Die Fürstlich Castell'sche Bank ist wirtschaftlich in schwieriges Fahrwasser geraten. Mit einer selbst verordneten Radikalkur sollen Fehlentwicklungen der Vergangenheit korrigiert und das Ruder herumgerissen werden. Neben dem Auswechseln des Führungspersonals ist auch eine Neuausrichtung des Verbreitungsgebiets geplant. Die Folge: Das Traditionshaus schließt seinen Standort in Gerolzhofen in der Marktstraße.
Von der Schließung betroffen sind neben Gerolzhofen auch die Filialen in Lohr, Kitzingen, Neustadt/Aisch und Schlüsselfeld. Die Entscheidung sei die Folge des veränderten Kundenverhaltens mit einer teilweise deutlich abnehmenden Frequentierung dieser Filialen. Diese Information teilte der Generalbevollmächtigte und designierte Vorstandsvorsitzende, Thomas Rosenfeld, in einem Exklusiv-Interview mit der Main-Post mit.
Bis März 2022 ist Schluss
Die Abwicklung der Filialen soll bis spätestens 31. März kommenden Jahres abgeschlossen sein. Die Mitarbeiter der betroffenen Filialen könnten den Standort wechseln und zugleich verstärkt im Homeoffice arbeiten. Betriebsbedingte Kündigungen soll es nicht geben, heißt es. In der Filiale in Gerolzhofen sind laut Harald Dürr, Teamleiter Marketing & Öffentlichkeitsarbeit bei der Castell-Bank, derzeit zwischen fünf und sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betroffen.
Für die Kunden werde die Bank die Möglichkeit geschaffen, dass sie sich an den Automaten anderer Banken kostenlos mit Bargeld versorgen können. Alle Kundinnen und Kunden im Vermögensmanagement sowie alle Privat- und Firmenkunden erhalten über das neue "FCB DialogCenter" einen erweiterten Zugang zur Fürstlich Castell'schen Bank. Dabei handele es sich um ein modernes "Multi-Kanal-Angebot", wo ein kompetentes Team montags bis freitags zwischen 8 und 20 Uhr für alle Services und für ausgewählte Beratungsleistungen zur Verfügung stehe.
Teil der Stadtgeschichte
Die Bank wurde zu Beginn des Jahres 1774 in Folge einer Hungersnot zur Unterstützung der Bevölkerung als Gräflich Castell-Remlingen'sche Landes-Credit-Cassa gegründet und war zunächst für Privatkunden gedacht. Für Firmenkunden wurde 1857 zusätzlich die Gräflich Castell'sche Neue Credit-Casse gegründet. 1936/37 übernahmen die Fürsten zu Castell große Teile des in Konkurs gegangenen jüdischen Bankhauses Johann Michael Meyer (auch: Mayer) aus Kitzingen, was zu einer erheblichen Ausweitung des eigenen Filialnetzes beitrug.
Im Jahr 1940 wurde, so ist in einem Artikel über die Geschichte des Bankhauses Castell nachzulesen, die alte Credit-Cassa als letzte nicht-kommunale Sparkasse in Bayern aufgehoben. Ihr Vermögen wurde satzungsgemäß wohltätigen Stiftungen zugeführt und ihre Kunden auf die Neue Credit-Casse übertragen, die sich fortan Fürstlich Castell'sche Bank nannte. Eigentümer der privaten Aktiengesellschaft sind bis heute die Fürstenfamilie Castell-Castell und die gräfliche Familie Castell-Rüdenhausen zu gleichen Teilen geblieben.
Mit der Übernahme des Bankhauses J. M. Meyer gelangte die Castell-Bank auch an die Meyer-Filiale in Gerolzhofen, die sich im Eckhaus der Marktstraße zur Salzstraße (heute Bäckerei Oppel) befand. Über dem Eingang des Hauses prangt noch heute das Castell'sche Familienwappen.
Bank gegen Hotel getauscht
Gegenüber der Bank lag das Hotel "Stern", das vom Eigentümer Georg Außenhofer um das Jahr 1931 an den Sohn Otto Außenhofer ging, der dann dort neben dem Beherbergungsbetrieb auch eine Weinhandlung und eine Futtermittelvertretung unterhielt. Hotelier Außenhofer vereinbarte schließlich mit der Castell-Bank den Tausch der beiden gegenüberliegenden Anwesen.
Die Bank übernahm den alten "Stern", riss das Jahrhunderte alte Gebäude ab und errichtete an gleicher Stelle ein modernes Bankgebäude – verkleidet mit aus heutiger Sicht hässlichen Waschbeton-Platten. Später wurden diese Platten entfernt und die Fassade ansprechend neu gestaltet.