Das städtische Kanalnetz ist, nachdem dort über Jahrzehnte kaum etwas saniert wurde, an manchen Stellen recht marode. Ebenfalls stark in die Jahre gekommen ist die Gerolzhöfer Kläranlage, die nun mit erheblichem finanziellen Aufwand auf den Stand neuer Umweltanforderungen gebracht wird. Das Ganze kostet der Stadt Millionen. Und es will bezahlt werden. Die Verunsicherung - teilweise sogar Verwirrung - in der Bevölkerung ist groß, welche finanzielle Belastungen in absehbarer Zeit deswegen auf die Bürgerinnen und Bürger zukommen werden.
Deshalb hier nun der Versuch, die komplexe Angelegenheit zu erklären:
Was sind die rechtlichen Grundlagen?
Kanal- und Wasserversorgung gehören zu den so genannten kostendeckenden Einrichtungen. Das heißt, die Kommune ist gesetzlich gezwungen, das Geld, das sie zum Erhalt der Wasser- und Kanalversorgung ausgibt, bei ihren Bürgerinnen und Bürgern auch wieder reinzuholen. Die Gemeinde darf bei Kanal und Wasser weder Gewinne erzielen, noch darf sie hier mit anderen Haushaltsmitteln subventionieren.
Um die Kostendeckung zu gewährleiten, werden so genannte "Kalkulationszeiträume" gebildet, die zumeist vier Jahre betragen und regelmäßig nachgerechnet werden müssen. Sollte während dieses Zeitraums zu viel Geld eingenommen worden sein, muss dies wieder an die Einwohner zurückerstattet werden, indem die Gebühren gesenkt und/oder die Beiträge ermäßigt werden. Wurde hingegen weniger als kalkuliert eingenommen, muss der fehlende Betrag im nächsten Kalkulationszeitraum über höhere Gebühren oder Beiträge gedeckt werden.
Gleichzeitig ist die Stadt auch gehalten, regelmäßig nachzuprüfen, ob sich die baulichen Verhältnisse auf den Grundstücken im Laufe der Zeit geändert haben. Hat jemand seit der letzten Flächenerhebung vielleicht einen Wintergarten errichtet? Oder wurde die ehemalige Garage zu Wohnzwecken umgenutzt? Hat jemand am Haus noch einen Anbau angefügt? Aus diesem Grund fand vor etwa zwei Jahren ein neues Aufmaß aller Gebäude in Gerolzhofen und Rügshofen durch ein Spezialbüro statt.
Was sind Gebühren?
Unter Gebühren versteht man Zahlungen, die von den Bürgerinnen und Bürgern geleistet werden müssen, wenn diese eine öffentliche Einrichtungen nutzen. Wenn man also Wasser aus der öffentlichen Trinkwasseranlage entnimmt, muss man dafür Verbrauchsgebühren zahlen. Und wer ins Schwimmbad geht, muss dort Eintrittsgebühren bezahlen. Wie hoch die jeweiligen Gebühren sind, wird vom Stadtrat in kommunalen Satzungen festgelegt. Wer mehr Wasser verbraucht, muss auch mehr zahlen. Und wer länger im Schwimmbad bleiben möchte, dessen Gebühren erhöhen sich automatisch. Gebühren hat grundsätzlich jeder zu zahlen, der etwas aus öffentlicher Hand gebraucht oder verbraucht.
Was sind Beiträge?
Neben den Gebühren, Steuern und Sonderabgaben sind Beiträge eine weitere Form, mit der sich die Bürgerinnen und Bürger einer Kommune finanziell am Gemeinwesen und den Versorgungseinrichtungen beteiligen müssen. Wichtig: Man unterscheidet hier nach Herstellungsbeiträgen und nach Verbesserungsbeiträgen. Beträge müssen nach den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes nur von den Eigentümern der Grundstücke gezahlt werden. Diese Kosten können nicht über die Nebenkostenabrechnung auf Mieter umgelegt werden, allenfalls über eine Erhöhung der Miete.
Was ist ein Herstellungsbeitrag?
Herstellungsbeiträge sind ein besonderes Entgelt dafür, dass ein Grundstück überhaupt die Möglichkeit hat, an das Wasser -und Kanalnetz angeschlossen zu werden. Der Herstellungsbeitrag wird nur einmalig fällig, meist immer dann, wenn das Haus gebaut wird. Wer seinen Herstellungsbeitrag beglichen hat, braucht künftig nicht mehr zu zahlen. Grundsätzlich. Denn eine Ausnahme gilt, wenn später am Haus noch ein Anbau errichtet wurde oder eine Umnutzung erfolgte, so dass sich die Geschossflächenzahl im Gebäude erhöhte. In solchen Fällen der Flächenmehrungen werden nachträglich für die neu dazugekommenen Flächen ebenfalls noch Herstellungsbeiträge fällig. Was ja auch gerecht ist.
Bei dem Aufmaß vor rund zwei Jahren wurden tatsächlich neu hinzugekommene Flächen entdeckt. Für diese Flächen werden nun Anfang 2022 von der Stadt ergänzende Herstellungsbeiträge verschickt. Diese Nachforderungen fallen - zeitlich vielleicht etwas unglücklich - mit der Diskussion zusammen, wie die aktuellen Millioneninvestitionen in Kanal und Kläranlage auf die Bürgerinnen und Bürger umgelegt werden sollen. Es handelt sich aber um zwei Paar Schuhe. Trotzdem sorgt die zeitliche Nähe der verschiedenen Stadtratsentscheidungen in der Bevölkerung für Unsicherheit.
Wie hoch sind die neuen Herstellungsbeiträge?
Bevor die Bescheide für diese ergänzenden Herstellungsbeiträge im Januar und Februar 2022 verschickt werden, hat der Stadtrat die Höhe der Herstellungsbeiträge für Wasser und Kanal neu gerechnet und in zwei Satzungen neu festgesetzt. Weil sich durch das Aufmaß die Summe aller Geschossflächen vergrößert hat, sinkt der Preis für die einzelne Geschossfläche.
Bei der Wasserversorgung werden für einen Quadratmeter Grundstücksfläche nun 1,55 Euro (bisher: 1,50 Euro) fällig und für einen Quadratmeter Geschossfläche 4,75 Euro (bisher: 6,20 Euro). Die Herstellungsbeiträge für die Abwasserentsorgung ändern sich wie folgt: Pro Quadratmeter Grundstücksfläche werden nun 2,70 Euro (bisher: 1,92 Euro) fällig. Der Preis für jeden Quadratmeter Geschossfläche sinkt auf 13,65 Euro (bisher: 15,89 Euro).
Diese neuen Herstellungsbeiträge für die Wasserversorgung gelten ab der Veröffentlichung der Satzung im Amtsblatt, was am 18. Dezember 2021 erfolgt. Die Herstellungsbeiträge für den Kanal hingegen gelten ab dem 1. Januar 2022.
Betroffen davon sind nicht nur die nachträglich erfassten Anbauten, sondern natürlich auch alle Gebäude, die in Gerolzhofen und Rügshofen künftig neu gebaut werden. Das heißt aber auch: Diejenigen Hauseigentümer, bei deren Gebäude sich die Geschossflächenzahl durch das neue Aufmaß nicht verändert hat, brauchen nichts zu befürchten. Sie bekommen im Januar oder Februar keinen Bescheid.
Doch mittelfristig werden auch sie zur Kasse gebeten werden, weil wegen der Kläranlage so genannte Verbesserungsbeiträge fällig werden.
Was ist ein Verbesserungsbeitrag?
Verbesserungsbeiträge sind im Gegensatz zum Herstellungsbeitrag ein besonderes Entgelt dafür, dass dem Grundstück durch eine spätere bauliche Verbesserung der öffentlichen Versorgungseinrichtung ein Vorteil erwächst. Diese Verbesserungsbeiträge können auch dann erhoben werden, obwohl man schon seinen Herstellungsbeitrag gezahlt hat. Die gewaltigen Millionen-Investitionen der Stadt in Kanal und Kläranlage stellen eine solche bauliche Verbesserung dar.
Wie werden die Investitionen in den Kanal refinanziert?
Die Stadt Gerolzhofen hat bereits über drei Millionen Euro insbesondere in die Sanierung der Kläranlage ausgegeben. Weitere gut drei Millionen in den kommenden Jahren werden folgen. Der Stadtrat hat beschlossen, um die Abwassereinrichtung gesetzeskonform kostendeckend betreiben zu können, diese Investitionen in einer Mischform zu 30 Prozent über erhöhte Abwassergebühren und zu 70 Prozent über Verbesserungsbeiträge wieder reinzuholen. An der Aktion werden also nicht nur die Immobilieneigentümer, sondern auch die Mieter über deren persönlichen Verbrauch beteiligt.
Warum werden die neuen Abwassergebühren gesplittet?
Zunächst der Blick auf die Abwassergebühren: Sie werden künftig in eine Schmutzwasser- und in eine Niederschlagswassergebühr aufgeschlüsselt. Sie werden "gesplittet". Und dies verkompliziert die ganze Gemengelage nochmals. Die Stadt musste diese neue Regel nach entsprechenden höchstrichterlichen Entscheidungen umsetzen. Wichtig: Das Splitten hat nichts damit zu tun, dass die Kläranlage saniert wird oder dass beim Aufmaß zusätzliche Geschossflächen entdeckt wurden.
Bisher wurden die Kanalgebühren einfach nach der Menge des verbrauchten Trinkwassers angesetzt. Man ging davon aus, auch weil es leicht zu rechnen war, dass man grundsätzlich genauso viel Wasser wieder in den Kanal einleitet, wie man zuvor dem Trinkwassernetz entnommen hat. Allerdings gelangt tatsächlich neben dem häuslichen Schutzwasser auch noch reichlich anderes Abwasser in den Kanal und die Kläranlage: das Regenwasser von den Dächern, Parkplätzen oder anderen versiegelten Flächen.
Das Kommunalabgabengesetz fordert hier eine verursachergerechte Kostenbeteiligungen. Deshalb wird nun zwischen Schmutz- und Regenwasser unterschieden. Bei der neuen Gebühren-Kalkulation werden in getrennten Rechnungen die Kosten ermittelt, die im "Kalkulationszeitraum" der kommenden vier Jahre einerseits für das Reinigen des Schutzwasser und andererseits für das Bearbeiten des leicht verschmutzten Regenwassers von versiegelten Flächen entstehen werden. Beides wird getrennt in Rechnung gestellt.
Die neue Abrechnungsmethode bedeutet, dass diejenigen jetzt höhere Gebühren zahlen müssen, deren Grundstück stark versiegelt ist und so kaum Möglichkeiten zum Versickern von Regenwasser bietet. Dies gilt übrigens auch für die Mieter, deren Vermieter und Hauseigentümer sein Grundstück zubetoniert hat. Die Stadt hat deshalb das Stadtgebiet von einer Spezialfirma überfliegen lassen. Aus der Luft wurden alle befestigten Flächen samt dem Stärkegrad ihrer Versiegelung erfasst und gespeichert.
Wie sehen die neuen Abwassergebühren aus?
In diese Berechnung der neuen Kanalgebühren sind dann - wie vom Stadtrat gewünscht - auch die 30 Prozent der Kläranlagen-Investitionen eingeflossen. Das Ergebnis der komplizierten Kalkulation: Der Preis für das Schmutzwasser (die Menge wird weiterhin nach dem Trinkwasserverbrauch ermittelt) steigt ab dem 1. Januar 2022 von 1,80 Euro auf 2,20 Euro pro Kubikmeter. Die neuen Gebühren für das Niederschlagswasser betragen 20 Cent pro Quadratmeter versiegelter Fläche, die Wasser in den Kanal einleitet - wobei nach einer entsprechenden Umrechnungstabelle die Flächen je nach Versiegelungsgrad nach gestaffelten Prozentsätzen herangezogen werden. Die Grundgebühr für das Schmutzwasser, in der Regel 15 Euro, bleibt unverändert.
Wann kommen die Verbesserungsbeiträge?
70 Prozent der Kläranlagen-Investitionen werden als Verbesserungsbeiträge auf alle Grundeigentümer umgelegt. So will es der Stadtrat. Grundlage sind hier alleine die Geschossflächen.
Wann diese Beitragsbescheide verschickt werden, steht allerdings noch nicht fest. Möglicherweise kann es Herbst 2022 werden. Denn momentan ist noch unklar, auf wie vielen Schultern künftig die Kosten verteilt werden können. Es wird nämlich geprüft, ob neben Dingolshausen eine weitere Nachbargemeinde von Gerolzhofen sich an die Kläranlage anschließen kann.
Die Prüfung kann sich noch einige Monate hinziehen. Dass die Verbesserungsbeitragsbescheide, dann verteilt auf bis zu drei Raten, aber kommen werden, das ist sicher.
Thomas Vizl