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Schweinfurt
Frauenhaus Schweinfurt: Der Gewalt entkommen
Für misshandelte Frauen und ihre Kinder bedeutet der Einzug ins Frauenhaus Hoffnung. Wie ihnen das Team hilft, ihr Leben neu zu regeln. Und warum Ehrenamtliche wichtig sind.
Gewalt gegen Frauen (Symbolbild): Für viele Frauen ist die Flucht ins Frauenhaus ein Ausweg. 
Foto: Jan-Philipp Strobel | Gewalt gegen Frauen (Symbolbild): Für viele Frauen ist die Flucht ins Frauenhaus ein Ausweg. 
Susanne Wiedemann
 |  aktualisiert: 13.02.2024 16:38 Uhr

Sachbericht. Das hört sich so trocken, so nüchtern an. Man erwartet vor allem Zahlen. Wenn man sich mit dem Sachbericht 2019 des Frauenhauses für die Region Main-Rhön( getragen vom Verein Frauen helfen Frauen) in Schweinfurt beschäftigt, stößt man aber vor allem auf Schicksale, auf Konflikte und Tragödien, die einen nur schwer loslassen.

Entführung auf offener Straße  

Zum Beispiele diese Fälle: Eine Bewohnerin wurde zusammen mit ihrem Kind auf offener Straße von ihrer Familie in ein Auto gezerrt und entführt. In einem anderen „Fall“ entführte ein Vater sein Kind ins Ausland ohne Wissen der Mutter und des schon vorher involvierten Jugendamtes. Eine Frau und ihre drei erwachsenen Kindern und ihre alte Mutter wurden seit Jahren vom neuen Ehemann und dessen Familie misshandelt. Mutter und Tochter suchten Schutz im Frauenhaus, die beiden Söhne und die Oma waren noch in der Gewalt der Familie. Mit Polizeihilfe wurde die Oma in ein Heim gebracht, die Flucht für die Söhne geplant. Diese drei Fälle gingen gut aus. Drei Frauen wurden aber in der Region in den letzten Jahren ermordet. "Wir unterstützen zwei Frauen mit ihren Kindern, die einen Mordversuch gerade so überlebt haben", heißt es im Bericht. 

Das Hilfsangebot ist laut Bericht rund um die Uhr erreichbar, dafür sorgen ehrenamtliche und hauptamtliche Mitarbeiterinnen. Hierfür wurden insgesamt 5562 Stunden nachts, am Wochenende und an Feiertagen im Bereitschaftsdienst aufgewendet. 2019 konnten 81 Frauen nicht aufgenommen werden. Ein Grund: Platzmangel. Auch infolge der angespannten Personalsituation (Umstrukturierung, Krankheit, Verrentung, Stellenwechsel) habe man – wenn auch nur sehr vereinzelt – eine Aufnahme ablehnen müssen; man habe den Anspruch, die neuen Bewohner adäquat betreuen zu können.

"Gerade in den ersten Tagen braucht eine Frau, die gerade vom vertrauten Heim, aber vom gewalttätigen Mann/ Vater zu uns geflüchtet ist, sehr viel Zuspruch und Unterstützung." Manche Frauen und Kinder seien sehr verstört, brauchen akut ärztliche Versorgung, einen Rechtsbeistand oder Unterstützung der Polizei, um Sachen aus der ehemaligen Wohnung holen zu können. 

Kann eine Schutzsuchende nicht aufgenommen werden, suche man nach Lösungen, zum Beispiel nach  Unterbringungsmöglichkeiten bei Verwandten, Freunden oder Bekannten, bis ein Platz im Frauenhaus frei wird.  Nicht in jedem Fall stelle übrigens  die Flucht in ein Frauenhaus die sinnvollste Möglichkeit dar, zumal damit fast immer ein Schul- und Arbeitswechsel verbunden ist oder sogar ein stabiles soziales Umfeld und Helfersystem wegbrechen kann. 

Schwierige Situation für Asylbewerberinnen und Migrantinnen

Im Berichtszeitraum lebten 13 Asylbewerberinnen im Frauenhaus, von denen neun anerkannte Flüchtlinge waren. Unsichere Aufenthalte verunsichern die gewaltbelasteten Frauen enorm und setzen auch die  Mitarbeiterinnen unter Druck, heißt es. Der Bericht listet ein Problem auf: Arrangierte Ehen und Zwangsheirat werden in Deutschland nicht anerkannt, so dass manche Mütter plötzlich als ledig und und somit in ihrer Umgebung als ehrlos gelten. Ist der Aufenthalt einer Frau außerdem an die Ehe mit dem gewalttätigen Mann gebunden, den sie verlassen möchte, ergebe sich oft eine verzweifelte Situation. 

Kontakt: (0 97 21)  78 60 30

Bewohnerinnen und Aufenthaltsdauer

2019 lebten 51 Frauen mit 44 Kindern sowie zeitweise zwei Besuchskinder im Frauenhaus. Besuchskinder leben bei ihren Vätern, in Pflegefamilien oder bei Verwandten und besuchen ihre Mutter und in einigen Fällen ihre Geschwister im Frauenhaus im Rahmen einer fest vereinbarten Umgangsregelung.
Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer pro Bewohnerin stieg auf knapp 79 Tage, was mehr als 2,5 Monaten entspricht (Vorjahr: 68 Tage), so dass weniger Frauen und Kinder einziehen konnten als im Vorjahr. Mit beinahe 79 Prozent ist der Anteil der Bewohnerinnen aus der Region stark gestiegen (Vorjahr 63,5 Prozent.) Im Jahresdurchschnitt waren die zwölf Frauenplätze zu annähernd 89 Prozent (Vorjahr 85) ausgelastet.  Die Anzahl der persönlichen Beratungen steigerte sich im Vergleich zum Vorjahr um 23 Prozent und die Telefonberatungen um 28 Prozent.
Der Einzugsbereich: Aus dem Landkreis Schweinfurt kamen 30,9 Prozent der telefonisch Beratenden, aus den Landkreisen Bad Kissingen, Haßberge und Rhön-Grabfeld betrug die Inanspruchnahme insgesamt lediglich 35 Prozent. Das Frauenhaus wird unterstützt vom Freistaat, Stadt Schweinfurt und den Landkreisen Schweinfurt, Bad Kissingen, Haßberge und Rhön-Grabfeld. 
Quelle: Sachbericht des Frauenhauses
 
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