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Gerolzhofen
Gerolzhofens "Germania": Der Stern des Kriegerdenkmals am Marktplatz sinkt schnell
Das Monument für die Teilnehmer am Deutsch-Französischen Krieg wird schon nach wenigen Jahren als hässlich empfunden. Nach dem Ersten Weltkrieg wird ein imposanteres Werk gefordert.
Am 23. August 1936 spielte die Kapelle des hiesigen Reichsarbeitsdienst-Lagers ihr Standkonzert vor dem Denkmal am Marktplatz von Gerolzhofen. Anlass war die Enthüllung des Kriegerdenkmals in der Johanniskapelle für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs.
Foto: Sammlung Klaus Vogt | Am 23. August 1936 spielte die Kapelle des hiesigen Reichsarbeitsdienst-Lagers ihr Standkonzert vor dem Denkmal am Marktplatz von Gerolzhofen.
Bearbeitet von Michael Mößlein Bertram Schulz
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:46 Uhr

Innerhalb kurzer Zeit war es dem "Veteranen- und Kriegerverein" in Gerolzhofen gelungen, nicht nur die politische Zustimmung zu erringen, auf dem Marktplatz ein Kriegerdenkmal für die am Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 teilnehmenden Soldaten aus der Stadt aufstellen zu dürfen. Auch die dafür notwendigen Spendengelder konnten eingesammelt werden. Mit dem Aschaffenburger Bildhauer Eduard Steiger war zudem ein Künstler ausgemacht, der das Denkmal samt der Figur einer "Germania" bis zur geplanten Aufstellung im August 1900 fertigen sollte.

Auf vier Tafeln sollte das Kriegerdenkmal die eingravierten Namen der Feldzugteilnehmer und Gefallenen des Krieges zeigen. Die genaue Anzahl der Soldaten – die Zahlenangaben in schriftlichen Unterlagen schwanken zwischen 77 und 96 Ausmarschierten – und deren Namen lassen sich auf den zahlreichen historischen Aufnahmen, die das Denkmal zeigen, nicht erkennen. Lediglich auf einer Vergrößerung der Fronttafel zum Marktplatz hin, gen Westen, lässt sich mühsam folgende Worte entziffern: "Die dankbare Stadt Gerolzhofen ihren tapferen Söhnen". Danach folgen die Namen von sieben Gerolzhöfern, die in Frankreich fielen bzw. in Folge des Feldzugs zwischen 1870 und 1872 in der Heimat starben, wie es auch ein im Stadtarchiv vorhandenes, gerahmtes koloriertes Gedenkblatt zeigt. Bei zwei weiteren Namen auf der Fronttafel handelt es sich um hiesige Kriegsteilnehmer, die schon 1876 und 1877 in jungen Jahren starben.

Eine Vergrößerung der Fronttafel des Kriegerdenkmals lässt mühsam die dort eingravierten Worte und Namen erkennen.
Foto: Sammlung Klaus Vogt | Eine Vergrößerung der Fronttafel des Kriegerdenkmals lässt mühsam die dort eingravierten Worte und Namen erkennen.

Umzug zum Sedanstag führt am Denkmal vorbei

Ab dem Jahr 1874 beging der hiesige Veteranen- und Kriegerverein jährlich um den 2. September herum mit einer patriotischen Gedenkfeier den so genannten "Sedanstag". Er erinnerte an die Kapitulation der französischen Armee am 2. September 1870 nach der Schlacht von Sedan. Nachdem im Herzen der Stadt am 26. August 1900 ein Kriegerdenkmal errichtet worden war, führten ab 1900 die feierlichen Umzüge zur Sedansfeier an diesem Monument vorbei. Davon zeugt beispielsweise ein Schreiben des Kriegervereins vom 29. August 1905 an die Stadt. Darin wird um Erlaubniserteilung (polizeiliche Genehmigung) eines Marsches gebeten, der am 2. September "vormittags nach der üblichen Seelenmesse für die gefallenen und verlebten Kameraden mit Musik zum Kriegerdenkmal und zurück ins Vereinslokal der Brauerei Steinam (führt)".

Es muss ein patriotisches Festtreiben in der Stadt gewesen sein, als der hiesige Kriegerverein am Wochenende des 27./28. August 1910 bei Kaiserwetter die Gedenkfeier zum Beginn des ruhmreichen Feldzuges vor 40 Jahren und dessen Veteranen von 1870/71 abhielt. Die ganze Stadt wurde aus diesem Anlass reich beflaggt mit Girlanden und Willkommensgrüßen an den Eingangsstraßen und insbesondere der Marktplatz mit dem Kriegerdenkmal und der "Germania" prangte in üppigen Flaggen- und Tannenschmuck.

Parademusik und Weiheakt für die Gefallenen

Dort wurde am Samstag um 17 Uhr auch die große Parademusik abgehalten und am Sonntag, nach dem Empfang der zahlreichen Gäste, kam es um 14 Uhr zur Aufstellung des Festzugs in den städtischen Anlagen. Von dort zog man durch die Stadt zum Kriegerdenkmal mit anschließendem Weiheakt zum Gedächtnis für die auf dem Schlachtfeld Verstorbenen.

Wie in der Lokalzeitung zu lesen war, nahmen an dieser Feier neben 190 Veteranen aus 47 Gemeinden, dekoriert mit Orden und Ehrenzeichen, auch verschiedene auswärtige Kriegervereine und die Gerolzhöfer Vereinswelt teil.

Kurz nach dem Aufstellen des Kriegerdenkmals in Gerolzhofen war man auf dieses noch stolz, wie diese Postkarte zeigt, die auf den 21. November 1900 datiert ist.
Foto: Sammlung Klaus Vogt | Kurz nach dem Aufstellen des Kriegerdenkmals in Gerolzhofen war man auf dieses noch stolz, wie diese Postkarte zeigt, die auf den 21. November 1900 datiert ist.

Der Erste Weltkrieg war noch nicht zu Ende, da wurde im März 1918 das Gerolzhöfer Kriegerdenkmal in einem Reisetagebuch des unterfränkischen Regierungspräsidenten Julius Ritter von Henle als "ein klägliches Kriegerdenkmal" bezeichnet. "Vielleicht", so von Henle weiter, "gibt die Errichtung eines Denkmals für den gegenwärtigen Krieg Anlass hier Wandel zu schaffen".

Das alte Denkmal soll möglichst bald verschwinden

Diese Aussage von höchster Stelle wurde an das Bezirksamt Gerolzhofen weitergeleitet, das mit ebensolchen eindringlichen Worten reagierte: "Das auf dem hiesigen Marktplatz stehende sogen. Kriegerdenkmal wurde bisher von allen kunstverständigen Leuten mindestens als recht geschmacklos und als sogen. Dutzendware angesprochen. Es wäre nur ein Gewinn für die Stadt sowie für die ganze Umgebung des Marktplatzes, wenn es baldigst von dort verschwände (...). Das alte Denkmal könnte vielleicht seinerzeit an einem Orte untergebracht werden, wo es die Umgegend nicht stört und von wenigen Leuten gesehen wird."

Der Stadtmagistrat bedauerte daraufhin, er könne nicht handeln: "An eine Versetzung des Kriegerdenkmals (...) kann aus Rücksicht auf die noch lebenden Krieger von 1870/71 in absehbarer Zeit nicht gedacht werden. Auch ist das Denkmal nicht von der Stadtgemeinde, sondern von einer Vereinigung errichtet worden, so dass die Stadt nicht ohne weiteres darüber verfügen kann."

Eindeutige Ansage des Bezirksamts an die Stadt

Das zuständige Bezirksamt reagierte daraufhin mit scharfen Worten: Es träfe nicht zu, dass seinerzeit der Entwurf des Denkmals und dessen Aufstellung genehmigt wurde. Gemäß Paragraf 94 Bürgerliches Gesetzbuch sei die Stadt auch Eigentümerin des Denkmals, wenn ihr der Marktplatz an dieser Stelle gehört. Die Stadt sei deshalb verfügungsberechtigt, "gleichgültig wer damals die Kosten für Aufrichtung des Denkmals aufgebracht hatte". Vielleicht könnte bei Aufstellung eines neuen Denkmals für die im Weltkrieg gefallenen hiesigen Soldaten "das unschöne Monument doch verschwinden", wünschte sich das Bezirksamt.

Bezüglich Errichtung eines solchen "neuen" Kriegerdenkmals für Gerolzhofen liest man in einem Gutachten des Würzburger Bauamtmannes Vollert nach einer Ortseinsicht im Februar 1925 nichts Gutes über das bestehende alte Denkmal: "Es ist nicht gelungen, das 70er Denkmal so in den Platz zu stellen, dass es mit der Gesamtumgebung harmoniert. Dazu sind Form und Auffassung des Denkmals so missglückt, dass es wohl am besten wäre, an seine Umgestaltung und Verwertung für ein gemeinsames Kriegerdenkmal zu denken."

Reichsarbeitsdienst spielt Standkonzert

Es sollte aber noch bis Juni 1934 dauern, bis in der Johanniskapelle die Kriegergedächtnisstätte für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs fertiggestellt war. Am Tag der feierlichen Enthüllung und Übergabe in der Krypta am Sonntag, 23. August 1936 spielte die Gruppen-Kapelle des Reichsarbeitsdienst-Lagers Gerolzhofen 284 ihr Standkonzert vor dem "alten" Kriegerdenkmal am Marktplatz.

Ähnlich negativ äußerte sich Studienprofessor Otto Feller (1890-1972), ein Sohn des Gerolzhöfer Schneidermeisters Anton Feller aus der Schallfelder Straße, in einem blumigen Bericht aus dem Jahr 1933 mit dem Titel "Die heilige Stadt" über die Kindheit in seinem Heimatort am Steigerwald.  Er beschreibt unter anderem das Aussehen des Marktplatzes "mit dem gotischen Rathaus und nördlich davon die biedermeierliche Apotheke. Davor stand noch in meiner Jugend ein bescheiden einfacher, eiserner Brunnen. Um die Jahrhundertwende hat man ihn zugeschüttet, einen Sockel aus rotem Sandstein daraufgestellt, diesen mit einer fabrikmäßig hergestellten, das breite Schwert aus der Scheide ziehenden, marmornen Germania gekrönt, das Ganze als Kriegerdenkmal für 1870/71 erklärt und den stillen, stilvollen Platz verschandelt. Ein reifes Gefühl dafür haben wir schon als Buben und als Studenten gehabt, indem wir dieses 'Denkmal' wiederholt zum Gegenstand gymnasiastischer und studentischer Dumme-Jungen-Streiche machten."

Die Fortsetzung des Beitrags folgt.

Gastautor Bertram Schulz ist einer der beiden ehrenamtlichen Leiter des Stadtmuseums Gerolzhofen.

 
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