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Grafenrheinfeld
Grünen-Abgeordneter schimpft über "Atommülltourismus"
Atommüll aus dem ehemaligen AKW Würgassen könnte nach Grafenrheinfeld kommen. Und ein paar Jahre später wieder zurück? Oder ist das nur eine Verwechslung?
In das neue Zwischenlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle in Grafenrheinfeld soll möglicherweise Atommüll aus Würgassen kommen. Die Sachlage ist etwas kompliziert.
Foto: Andreas Fassnacht (Preussen-Elektra) | In das neue Zwischenlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle in Grafenrheinfeld soll möglicherweise Atommüll aus Würgassen kommen. Die Sachlage ist etwas kompliziert.
Josef Schäfer
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:19 Uhr

Politische Diskussionen hat die Ankündigung des AKW-Betreibers Preussen-Elektra ausgelöst, schwach- und mittelradioaktiven Atomüll vom ehemaligen Kraftwerk Würgassen eventuell ins neu gebaute Zwischenlager (AZR) in Grafenrheinfeld (Lkr. Schweinfurt) zu bringen. Nach Worten des Landtagsabgeordneten Paul Knoblach (Grüne) soll das Material aber wieder zum Ursprungsort zurückgebracht werden. Die Lage ist etwas kompliziert.

In Würgassen stehen nur noch die Gebäudehüllen. In einer ehemaligen Werkstatt lagern strahlende Abfälle aus dem Rückbau. Vor dem Schweinfurter Kreistag, dem Knoblach angehört, berichtete er von Plänen, dass die Gebäude abgerissen werden sollen, um dort ein zentrales Zwischenlager zu errichten. Die bundeseigene Gesellschaft für Zwischenlager (BGZ), die auch das neue Lager AZR in Grafenrheinfeld betreibt, plant in der Tat in Würgassen den Bau eines Logistikzentrums. Dort sollen schwach- und mittelradioaktive Rückstände aus dem Rückbau der deutschen AKW gesammelt und zum Weitertransport ins Endlager Schacht Konrad bei Salzgitter bereitgestellt werden. Von dieser zentralen Abwicklung verspricht sich die BGZ nach eigener Darstellung eine beschleunigte Endlagerung. Die Halle soll spätestens 2027 stehen.

Allerdings, so konkretisierte eine Sprecherin von Preussen-Elektra auf Anfrage dieser Redaktion, entsteht das Logistikzentrum nicht an gleicher Stelle des ehemaligen AKW, sondern daneben. Auch ein Animationsfilm der BGZim Internet vermittelt dies. "Beide Projekte haben nichts miteinander zu tun", so die Preussen-Elektra-Sprecherin. Möglicherweise basiere Knoblachs Darstellung auf einer Verwechslung.

Die Gebäude des ehemaligen AKW Würgassen sollen abgerissen werden. Zuvor muss der eingelagerte Atommüll entfernt werden.
Foto: Josef Lamber | Die Gebäude des ehemaligen AKW Würgassen sollen abgerissen werden. Zuvor muss der eingelagerte Atommüll entfernt werden.

Nach Knoblachs Informationen würde der Müll zunächst von Würgassen nach Grafenrheinfeld gebracht und nach Fertigstellung der Halle in Würgassen wieder dorthin zurück. Wenn nach 2027 dann das deutschlandweite Endlager in Salzgitter eröffnet wird, kämen die Abfälle dorthin. Der Abgeordnete kritisiert die Pläne als "hoch riskanten Atommülltourismus". Er rief dazu auf, ein politisches Signal zu setzen, um sie zu vereiteln.

Preussen-Elektra bestätigte gegenüber der Redaktion das Vorhaben, den Müll aus Würgassen zu entfernen – spätestens im dritten Quartal 2021. Man wolle der gesetzlichen Vorgabe nachkommen, das Material dem Bund zu übergeben, und die Voraussetzungen schaffen, die Gebäude abreißen zu können. Wörtlich heißt es in der Antwort: "Nach wie vor ist es unsere Präferenz, im zentralen Zwischenlager Ahaus einzulagern."

"Diese Geschichte gefällt niemandem", sagte der Schweinfurter Landrat Florian Töpper (SPD) im Kreistag und verwies auf eine Resolution des Kreistags von 2015. Darin hatte das Gremium den Verzicht auf den Bau der inzwischen fertiggestellten Lagerhalle für schwach- und mittelradioaktive Abfälle (AZR) in Grafenrheinfeld gefordert. Vor dem Umweltausschuss des Kreistags soll jetzt ein Vertreter der BGZ Rede und Antwort stehen.

Die Bundestagsabgeordnete Anja Weisgerber (CSU), ebenfalls Kreistagsmitglied, wiederholte die Kritik ihrer Partei an den Transportplänen in Richtung Unterfranken. Zumal Preussen-Elektra über andere Lager verfüge, die näher an Würgassen lägen als Grafenrheinfeld. Das Unternehmen solle sein Vorhaben nachvollziehbar darlegen, forderte Weisgerber. Sie habe inzwischen bei Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) angefragt, ob solche Transporte genehmigungsfähig sind.

Gegen den Bau des Logistikzentrums in Würgassen hat sich der Kreistag von Holzminden (Niedersachsen) in einer Resolution ausgesprochen und sich mit einer in der Region Würgassen aktiven Bürgerinitiative solidarisiert. Derzeit befinden sich in Deutschland 21 kommerziell betriebene Reaktoren im Rückbau. Sechs sind noch im Betrieb, die letzten werden Ende 2022 abgeschaltet.

 
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Kommentare
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  • m.schmitt.stadtlauringen@gmail.com
    Erst wurde die Kernkraft lange von den Volksparteien (SPD, CDU/CSU) gefördert und befürwortet und nun will keiner den Müll.

    Und die Sache mit einem verwendungsfähigen, fertiggestellten Endlager in Deutschland im Jahr 2027 glaube ich erst wenn es soweit ist. Das wird meiner Meinung nach nicht im Jahr 2027 der Fall sein, vermutlich wird das die Mehrheit der Leser hier unabhängig von deren aktuellen Alter nicht mehr erleben.
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