätzt nicht nur die Unterstützung beim Lernen, sondern genauso die gemeinsamen Freizeitaktivitäten. "Das kom,ma ist total wichtig", pflichtet Benjamin bei. Der 15-Jährige steht vor seinem Schulabschluss an der Walter-Rathenau-Realschule. Gerade jetzt brauche er die Unterstützung beim Lernen.
Die Schließung ist vom Tisch
Die gute Nachricht vorweg: Das kom,ma bleibt erst einmal offen. Die Schließung ist vom Tisch. Wie es aber dauerhaft weiter geht, das steht noch nicht fest.
Das kom,ma im Dekanatszentrum, dem heutigen +plus.punkt-Kirche für die Region, besteht seit über 50 Jahren. Es ist eine Einrichtung der kirchlichen Jugendarbeit der Diözese Würzburg für Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren. Neben den festen Angeboten wie Offener Treff, Hausaufgabenbetreuung, Jugendveranstaltungen und Mitmach-Aktionen in den Ferien gibt es auch Workshops und Projekte. "Das kom,ma ist für uns sehr wichtig", sagen alle Jugendlichen. Es ist der einzige Jugendtreff in der Innenstadt.
Mitte Juli jedoch hatte die Diözese Würzburg der Stadt mitgeteilt, mit Beginn der Sommerferien die Hausaufgabenbetreuung im kom,ma einzustellen und Ende Oktober 2023 den Jugendtreff komplett zu schließen. Die Frist wurde bis Februar verlängert. Seitdem suchte die Stadt nach einer Lösung für den Jugendtreff. Diese wurde jetzt gefunden.
In einem Gespräch zwischen der Stadt Schweinfurt und der Diözese Würzburg seien wichtige Vereinbarungen für den Fortbestand der offenen Jugendarbeit kom,ma in Schweinfurt getroffen worden, teilt die Diözese Würzburg am Freitagnachmittag mit. So werden bis zu den Sommerferien 2024 die Kosten für den Offenen Treff und die Hausaufgabenbetreuung gemeinsam von Diözese und Stadt getragen. In dieser Zeit soll ein neues, tragfähiges Konzept für die Finanzierung entwickelt werden. Verschiedene Optionen sollen dabei geprüft werden, heißt es. Man habe für die kommenden Monate weitere Gespräche vereinbart.
Ehemalige Besucherinnen und Besucher loben das kom,ma
Wie wichtig das kom,ma für die Jugendlichen in Schweinfurt ist, machen ehemalige Besucherinnen und Besucher sowie ehrenamtliche Helferinnen und Helfer in einem Gespräch mit dieser Redaktion deutlich. Leon war als Jugendlicher regelmäßiger Gast im kom,ma. "Ich bin hier sozusagen aufgewachsen." Der heute 22-Jährige kam das erste Mal 2011 zur Hausaufgabenbetreuung in den Jugendtreff und war gleich begeistert: "Ich wurde sofort vollumfänglich aufgenommen und gefördert." Auch im Offenen Treff sei er gleich integriert worden. "Und wenn ich Probleme hatte, war immer jemand zum Reden da. Ich fühlte mich immer aufgehoben."
Als junger Erwachsener wollte Leon dann etwas von dieser Zeit zurückgeben. Der 22-Jährige, der als Kraftfahrer arbeitet und sich ehrenamtlich im Rettungsdienst engagiert, unterstützt deshalb in seiner Freizeit die Mitarbeitenden im Jugendtreff bei Veranstaltungen in der Lichttechnik oder hilft an der Theke aus. "Durch das kom,ma und das Personal bin ich zu dem geworden, der ich heute bin", meint Leon.
Destiny arbeitet schon seit einigen Jahren in der Hausaufgabenbetreuung mit. Der 22-jährigen Mechatronik-Studentin sind die Kinder nicht nur ans Herz gewachsen, sie hat durch die ehrenamtliche Arbeit auch persönlich viel gelernt und über den Tellerrand schauen können.
Im kom,ma wird in Kleingruppen von fünf bis sechs Schülerinnen und Schülern gearbeitet. Jede Gruppe hat ihren eigenen "Teamer". In Schweinfurt sei das einzigartig, sagt Destiny, denn in den Nachmittagsbetreuungen der Schulen sitzen häufig bis zu 30 Kinder vor ein oder zwei Erzieherinnen oder Erziehern zusammen. "In der Hausaufgabenbetreuung des kom,ma wäre so etwas undenkbar." Denn hier werden Jugendliche in unterschiedlichen Klassenstufen und aus unterschiedlichen Schulformen betreut. Jedes Kind bringe individuelle Probleme mit und benötige individuelle Begleitung.
Die Noten in kürzester Zeit verbessert
Shahad zum Beispiel braucht in manchen Fächern sprachliche Unterstützung. Die 13-Jährige, die mit ihren Eltern aus Syrien geflüchtet ist, konnte mithilfe der "Teamer" ihre Noten in kürzester Zeit verbessern. "In Mathe und Englisch habe ich jetzt eine eins, in Deutsch eine zwei", sagt sie stolz. Und sie weiß schon jetzt: "Wenn ich mal groß bin, werde ich auch Teamerin."
Auch Aziza hatte früher schlechtere Noten, weil ihr weder in der Schule noch zu Hause jemand helfen konnte. "Im kom,ma ist das anders, da ist immer jemand für mich da", sagt die 14-Jährige. Das zahlt sich aus. "Jetzt schreibe ich nur noch gute Noten." Aziza möchte einmal Ärztin werden.
Benjamin schätzt vor allem den Umgang der Betreuerinnen und Betreuer mit den Jugendlichen. "Sie geben uns Freiheiten, lassen uns mitbestimmen, sind aber auch konsequent." Diese Mischung aus "autoritär und freundschaftlich" ist für den 15-Jährigen das Erfolgsrezept des kom,ma.
Für Destiny ist es wichtig, dass das kom,ma bestehen bleibt. Eine Schließung wäre ein weiterer Schritt in Richtung Bildungsungerechtigkeit. "Die Leidtragenden sind letztlich die Kinder, die im normalen Schulsystem ohne individuelle Unterstützung schnell untergehen können."
Kinder lernen Struktur und Verantwortung
Das kom,ma ist aber noch viel mehr als Hausaufgabenbetreuung. Es geht hier nicht nur um Bruchrechnung oder die richtige Kommasetzung, oft fehlt es den Jugendlichen an Grundlagen. "Die Kinder lernen hier soziales Miteinander, haben Struktur und tragen Verantwortung", erklärt Destiny. Und sie lernen, dass ihr Handeln Konsequenzen hat, dass man sich an Regeln halten muss.
Es wird gemeinsam zu Mittag gegessen, aufgeräumt, diskutiert, geübt und gespielt. "Manchmal besteht auch der Bedarf, dass man erklären muss, wie man Tische vernünftig abwischt", meint Destiny. Der Großteil der Jugendliche komme gerne ins kom,ma. "Viele haben hier Freunde und neue Interessen gefunden."
So wie Hannah, die im kom,ma ihre Leidenschaft für das Theater entdeckt hat. Sie war 2018 Teilnehmerin des ersten Musicalprojekts. "Was ich dort in zehn Tagen lernen konnte, war unglaublich", sagt sie. Im Projekt werde den Kindern und Jugendlichen Raum gegeben, sich selbst zu entfalten, Neues auszuprobieren und gemeinsam Spaß zu haben. "Ich war so gefesselt, dass ich noch drei weitere Male teilnahm und jetzt schon zweimal als Ehrenamtliche tätig sein durfte."
Das kom,ma sei ein wichtiger Treffpunkt für Jugendliche. "Es gibt nichts Vergleichbares im Raum Schweinfurt, wo Jugendlichen der Raum gegeben wird, kreativ zu sein", meint Hannah. Gerade mit dem steigenden Leistungsdruck an Schulen und den Auswirkungen durch die Pandemie sei es wichtig, einen Ausgleich zum Alltag zu finden.
Auch die kulturellen Angebote seien bedeutsam. Neben den Musicalprojekten gab es in den letzten Jahren zahlreiche Poetry Slams, vor zwei Monaten erst die fränkische Meisterschaft im U20-Poetry-Slam. "Es war für mich eine riesige Bereicherung, so unkompliziert und freundlich in die kom,ma-Familie aufgenommen zu werden."