
Als der Gerolzhöfer Museumsleiter Bertram Schulz Anfang dieses Jahres über seine Rechercheergebnisse zur Geschichte jüdischer Nähmaschinenhändler in der Stadt berichtete, wurde auch eine historische Fotografie vom Marktplatz veröffentlicht. Darauf war die Anfang des 20. Jahrhunderts dort als Kriegerdenkmal stehende "Germania" zu sehen. Sie stand ziemlich exakt an der Stelle, wo sich heute der Marktplatzbrunnen befindet. Dies nahm ein Leser zum Anlass, diese Redaktion zu bitten, doch einmal über die Geschichte der imposanten Statue zu berichten.
Dankenswerterweise nahm sich Museumsleiter Schulz, der in der Vergangenheit bereits zur Gerolzhöfer "Germania" geforscht hat, des Themas an. Er trug in den vergangenen Monaten eine Vielzahl bekannter und teils neuer Informationen und Details zur Entstehungsgeschichte und zum Verbleib des einstigen Denkmals zusammen. Diese Ergebnisse veröffentlicht Schulz nun zusammen mit dieser Redaktion:
Spendenaufruf des Veteranen- und Kriegervereins
25 Jahre nach Ende des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 kam es aus den Reihen des hiesigen "Veteranen- und Kriegervereins" von 1873 unter Vorsitz des Buchbindermeisters Franz Huttner zur Gründung einer Vereinigung zur Errichtung eines Denkmals "für die im heiligen Kampf gegen unsrem Erbfeind gefallenen Kriegern und den Siegern der zurückgekehrten Vaterlandssöhne". Das Komitee stellte hierbei an beide städtische Kollegien einen Antrag auf finanzielle Hilfe zu diesem wichtigen Unternehmen, der Rest sollte durch Spendenaufrufe abgedeckt werden.

So wurde ein Jahr später, im März 1897, die Centenar-Feier zum Andenken an den 100. Geburtstag von Kaiser Wilhelm dem Großen in Gerolzhofen durchgeführt. Neben musikalischen Darbietungen kam es zur Aufführung von drei vaterländischen Theaterstücken. Der Erlös aus dem Verkauf der Eintrittskarten kam dem zu errichtenden Kriegerdenkmal zugute.
Geldfluss bestimmt die Größe des Vorhabens
Am 19. Februar 1899 las man groß auf der Titelseite der Lokalzeitung, des "Boten vom Steigerwald", von einem Spendenaufruf des Veteranen- und Kriegervereins zur Errichtung eines längst fälligen Kriegerdenkmals. Die Mitteilung richtete sich an "alle Gönner und Freunde", wie es da zu lesen stand. Diese erfuhren, dass man noch nicht in der Lage sei, etwas Konkretes über Größe, Material und Ort der Aufstellung zu berichten, "denn je reicher die Geldmittel fließen, desto würdiger, schöner und ehrenvoller" würde das Werk erstehen. Beliebige finanzielle Gaben aus der Bevölkerung konnten dem Kaufmann und Stadtrat Heinrich Weigand übergeben werden.
Am Ende der Anzeige standen 47 Namen von "höherrangigen" Gerolzhöfern, die bisher das Vorhaben tatkräftig unterstützt haben. Mittlerweile wurde auch von städtischer Seite einmalig ein Zuschuss von 1000 Mark gewährt, allerdings war man sich noch nicht über den Aufstellungsort des Denkmals einig. Der Kriegerverein schlug hierzu zur Genehmigung den schönsten Platz der Stadt, den oberen Marktplatz vor. Für den Fall dass das Denkmal dort aufgestellt werde, wurden noch weitere 250 Mark für ein das ganze Monument umgebendes Eisengitter in Aussicht gestellt. Das Komitee würde dazu auch die zukünftige Fürsorge zu einer schönen gärtnerischen Gestaltung tragen, hieß es in der Anzeige.
Komitee favorisierte einen "genialen Künstler"
Mitte 1899 lagen der Stadt und dem Denkmal-Komitee zwei Entwürfe mit Preisangaben vor: Granitsteinwerk Hemmeter & Brunner aus Roth für 3100 Mark sowie der Entwurf des Aschaffenburger Bildhauers Eduard Steiger für nur 2300 Mark, welchen auch das Vereinskomitee wegen dessen Ruf als "genialer Künstler" favorisierte.

In diesem Zusammenhang wurde noch der bekannte Kissinger Bildhauer Valentin Weidner, der im Gerolzhöfer Friedhof die Kreuzwegstationen schuf, sowie ein unbekannterer Bildhauer namens End aus Maroldsweisach als mögliche Ausführende genannt.
Der Kriegerverein gab hierzu bekannt, dass mittlerweile mit dem Zuschuss der Stadt 2400 Mark vorhanden seien und ganz sicher noch 300 bis 400 Mark in Aussicht stünden. Geplant sei, die feierliche Einweihung des Kriegerdenkmals für den Monat August 1900.
Welche Namen sollen verewigt werden?
In einem Schreiben des Komitee-Vorsitzenden Franz Huttner vom 18. Mai 1900 an den Stadtmagistrat wünscht der mit der Ausführung des Kriegerdenkmals beauftragte Bildhauer Steiger die Namen derjenigen, welche in den Tafeln am Denkmal eingraviert werden sollen. In Betracht kämen natürlich die Kriegskombattanten hiesiger Stadt, welche in den Tagen von 1870/71 ausmarschierten. Der Bildhauer wollte aber auch wissen, wie es sich mit jenen verhalte, die schon seit vielen Jahren und teilweise unmittelbar nach dem Krieg hier ansässig wurden und das Bürgerrecht erworben haben?

Nach den Ausführungen Huttners in diesem Schreiben kämen demzufolge 20 bis 24 Namen in Betracht. Der Künstler hätte drei Tafeln mit je 33 oder 34 Namen vorgesehen, also wäre Platz für alle vorhanden. Huttner hatte den Wunsch, dass dieses Denkmal zur Erinnerung an "die große Zeit von 1870/71" errichtet werde, "ohne Misshelligkeiten und Reibereien".
Allee dient als Festplatz
Wie aus einem Brief vom 18. August 1900 von Franz Huttner an den Stadtmagistrat ersichtlich, seien alle Vorarbeiten zur Denkmalerrichtung fortgeschritten, so dass die Enthüllung desselben am Sonntag, 26. August, vorgenommen werden kann. Da mit einer großen Zahl an Festteilnehmern gerechnet wird, ging die Bitte an den Rat die städtische Promenade, das war die Allee, als Festplatz nutzen zu dürfen. Wobei sich der Vorstand des Veteranen- und Kriegervereins bereit erklärte, für Aufrechterhaltung der Ordnung und Verhütung von Beschädigungen der Anlagen einzutreten.
Da der Hauptfestakt unmittelbar vor dem Rathaus stattfinden sollte, bat Huttner um "reiche Dekoration und Beflaggung" desselben. Alle übrigen der Stadt gehörenden Fahnen und Dekorationsgegenständen würde man gerne gegen Revers für diesen Tag ausleihen. Wenige Tage später am 21. August liest man im "Boten vom Steigerwald" von der Ankunft des Kriegerdenkmals, bestehend aus Postament und Germaniafigur, aus Aschaffenburg über Kitzingen per Bahn.
Die Fortsetzung des Beitrags folgt.
Gastautor Bertram Schulz ist einer der beiden ehrenamtlichen Leiter des Stadtmuseums Gerolzhofen.