Als Mitte Januar letzten Jahres ein 31-Jähriger vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Schweinfurt erzählte, warum er sein Marihuana illegal jahrelang selbst angebaut hat, konnte man ihn phasenweise kaum verstehen. Draußen im Hof, ein paar Meter vom Gerichtssaal 137 entfernt, kreischten die Motorsägen. Etliche Bäume mussten dem Neubau des Justizzentrums weichen. Noch ohrenbetäubender war der Lärm des Häckslers, der die Äste vor Ort sofort zerkleinerte.
Gewaltige Bohrer im Einsatz
Schon diese Vorarbeiten vermittelten einen Vorgeschmack auf künftige Geräuschemissionen von Baggern und Maschinen, wenn es richtig losgeht. Als der Asphalt des Parkplatzes weggerissen wurde, war's ähnlich laut – und richtig lärmig, als wochenlang gewaltige Bohrer für Fundamentpfeiler für den Neubau zwischen Schillerplatz, Luitpold- und Friedenstraße zum Einsatz kamen. Die Pfahlbohrungen waren nötig, um die Baustelle zu stabilisieren und somit die beiden Untergeschosse überhaupt errichten zu können.
Im Juli letzten Jahres erwartete Landgerichtspräsident Reinhard Pfingstl deshalb für mindestens vier, fünf Monate einen derartigen Baulärm, dass in den Gerichtssälen Nummer 4 (Schöffengericht) und 137 (Landgericht, Strafkammern), die direkt an die Baustelle grenzen, keine ordnungsgemäßen, zumutbaren und revisionsfesten Verfahren durchgeführt werden könnten. Weil dort auch nach der Fundamentierung erheblicher Baulärm zu erwarten war, mietete die Justiz für die Verhandlungen der Strafgerichte Ersatzräume an: praktischerweise nur eine Querstraße weiter, in der Theresienstraße 1. Dort stand das Theresienheim der Würzburger Erlöserschwestern leer, nachdem im Sommer 2017 die Berufsfachschule für Ernährung und Versorgung ausgezogen war.
Drei Wochen Vorsprung
Nun ist der ehrwürdige Justizpalast, Baujahr 1905, mit seiner imposanten Steintreppe an der Rüfferstraße seit langem von einer gelben Bretterwand umgeben, auch ein Gutteil des Schillerplatzes ist gesperrt. Zu sehen ist von außen nur ein großer, roter Riedel-Kran, der ständig Material von hier nach dort transportiert. Wie weit sind die Arbeiten zum Neubau des Justizgebäudes, der im Herbst 2023 bezugsfertig sein soll?
Das weiß der Präsident des Landgerichts, Reinhard Pfingstl: "Sie liegen nicht nur im Plan, sondern sind ihm dank des guten Wetters drei Wochen voraus." Die Betonpfähle, dicht an dicht, sind längst gesetzt. In jedem zweiten befinden sich Rohre und Schläuche für die Geothermie: Erdwärme werde durch diese Technik im Winter zum Heizen und im Sommer zum Kühlen genutzt, sagt Pfingstl.
Bodenplatte einen Meter dick
Das erste (unterste) Untergeschoss (UG) – die Tiefgarage – ist fertig, die Decke schon drauf. Auf dieser wächst gerade das zweite UG heran, auf das Niveau der umgebenden Straßen und Plätze. Schalungen für die Decke werden gerade hergestellt. Die Bodenplatte für das Bauwerk mit einer Fläche von 55 auf 60 Meter "ist einen Meter dick, schließlich hat sie sechs Stockwerke zu tragen", sagt Pfingstl. In den Untergeschossen entstehen eine Tiefgarage mit rund 110 Stellplätzen, aber auch Räume für die Technik, Registratur, Grundbuch und Nachlass.
Im Lauf der nächsten Monate werden Passanten auch jenseits des Bauzauns sehen, wie der Bau wächst und wächst. Die vier überirdischen Stockwerke sollen laut Plan im September 2021 fertiggestellt sein. Dann steht wohl das Richtfest für den Rohbau an. Der Innenausbau wird weitere zwei Jahre in Anspruch nehmen. Im Herbst 2023 soll das komplette Amtsgericht dort unterkommen: Zivil-, Register-, Familien-, Betreuungs- und Insolvenzgericht, Zwangsversteigerung und Vollstreckung ziehen dann vom Iduna-Hochhaus in den Neubau. Vom Altbau in der Rüfferstraße kommt das Strafgericht dazu. Auch alle Gerichtssäle werden sich dann im Neubau befinden: nicht nur acht wie bisher im Altbau und dem Iduna-Hochhaus, sondern eine zweistellige Zahl, so Pfingstl.
Nur ein Zugang – barrierefrei
Zeitgleich räumen Landgericht und Staatsanwaltschaft ihre Räume in der Rüfferstraße und ziehen übergangsweise ins Iduna-Hochhaus, damit im leeren Altbau die Komplettsanierung beginnen kann. Wenn diese planmäßig im Herbst 2025 beendet ist, werden Staatsanwaltschaft und Landgericht vom Hochhaus zurückziehen in den sanierten Altbau, der dann reiner Bürobereich ist, nicht zugänglich für die Öffentlichkeit.
Sämtliche Gerichtsverhandlungen und der Publikumsverkehr finden dann in der ersten und zweiten Etage des Neubaus statt, zugänglich durch einen einzigen barrierefreien Eingang vom Schillerplatz aus, und drinnen gibt's Aufzüge. Für Pfingstl ist das aus Sicherheitsaspekten eine sehr gute Lösung. Die Büros der Amtsgerichts-Bediensteten befinden sich dann in den beiden oberen Etagen des Neubaus, wo Publikum ebenfalls nichts verloren hat.
Die alte Steintreppe bleibt
Die alte Steintreppe zum Justizpalast aus dem Jahre 1905 hat als Zugang zum Gerichtsbetrieb dann keine Bedeutung mehr. "Sie bleibt trotzdem erhalten", verspricht Präsident Pfingstl.