
Die Sportgaststätte des Türkiyemspor SV 12 in Schweinfurt bebt unter den Jubelschreien, dem Hämmern auf die Tischplatten und den umfallenden Stühlen, als sich die Fans der türkischen Nationalmannschaft bei der frühen Führung in der ersten Minute in die Arme fallen. Über 70 Leute aller Altersgruppen kamen in das Vereinshaus, um gemeinsam mit ihren Vereinskollegen, Freunden und Familie das Achtelfinale der türkischen Nationalmannschaft gegen Österreich zu verfolgen.
Gekommen waren sie aus allen Ecken Schweinfurts und dem Umland. Bereits eine halbe Stunde vor Spielbeginn waren die Sitzplätze der Gaststtätte belegt. Selbst Organisator und Vereinsvorstand Yusuf Ülgül ist überrascht und erfreut über den starken Andrang. "Es ist schön, dass so viele gekommen sind, das liegt aber bestimmt daran, dass das Spiel nicht im Free-TV übertragen wird", schätzt er.
Die Sportgaststätte hüllt sich in ein weiß-rotes Farbenmeer und schon vor dem Anpfiff wird diskutiert, analysiert und spekuliert. Es würde kein leichtes Spiel werden, sind sich alle einig, aber der Glaube an die Mannschaft ist da.
"Drei zu eins für die Türkei" hallt es beinahe einstimmig bei der Frage nach dem Endstand durch den Raum. Ülgül ist jedoch etwas vorsichtiger mit seiner Analyse: "Das wird ein schwieriges, Spiel, aber wir können in der Verlängerung gewinnen", schätzt er. Das größte Problem seien die vielen gelben Karten, mit denen neun ihrer Spieler vorbelastet in die Partie gegangen sind.

Es kehrt Ruhe ein und Andacht legte sich auf die Gesichter der Zuschauerinnen und Zuschauer, als die ersten Klänge der Nationalhymne ertönen. Der Anpfiff wird mit einem kräftigen Applaus begleitet. Es solle eine sportliche Veranstaltung sein, sagt Ülgül. "Wir schenken hier grundsätzlich keinen Alkohol aus. Wir sind ein Sportverein und keine Kneipe, außerdem, sind hier viele Jugendspieler, die das Spiel schauen wollen, das wäre unpassend und nicht vorbildhaft", erklärt der Vorstand.

Statt Bier in Plastikbechern werden tablettweise Tee und Wasser serviert. Nach dem frühen Führungstreffer in der ersten Minute für die Türkei ist deutlich spürbar, dass vielen ein Stein vom Herzen gefallen ist. Jede Abwehraktion und Parade wird beklatscht und mit Jubelrufen begleitet. Jeder Fehlpass geht mit einer Welle der Enttäuschung und einer kurzen Analyse einher.
Tee und Wasser statt Bier und Bratwurst
Zufriedenes Gemurmel setzt beim Pfiff zur Halbzeit ein. Die Zwischenbilanz ist zwar positiv, aber verhalten. Harun Afacanoglu und sein Sohn Deniz spielen beide bei Türkiyemsport und sind zufrieden mit dem Zwischenstand." Es ist ein schönes Spiel, wir werden gewinnen und dann feiern wir die ganze Nacht", sagt Harun. "Wir sind noch zu passiv gegen Ball, da muss noch mehr kommen, aber wir gewinnen das", ergänzt Deniz.
"Ohhh Türkiye" hallt es beim zweiten Treffer der Türkei, nur wenige Minuten nach Anpfiff der zweiten Halbzeit durch das Restaurant und den Innenhof. Es wird sich in den Armen gehalten, getanzt und gejubelt. Die Euphorie ist greifbar, schlägt jedoch nach wenigen Minuten in ein entsetztes Schweigen beim Anschlusstreffer Österreichs um. "Wir haben uns zu sehr auf der Führung ausgeruht", wird am Nachbartisch kopfschüttelnd festgestellt.
Die Spannung ist kaum auszuhalten
In der heißen Schlussphase des Spiels wird kaum noch geredet. Alle blicken gebannt auf den Bildschirm. Jeder Vorstoß der Österreicher ist von erregten Rufen begleitet, jede Parade des eigenen Torhüters wird gefeiert wie ein Tor. "Pfeif doch endlich ab, Mann", ertönt es in den letzten Sekunden der Nachspielzeit aus mehreren Kehlen. Dann ist es endlich geschafft und der erlösende Schlusspfiff ertönt.

Es gibt kein Halten mehr. Fans springen auf die Stühle, halten sich in den Armen, stimmen Fangesänge an, Tränen laufen bei einigen der älteren Fans. Es wird einander beglückwünscht, abgeklatscht und gelacht. Die Anspannung ist der Erleichterung gewichen und viele binden sich die türkische Flagge um und verlassen das Vereinsheim gen Parkplatz, denn jetzt soll gefeiert werden.
400 Fans feiern auf dem Volksfestplatz
In einem Autokorso und unter lautstarken Gehupe, begleitet von Fangesängen, geht es vom Vereinshaus in Richtung des Schweinfurter Volksfestplatzes. Trotz Straßensperrungen der Polizei entlang des Roßmarkts schließen sich immer mehr Autos an. Als der Volksfestplatz in Sicht kommt, eröffnet sich der Blick auf ein Meer aus Flaggen und feiernden Fans.
An die 400 Menschen tummeln sich auf dem Platz, liegen sich in den Armen, machen Bilder und stimmen Fangesänge an. Selbst Familien mit ihren kleinen Kindern treffen sich zum Feiern und bestaunen die Masse an Menschen, die feiert, als wäre ihnen der EM-Titel bereits sicher. Vereinzelt wird in der Menge Feuerwerk gezündet. Die gesamten Straßen um den Volksfestplatz sind gesäumt mit Autokorsos.
Bis in die frühen Morgenstunden ertönen die Fangesänge und Hupen der Autokorsos durch die Schweinfurter Innenstadt. Am kommenden Samstag trifft die Türkei im Viertelfinale auf die Niederlande.
Als Rettungsassistent noch ein Tipp: Feuerwerkskörper in der Masse gezündet verursachen oftmals gefährliche Verletzungen. Wäre doch schade, wenn die Freude über einen Sieg mit einem Unfall endet.