Gewalt ist nicht nur körperlich. Blicke können Angst machen. Worte können schlimmer sein als Schläge, noch dazu, wenn sie jemand als Waffe in den sozialen Netzwerken verwendet. "Digitale Gewalt nimmt immer mehr zu", beobachten Tanja Glöckner-Pusic und Sabine Dreibholz. Beide kümmern sich um Frauen und Mädchen, die Gewalt erfahren haben, einen Rat brauchen, raus müssen aus einer bedrohlichen Situation. Das Ganze unter dem Dach des Vereins "Frauen helfen Frauen." Dazu gehören das Frauenhaus, das für die ganze Region Main-Rhön zuständig ist und die "Anlaufstelle sexuelle Gewalt an Mädchen und Frauen".
Die Fäden laufen in der Cramerstraße 19 zusammen. Wer hierher kommt, weil er Hilfe braucht, findet nicht nur Frauen, die zuhören, sondern auch eine sehr angenehme Atmosphäre. Wer reinkommt, fühlt sich wohl. Die Räume wirken nicht steril und einschüchternd wie eine Praxis oder ein Büro. Es gibt auch eine Spielecke für Kinder.
Tanja Glöckner-Pusic und Sabine Dreibholz, fachliche Leiterin des Frauenhauses, kennen viele schlimme, viele traurige Geschichten. Sie erleben immer wieder, dass sich die Frauen eher als Schuldige sehen, nicht als Opfer eines gewalttätigen Mannes. Oft weise auch das familiäre Umfeld der Frau die Schuld zu. Für Tanja Glöckner-Pusic hat das auch noch mit verbreiteten, anerzogenen Rollenbildern zu tun. Frauen sollen brav und nett sein, sollen gefallen. Widerspruch erheben, sich auflehnen? Das ist nicht vorgesehen. Verwandte stehen auch oft auf der Seite des Mannes, nehmen ihn in Schutz mit Sätzen wie "Er hat halt Stress."
Information über Rechte
Welche Rechte habe ich eigentlich? Die Frage führt viele Frauen in die Beratungsstelle. Nicht jede Frau sucht gleich einen Platz im Frauenhaus. Das Team hier vermittelt Hilfs-und Beratungsangebote, stellt Kontakt auch zu Anwältinnen her. Keine Frau muss alleine vor Gericht erscheinen, falls sie sich entschlossen hat, ihren Partner oder Peiniger anzuzeigen. "Wir begleiten sie, erklären alles ganz genau".
Die Atmosphäre in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung ist schwierig für die Frau, wissen beide. Die Biographie der Frau werde genau durchleuchtet, die Verteidung des Mannes versuche natürlich, die Frau schlecht dastehen zu lassen. Egal, ob es um Gewalt in einer Beziehung oder einen sexuellen Übergriff oder sexuelle Gewalt geht. Und auch hier werde von der Umgebung wieder das Gefühl vermittelt, schuld zu sein. "Warum ist sie nicht daheimgeblieben?" "Warum hat sie sich nicht anders angezogen?" Frauen, die Opfer von sexueller Gewalt geworden sind, müssen sich das immer noch anhören.
"Warum habe ich das auf mich genommen?". Nicht wenige Frauen fragen sich das, nachdem sie vor Gericht gegangen sind. Das Team weiß aber auch um die Gefahren, in denen sich die Frauen befinden, die einen Neuanfang versuchen wollen. "Trennungssituationen sind die Gefährlichsten, die Tötungsgefahr ist da am höchsten", sagt Sabine Dreibholz.
Anzeige erstatten nur wenige Frauen
Nur zehn Prozent der Frauen, die Gewalt erlebt haben, erstatten überhaupt Anzeige, schätzen Kriminologen. Und nur in knapp sieben Prozent der angeklagten Fälle gebe es eine Verurteilung, sagt Dreibholz. "Aussage steht gegen Aussage. Es ist eine große psychische Belastung." Vor großen seelischen Belastungen stehen auch Frauen, die Probleme mit einem gewalttätigen Mann haben und Kinder haben, sagen Dreibholz und Glöckner-Pusic. Egal, was war, über die Kinder bleibe man immer verbunden. Viele Frauen gehen auch wieder zurück in die alte Beziehung. "Er ist der Vater meiner Kinder, ich gebe ihm noch eine Chance".
Im Frauenhaus haben 12 Frauen und 12 Kinder Platz, zwei Frauen teilen sich eine Drei-Zimmer-Wohnung, erzählt Sabine Dreibholz. Zu "Frauen helfen Frauen" gehört auch ein Netz von Freiwilligen Helferinnen, die zum Beispiel die Rufbereitschaft übernehmen, da sind, wenn eine Frau schnell Hilfe braucht. Wer sich engagieren möchte, kann Kontakt mit Sabine Dreibholz aufnehmen.
Corona hat zu keinem signifikanten Anstieg geführt, sagen beide. Werden Frauen ins Frauenhaus aufgenommen, wird auf Hygieneregeln geachtet. Zusätzlich zu Rat und Unterstützung gibt es auch Masken.
Anlaufstelle sexuelle Gewalt an Mädchen und Frauen: Persönlich zu erreichen telefonisch montags von 10 bis 12 Uhr, mittwochs von 17 bis 19 Uhr. Der Anrufbeantworter wird täglich abgehört. Telefon: 09721 185233, Mail: office@anlaufstelle-sw.de
Das Frauenhaus ist rund um die Uhr zu erreichen unter: 09721 786030, Mail: frauenhaus.schweinfurt@t-online.de