Es war Dienstag, 29. Juni, 16.40 Uhr, als sich wahrlich Erstaunliches im Schweinfurter Stadtrat abspielte. Nein, damit ist nicht die Entscheidung zur Streichung von Willy Sachs aus der Liste der Schweinfurter Ehrenbürger gemeint. Sondern ein anderes, für Kenner des Oberbürgermeisters, ebenso bemerkenswertes Ereignis: Sebastian Remelé höchst selbst gab um 16.40 Uhr bekannt, dass die deutsche Fußball-Nationalmannschaft mit Bundestrainer Joachim Löw im Wembley-Stadion zum Achtelfinale gegen England bei der Fußball-EM angekommen sei.
Remelé ist nicht gerade als glühender Fußballfan bekannt, anders als sein Sportreferent Jürgen Montag, der nicht nur dialektal, sondern auch mit dem Herzen seinem Heimatverein FC Heidenheim verbunden ist und fachkundig die wichtigen Spiele des lokalen, grün-weißen Herzensvereins FC 05 im Stadion verfolgt.
Warum eben jener Sportreferent aber keinen Einfluss auf die Gestaltung der Tagesordnung nahm, wo bei 34 Tagesordnungspunkten und einem Beginn um 14.30 Uhr ja klar sein musste, dass das für den Anpfiff der ersten Spielhälfte nicht reicht, ist eines der ungelösten Rätsel Schweinfurter Verwaltungs-Interna. Zumindest die Personen, die nur dem öffentlichen Teil einer Sitzung beiwohnen dürfen, wie der Schreiber dieser Zeilen, hatten das Glück, die erste Hälfte bei der Heimfahrt im Radio hören zu können – macht eh viel mehr Spaß. Man munkelt, das eine oder andere Handy mit der Kicker-App darauf und dem Liveticker vom Spiel lief während des nicht-öffentlichen Teils heiß, vom vielen Aktualisieren.
Sei es wie es sei, intensive investigative Recherchen dieser Redaktion ergaben, dass zumindest diejenigen, die nicht allzu weit vom Konferenzzentrum leben, die letzten zehn Minuten der ersten Hälfte des Spiels noch schauen konnten. Nimmt man das Ergebnis, ein jedenfalls mit der schwarz-rot-goldenen Brille betrachtetes bitteres 0:2, als Maßstab, hätte der Stadtrat sich doch Zeit lassen können. Am Ende half ja alles Daumendrücken nicht, weil der Müllers Thomas daneben zielte und der Kanes Harry da stand, wo ein Torjäger stehen muss, nämlich am richtigen Fleck.
Goutiert sei an dieser Stelle das weitere redliche Bemühen des OB um Beschleunigung der Sitzung und auch die Mitarbeit der Stadträte. Die Linken ließen das Thema "Kostenloses Parken in der Innenstadt" gleich ganz streichen, im Hauptausschuss war schon klar geworden, dass damit kein Blumentopf zu gewinnen ist. FDP-Einzelkämpfer Georg Wiederer sprach bei seinem Antrag zum Strukturwandel in der Schweinfurter Wirtschaft sofort sein Schlusswort und gestand zu, dass seine Anfrage zu der Kostenschätzung für die Sanierung des Theaters erst in der nächsten Sitzung beantwortet wird. Und für die neue Feuerwehr-Kostensatzung brauchte das Gremium ganze 30 Sekunden zum Absegnen, sie lag ja vor, und Diskussionsbedarf gab's keinen.
Trotzdem reichte es nicht zum Anpfiff, was aber wiederum auch das Motto der Löw-Mannen war, wenn man ehrlich ist. In einem sind wir zumindest sicher: So eifrig und begeistert wie der junge Prinz George den Engländern applaudierte, so enttäuscht waren die Fußballfans unter den Schweinfurter Räten über die Leistung der deutschen Elf.