
Es war eine nahezu unbemerkte Szene. Und vielleicht wirkte sie auch deshalb so ungewohnt, weil es nicht mehr als selbstverständlich gilt: Politische Kontrahenten lachen miteinander und gesellen sich zu einem gemeinsamen Selfie. Auf der Tagesordnung stand ein Hintergrundgespräch über die Probleme der Landwirtschaft. Eingeladen hatte der Verband für landwirtschaftliche Fachbildung regionale Abgeordnete nach Schweinfurt. Doch bevor der Austausch begann, standen plötzlich Thorsten Schwab (CSU), Volkmar Halbleib (SPD), Karsten Klein (FDP), Paul Knoblach (Grüne) und Felix von Zobel (Freie Wähler) in einer Ecke des Sitzungssaals und machten ein Erinnerungsfoto.
Der politische Diskurs wird nicht nur durch Hetze der AfD vergiftet
In diesen überhitzten Zeiten mit Krisen und Kriegen, in denen Diskussionen sekundenschnell ins Hysterische eskalieren und verstärkt werden durch die Echokammern der sozialen Netzwerke, bleibt die politische Streitkultur oft auf der Strecke. Der Diskurs wird nicht nur vergiftet durch die Hetze, die die AfD häufig in die Parlamente und öffentlichen Debatten trägt. Auch wenn etwa der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Bundesumweltministerin Steffi Lemke als "grüne Margot Honecker" bezeichnet oder der bayerische Wirtschaftsminister und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger öffentlich behauptet, die schweigende große Mehrheit dieses Landes müsse sich die "Demokratie wieder zurückholen", scheinen Grenzen überschritten.
Wir wollten von den fünf Politikern wissen, ob hinter diesem Selfie tatsächlich Wertschätzung für den politischen Gegner steht – und haben sie danach gefragt.
Der Landtagsabgeordnete Thorsten Schwab hatte die Idee zu diesem Selfie
CSU-Landtagsabgeordneter Thorsten Schwab aus Hafenlohr (Lkr. Main-Spessart), der das Selfie schoss, sagt, dass "Streit in der Sache richtig und wichtig ist, trotzdem ist der gegenseitige Respekt natürlich gegeben". Er selbst pflege zu den "Kollegen der anderen demokratischen Parteien einen guten und teils freundschaftlichen Austausch". Sein grüner Landtagskollege Paul Knoblach aus Garstadt (Lkr. Schweinfurt) bestätigt dies und fügt an: "Es hängt immer am Menschen. Wir alle wissen das im Grunde, und das zeigt das vom Kollegen Schwab gemachte Bild."

Felix von Zobel aus Ochsenfurt (Lkr. Würzburg), seit Oktober für die Freien Wähler Mitglied des bayerischen Landtags, sagt, "dass der Eindruck nicht täuscht". Wertschätzung sei in aller Regel Praxis und Realität – "auf jeden Fall in Unterfranken". Die Abgeordneten "kennen und schätzen sich seit langem und arbeiten auch konstruktiv zusammen", sei es im Kreis- oder Landtag. Von Zobel macht jedoch auch die Medien mit dafür verantwortlich, dass oftmals ein gegenteiliger Eindruck entstünde: Oft werde von Streit gesprochen, wenn die Diskussion oder der Austausch von Argumenten gemeint sei. Dies erhöhe nicht "das Vertrauen in Politik und die demokratischen Institutionen".
Demokratie ist die Suche nach Konsens und Kompromissen
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Karsten Klein aus Aschaffenburg lobt bei allen inhaltlichen Unterschieden das faire Miteinander: "Auch wenn wir über den Weg streiten, eint uns Demokraten am Ende das Ziel, gute Ergebnisse für die Bürger in der Region und die Zukunft zu vereinbaren."
"Ihr Eindruck täuscht keineswegs", antwortet auch der SPD-Landtagsabgeordnete Volkmar Halbleib aus Ochsenfurt. "Politische Arbeit bedeutet für mich, konstruktiv Dialoge über Parteigrenzen hinweg zu führen und ein wertschätzendes Miteinander zu pflegen." Natürlich gebe es eigenständige Positionen und Grundüberzeugungen, "aber unser demokratisches System braucht immer auch die Suche nach Konsens und guten Kompromissen". Diese Verständigung brauche es gerade "in Zeiten erstarkender antidemokratischer Kräfte und gesellschaftlicher Polarisierung", so Halbleib.
So ist das Selfie am Ende mehr als ein ungewöhnliches Erinnerungsfoto. Es ist ein Statement.